Rezension: „Exit West“ (Mohsin Hamid)

„Exit West“ steht seit der Leipziger Buchmesse bei mir im Bücherregal. Ich bekam es damals in der LovelyBooks-Goodiebag, bzw. hatte es mir beim Lesertreffen ertauscht, da die Bücher, die in meiner Goodiebag waren, nicht wirklich meinem Geschmack entsprachen. Auch bei Exit West“ muss ich zugeben, dass mich das Thema ein wenig vom Lesen abgehalten hat. Ich arbeite tagtäglich mit internationalen Gästen zusammen und das Thema Migration/Integtration bestimmt meinen Alltag. Bücher lassen mich gedanklich aus diesem Alltag ausbrechen, weshalb ich dieses Buch vor mir herschob, hin- und hergerissen zwischen Interesse und dem Gedanken, mich in meiner Freizeit nicht auch noch mit Jobthemen befassen zu wollen.

Am Anfang des Urlaubs war es dann aber so weit, die Neugier überwog und ich kann Euch schonmal verraten: Bereut habe ich es nicht.

Inhalt:

Saeed trifft Nadia in einer Weiterbildung in einer namenlosen Stadt, die am Rande eines Krieges steht. Es ist eine muslimisch geprägte Stadt, aber Nadia trägt das lange schwarze Gewand nicht aus religiöser Überzeugung, sondern, weil sie sich vor männlichen Avancen schützen will – sie lebt nämlich allein. Saeed dagegen ist sehr religiös und lebt noch bei seinen Eltern. Zunächst ist er zu schüchtern, um Nadia anzusprechen, doch nach und nach kommen sie sich näher. Ebenso, wie der Krieg immer näher kommt und die beiden schließlich zu einer Entscheidung zwingt: Wollen sie der Gefahr entfliehen?

Überall in der Stadt tauchen mysteriöse schwarze Türen auf, die in sicherere Länder führen. Und wie jede Tür haben auch diese zwei Seiten: Auf der einen Seite diejenigen, die sie bewachen, damit niemand weg kann und auf der anderen Seite diejenigen, die sie bewachen, damit niemand herein kommt. Die Welt verändert sich durch diese Türen und Nadia und Saeed müssen sich ebenfalls verändern.

Mein Eindruck:

Behutsam. Dieses Adjektiv kam mir als erstes in den Sinn, als ich begann die Geschichte von Nadia und Saeed zu lesen. Mohsin Hamid beschreibt alles – ihr Kennenlernen, ihre Ängste, die Flucht und das was darauf folgt – sehr behutsam, und so, als würde er ihre Geschichte nicht schriftlich, sondern mündlich weitergeben. Es ist eine Geschichte, die genau diese Sensibilität erfordert, denn Nadias und Saeeds Leben am Rande des Krieges wird nicht durch die Schönheit einer aufkeimenden Liebe, sondern durch Gefahr, Angst und Verlust bestimmt. Und durch die Sehnsucht zueinander in einer Welt, in der sie eigentlich nicht beisammen sein dürfen.

Die Welt, die Hamid beschreibt ist die unsere und doch ist sie auch anders – denn die schwarzen Türen, die in den Krisenregionen der Welt eine Fluchtmöglichkeit bieten, gibt es bei uns nicht. Dadurch, dass die Stadt von Nadia und Saeed keinen Namen trägt, könnte sie überall sein – sie könnte Mossul oder Rakka, Aleppo oder auch Damaskus heißen. Die Stadt ist ein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft zugleich, denn es ist eine Stadt, die noch nicht ganz vom Krieg verschlungen wurde – obwohl man weiß, dass dies ihr Schicksal sein wird. Durch die schwarzen Türen erschafft Hamid eine Distanz zwischen Leser und Erzählung, die es erlaubt, sich dem Beschriebenen zu stellen und sich in die Sorgen und Nöte der Flüchtenden hineinzuversetzen und die Gedanken an unsere eigene Welt, und die Flüchtenden in ihr, auszuhalten.

Die Geschichte von Nadia und Saeed ist die Geschichte einer zarten Liebe, die sich durch die Härte der Welt wandelt. Hamid zeigt in wunderbar poetischen Worten und wunderschönen Satzgebilden, wie sich diese Liebe entwickelt und welche verschiedenen Formen sie annimmt, während er gleichzeitig die drastischen Folgen der schwarzen Türen beschreibt. Diese zwei Extreme sind es, die das Buch, so ruhig es eigentlich geschrieben ist, zu einer sehr intensiven Erfahrung macht.

Fazit:

„Exit West ist eine berührende Erzählung, in der die erschreckende Aktualität durch die poetische Sprache zugleich abgemildert und doch intensiviert wird. Das mag paradox klingen, aber besser lässt sich dieses Leseerlebnis nicht beschreiben.

Für diejenigen, die das Buch – wie ich – auf Englisch lesen möchten: Es enthält die von mir sehr geliebten langen Schachtelsätze und ist somit nicht unbedingt für Einsteiger geeignet. Wer auf das Buch dennoch nicht verzichten möchte: Der Dumont Verlag hat die Übersetzung (von Monika Köpfer) im Programm.

5 von 5 Sternen.

Mehr zum Buch:

Die deutsche Version findet Ihr hier beim Dumont Verlag und da gibt es auch eine Leseprobe – praktisch, nicht wahr?

  • Preis: 12,99 € || Deutsche Übersetzung, gebundene Ausgabe: 22 €
  • Taschenbuch: 240 Seiten
  • Verlag: Hamish Hamilton (2. März 2017)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0241290090
  • ISBN-13: 978-0241290095

3 Gedanken zu “Rezension: „Exit West“ (Mohsin Hamid)

  1. Pingback: Buchjahr 2017 – ein Rückblick | Studierenichtdeinleben

  2. Pingback: Rezension: "Exit West" - Mohsin Hamid | Tales and Memories

  3. Pingback: El Tragalibros - der Bücherwurm: Blog über Literatur

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert