Rezension: „Nicht nur ein Liebesroman“ (Emma Mills)

Okay, wer mich kennt, weiß, dass ich selten Liebesromane lese. Oder eigentlich lese ich sie doch recht häufig, denn oft verlieben sich die Charaktere in den Büchern, die ich lese. Aber diese Bücher fühlen sich nicht an wie Liebesromane, da die Liebesbeziehungen darin meist nur einen kleinen Teil der Geschichten ausmachen. Man könnte also eher sagen, dass ich selten Bücher lese, in denen es sich nur um die Liebesbeziehung zweier Figuren dreht.

Warum habe ich also einen Liebesroman gelesen? Nun, ganz einfach: Weil auf dem Titel „Nicht nur ein Liebesroman“ steht. Logisch, oder?

Vielen Dank an den Carlsen Verlag, der mir das Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

(Foto: S. Schückel)

Worum geht es?

Sloane ist 17 und neu in Florida. Sie ist gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester und ihren Eltern hierher gezogen und versucht sich, an der neuen Schule einzuleben. Während sie zu Hause merkt, dass ihr Vater, ein Schriftsteller, mit einer massiven Schreibblockade kämpft und diese Krise auch die Ehe ihrer Eltern belastet, lernt sie auf einer Party die Zwillinge Gabe und Vera kennen. Vera, die der Star des Jahrgangs ist, freundet sich schnell mit Sloane an. Gabe dagegen ist ganz anders, still und in sich gekehrt und Sloane erkennt bald, dass jeder eine gewisse Last mit sich herumträgt – und man Freunde benötigt, die beim Tragen helfen.

Mein Eindruck:

Die Frage, die bei diesem Titel wohl sofort im Raum steht, lautet: Ist es ein Liebesroman?

Gegenfrage: Was versteht Ihr unter einem Liebesroman?

Wenn es darum geht, dass es lediglich um zwei mehr oder minder gut ausgearbeitete Buchfiguren geht, die sich über 3-400 Seiten mehr oder minder dämlich benehmen und erst kurz vor Schluss begreifen, wie gut sie zusammenpassen, dann ist es eigentlich kein Liebesroman, denn „Nicht nur ein Liebesroman“ enthält viel mehr als dämliche Momente, in denen die Hauptfiguren aneinander vorbei reden oder agieren.

Wenn ihr einen Liebesroman aber darüber definiert, dass ein Buch zeigt, wie vielfältig Liebe ist und wie stark aber auch verwirrend familiäre Liebe, freundschaftliche Liebe und romantische Liebe sein können, dann – ja – ist „Nicht nur ein Liebesroman“ definitiv ein Liebesroman.

Sich in einer völlig neuen Umgebung zurechtfinden zu müssen kann angsteinflößend sein – ich selber habe diese Erfahrung zweimal in größerem Umfang machen müssen – Sloane reagiert jedoch beinahe gelassen. Dass diese Gelassenheit eine Fassade sein muss, ahnt man schnell – und doch nimmt man es ihr ab, dass sie kein Problem mit dem Umzug ihrer Familie hatte. Was Sloane an ihrer alten Schule nämlich fehlte, waren Freunde. Es ist stellenweise eigenartig zu lesen, wie ein siebzehnjähriges Mädchen beinahe völlig ahnungslos ist, wenn es um Freundschaften geht, doch genau das ist der eigentliche Fokus des Buches. Sloane muss erst lernen, sich auf Freundschaften einzulassen und nicht nur für andere da zu sein, sondern auch selbst Hilfe anzunehmen.

Was mich selbst überraschte – und hier wird wieder einmal deutlich, was Bücher über unsere eigene Gefühlswelt zu Tage bringen – ist, wie schnell Vera und Gabe (und auch die anderen der Clique) sich Sloane öffneten. Im Vergleich dazu hatte ich zugegebenermaßen das Gefühl, selbst von emotionalen Mauern umgeben zu sein, durch die nur die Menschen dringen können, von denen ich sicher bin, dass sie mich nicht verletzen. Dass selbst der sonst eigentlich verschlossene Gabe sich Sloane recht schnell öffnet, kann man entweder als zu einfache Lösung zur Vorantreibung der Geschichte kritisieren – oder als notwendigen dramaturgischen Kniff sehen, durch den die Handlung spannend wird, weil Sloane nur so auf die Idee kommt, etwas für Gabe und Vera zu tun.

(Foto: S. Schückel)

Emma Mills schafft es, Sloanes innere Dämonen über ihre flapsige Sprache sichtbar werden zu lassen, ohne diesen Dämonen die Führung der Geschichte zu überlassen. Vielmehr nutzt Mills den eben beschriebenen dramaturgischen Kniff, um in einer Art Dominoeffekt zu zeigen, dass „gut gemeint“ nicht alles zu einer guten Tat werden lässt und dass Zeichen der Freundschaft auch schnell missverstanden werden können.

Parallel hat sie mich dadurch begeistert, dass sie die Welt der Fanfictions als Stilmittel genommen hat, um zu zeigen, wie einfach das Leben sein könnte  wäre es nur eine Fanfiction, die wir schreiben würden. Stellenweise hatte ich dadurch den Eindruck, jetzt selbst eine Fanfiction zu lesen. Das ist Kompliment und Kritik zugleich, denn zum einen lese ich Fanfictions sehr gerne, da sie zumeist einen unheimlich eingängigen Schreibstil haben, die Charaktere liebevoll gestaltet sind, so dass man sich sofort mit ihnen wohlfühlt und es ein ganz besonderes – und schwer in Worte zu fassendes – Leseerlebnis ist.

Zum anderen ist – zumindest in meinen Augen – ein Charakteristikum von Fanfictions aber auch, dass Handlungswendungen „zu schnell“ geschehen, dass der Autor bzw. die Autorin es sich etwas zu einfach macht, wenn er/sie die Handlung vorantreibt. Es handelt sich dabei keineswegs um unrealistische Wendungen (meistens jedenfalls), sondern einfach um unwahrscheinliche Wendungen, welche die Handlung in einer für den Autor (und das Ziel des Buches) günstigen Weise beeinflussen.

Fazit:

Stellenweise trifft auf „Nicht nur ein Liebesroman“ einfach beides zu: Es lässt sich wunderbar lesen, hat tolle Charaktere und zeigt, wie vielfältig Liebe sein kann und wie kompliziert jede dieser Arten ist. Es ist aber an manchen Stellen auch etwas zu kurz gegriffen und im echten Leben wünscht man sich, dass es doch bloß so einfach wäre. Aber ist das nicht gerade der Zauber von Liebesromanen?

4 von 5 Sternen.

Mehr zum Buch:*

  • Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
  • Verlag: Königskinder / Carlsen Verlag (29. September 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3551560374
  • ISBN-13: 978-3551560377

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