Montagsfrage von Paperthin: Wann ist das älteste Buch erschienen, das du freiwillig gelesen hast?

Neue Woche(nmitte), neue Frage, neue Antwort. Wie jede Woche gibt es bei Paperthin die Montagsfrage und es gelingt mir sogar wieder, an der schönen Aktion teilzunehmen!

Meine Antwort:

Das ist wirklich schwer, weil ich im wahrsten Sinne des Wortes quer durch alle Genres lese und auch vor Klassikern nicht zurückschrecke – warum auch? Es sind auch „nur“ Bücher. Nur ihr Alter und dass sie für besonders gut/wichtig gehalten werden, hebt sie aus der Menge zeitgenössischer Literatur heraus. Ich fand alte Bücher schon immer klasse und habe im Deutschunterricht der Schule meist alle Bücher des Lektürekanons bereits Wochen im Voraus durchgelesen gehabt. Das macht mich keineswegs zum Streber – nur zu jemandem, der die Ausrede „Ich lese gerade so viel, weil ich das lesen muss!“ praktisch fand, wenn die Eltern mal wieder meinten, die Nase würde zu oft in Büchern vergraben.

Das bringt mich zu meiner Antwort – auch wenn ich nicht hundertprozentig sicher bin, ob da nicht noch ein früheres Werk meinen Gehirnwindungen entfallen ist: Friedrich Schillers „Die Räuber“ von 1781.

Wir hatten im Deutschunterricht die Wahl zwischen „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“, ich kaufte mir prompt beides, um zu erfahren, welches besser ist, und habe mich dann im Projektteil für „Die Räuber“ entschieden.

Wer noch ein wenig Zeit hat – im Folgenden eine nette Schul-Geschichte zu Friedrich Schiller:

Die fing damit an, dass wir einen Kinofilm sehen sollten und endete mit einer Strafarbeit für mich. Jaja, ich kleiner Rebel. ^^

Was war passiert? Wir sollten uns mit der gesamten Klasse den Film „Kombat 16“ ansehen, weil der angeblich ach so pädagogisch wertvoll im Hinblick auf Gewaltprävention ist oder so. Ich weiß es nicht mehr genau. Ich weiß nur, dass der mit FSK 16 gekennzeichnet war und mein Alter erst 15 betrug. Vor dem Hintergrund, dass ich noch immer Alpträume von dem – wirklich grausligen – Film „Napola“ hatte (und habe), habe ich meiner Klassenlehrerin (Deutsch/Geschichte) keine fünf Meter mehr weit getraut, was die Auswahl pädagogisch wertvoller Filme anbelangt. Pädagogisch wertvoll heißt für mich nämlich, dass keines der Kinder traumatisiert das Kino verlässt…

Jedenfalls gab mir die FSK 16-Beschränkung die ideale Möglichkeit, an dem Spaß nicht teilzunehmen und meine Eltern unterstützten das mit der Verweigerung der Erlaubnis, dass ich in den Film durfte. Meine Lehrerin musste das zähneknirschend akzeptieren, verlangte aber eine „Ersatzleistung“, weil ich ja nicht am „Unterricht“ im Kino teilnahm. Für mich machte das den Eindruck einer Strafarbeit, weil die mir gestellte Aufgabe überhaupt nichts mit dem Thema Gewaltprävention zu tun hatte.

Aufgabe war, einen Vortrag über den jungen Friedrich Schiller zu halten. Ich bekam einen Text als Quelle und die Aussage, ich solle diesen Autor und sein Leben bis zum Erscheinen von „Die Räuber“ in einem Referat vorstellen. Und meine Lehrerin hat eine derartige Aufgabenstellung noch nie so bereut.

Ich war zu dem Zeitpunkt in einer besonders rebellischen Phase, was heißen soll, dass ich alles und jeden auf möglichst kluge Weise hinterfragte. Andere probierten sich an Alkohol und Zigaretten aus, ich fand Demonstrationen geistiger Überlegenheit irgendwie cooler. So auch mit dem Referat. Keine Sorge – brav wie ich war, hielt ich einen gut ausgearbeiteten Vortrag, mit logischer Gliederung, Handout und allem drum und dran. (Ich liebe es, Vorträge zu halten.)

Mein Meisterwerk jugendlicher Rebellion bestand in meinem Fazit. Ich fasste kurz zusammen, dass der junge Friedrich Schiller nicht innerhalb bestehender Normen dachte, seine eigenen Entscheidungen traf – auch gegen gültige Konventionen – und stets die Obrigkeit hinterfragte. Und dann schloss ich mit den Worten: „Ich finde, der junge Friedrich Schiller sollte ein Vorbild für jeden jungen Menschen sein.“

Ich habe meine Klasse noch nie so begeistert nicken und meine Klassenlehrerin noch nie so aschfahl werden sehen. In dem Moment begriff sie, dass sie mir die perfekte Munition in die Hand gelegt hatte – und ich wusste, wie ich sie zu nutzen hatte. Schließlich kann man ja wohl nichts dagegen sagen, wenn das Vorbild junger Menschen ein landesweit anerkannter Dichter ist, dessen Beitrag man besagten jungen Menschen meist nur schwer vermitteln kann. Glaubt mir – meine Mitschüler waren noch nie so begeistert von einem toten Schriftsteller, dessen Bücher sie lesen mussten. ^^

Im Nachhinein muss ich der Frau aber für die Strafarbeit danken – denn ohne dieses Referat hätte ich meine Leidenschaft für Schiller und Goethe nicht entdeckt und die Oberstufe wäre vom Deutschunterricht her gesehen nur halb so interessant gewesen. Es hat mir dadurch auch wesentlich mehr gebracht als ein gewaltintensiver Film mit Alptraum-Wirkung.

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