Rezension: „Ich hasse Menschen – Eine Art Liebesgeschichte“ (Julius Fischer)

Rezensionsexemplar

„Ich hasse Menschen.“ – Wie oft habe ich diesen Satz in den vergangenen Monaten gedacht? Wenn Menschen in meiner Umgebung die Abstandsregeln ignorierten, keine Maske trugen (zumal wir in Sachsen das unsägliche „Masken-Jojo“ haben) oder sich generell unsolidarisch verhielten. Auch vor der Pandemie ging mir der Satz immer mal wieder durch den Kopf – möglicherweise, weil Julius Fischer auch sein vorheriges Buch so nannte. Vielleicht aber auch einfach, weil mich die grenzüberschreitende Art mancher Mitmenschen einfach nur nervt.

Vielen Dank an den definitiv nicht nervenden Voland & Quist Verlag, der mir das Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Buch auf weißem Grund. Buch ist in rosa Tönen gehalten und in einer zackigen schwarzen Sprechblase steht der Titel „Ich hasse Menschen“.
(Foto: S. Schückel)m

Eine Liebesgeschichte – und Nazis?

Die Liebesgeschichte beginnt mit einer Scheidung und einer Beerdigung. Erst knöpft Peggy – Julius‘ zukünftige Ex-Frau – ihm alles ab, was er besitzt: Freunde, Wohnung, Auto. Dann erbt er den heruntergekommenen Gasthof „Deutsches Haus“ von seinem kürzlich verstorbenen Uropa und hat dadurch plötzlich die Aussicht auf eine eigene Bleibe.

Der Gasthof befindet sich jedoch im passend benannten fiktiven Ort Untermeuthen, einem unbedeutenden Ort in Ostsachsen, der sich vor allem durch eine schlechte Busanbindung und die dort lebenden Nazis auszeichnet. Von denen wünscht man sich, sie würden nur im Buch auftauchen. Wer in Sachsen lebt, weiß, dass dem nicht so ist.

Die Scheidung und das kurz darauffolgende Erbe ist also der Wendepunkt in seinem Leben, den Julius für sich zu nutzen versucht. Doch in Untermeuthen können Dinge nur gelingen, wenn man sich mit den für sehr kleine Orte typischen Seilschaften vertraut macht. Dazu gehört einerseits die Kenntnis um die Lieblingsspeisen des Verantwortlichen im Gesundheitsamt. Andererseits sind da die Nazis: Julius, der so vieles ändern möchte, wird schnell bewusst, dass so manch freundlich daherkommender Nazi lediglich jegliche Form von Veränderung verhindern will. Zum Glück gibt es auch abseits der braunen Szene einige Menschen, die Julius unterstützen möchten.

Und keine Sorge: Ja, eine Liebesgeschichte gibt es trotz der Scheidung wirklich. Nazis kommen dabei nicht vor.

Mehr als nur witzige Anekdoten

Während der erste Band in einer Bahn spielt und von Julius‘ permanent abschweifenden Gedanken lebt, enthält die „Liebesgeschichte“ wesentlich mehr Handlung und eigenständige Charaktere. Viele sind durchaus überspitzt, aber das passt zur Hauptaussage: „Ich hasse Menschen“.

Spoiler: So wirklich hasst Julius sie nämlich nicht. Nur ein bisschen. Vor allem hasst er sie dann, wenn man eigentlich innerlich die Augen verdrehen würde, weil die Mitmenschen sich auf der Nerv-Skala wieder ganz weit vorne bewegen. Dann hält Julius kurz und knapp fest: „Hass“.

Dabei ist es schon interessant, wie witzig eigentlich die nervigsten Angewohnheiten von Menschen sein können, wenn man sie mit genug Abstand betrachtet – also darüber liest. Beispielsweise die Apfel-Frau: Diese sitzt mit Julius im Bus und isst gut hörbar einen Apfel nach dem anderen. Würde ich ebenfalls im Bus sitzen, würde mir das vermutlich nach kurzer Zeit sehr auf die Nerven gehen. Zu lesen, wie Julius es hasst, dass die Frau so geräuschvoll kaut, ist dagegen einfach nur witzig.

Julius gelingt der schwierige Spagat zwischen den sehr witzigen Alltagsmomenten und den generell nicht witzigen Nazis. Bissig im Humor und präzise in seinen Beobachtungen beschreibt er, was zu wenige in Sachsen wahrhaben wollen. Er zeigt das systematische Wegschauen in Bezug auf eindeutig rechtes Gedankengut und die Ohnmacht von Einzelpersonen angesichts der vernetzten braunen Machenschaften. Gleichzeitig ist Aufgeben nun mal keine Option. Man könnte Julius‘ Weigerung, sich mit den neuen Nazi-Nachbarn zu verbünden, als naiven Idealismus abtun. Das würde jedoch zu kurz greifen. Im Buch mögen es Zufälle und glücklicherweise anreisende Freunde sein, die Julius immer wieder aus der Patsche helfen. Letztendlich zeigt der Autor aber, dass ein starkes Netzwerk gegen Rechts funktionieren kann.

Das macht Mut – gerade, wenn man als junger Mensch in Sachsen lebt und vieles im Buch aus dem eigenen Leben kennt.

Buch vor weißer Wand. Buch ist in rosa Tönen gehalten und in einer zackigen schwarzen Sprechblase steht der Titel „Ich hasse Menschen“. Dahinter steht der Vorgänger, das Buch ist gelb, die Titel ähneln sich sehr.
(Foto: S. Schückel)

Das geheime Making-of

Besonders amüsant sind all die kleinen Insider-Gags, die Julius in die Geschichte eingebaut hat. Wer ihn und seine Texte bzw. Lieder schon eine Weile kennt, findet viele schöne Textpassagen, die genau darauf anspielen.

Man könnte sogar sagen, dass es zu diesem Buch ein „geheimes“ Making-of gibt. Einmal pro Woche quatschte Julius mit Freund und Kollegen André Herrmann im Podcast „Team Totale Zerredung“ (TTZ) über Gott und die Welt. Es entspannen sich dabei absurde Stories, Wortspiele und Gags, von denen so manche im Buch verarbeitet wurden. Für all diejenigen, die den Podcast erst noch entdecken und/oder noch immer entsetzt sind, dass er nach 120 Folgen eingestellt wurde, ist dieses Buch perfekt.

Aber keine Sorge: Auch Nicht-Zerredis* werden ihren Spaß haben. Und hinterher vermutlich den Podcast hören wollen.

Kennt Ihr Julius‘ Bücher oder gar den Podcast?

Kleiner Tipp: Beobachtet mal weiterhin diese Seite, es könnte am Ende der Woche etwas zu gewinnen geben.

* Zerredis, die: Geschlechtsneutrale Bezeichnung für Menschen, die dem Podcast „Team Totale Zerredung“ folgten, riesige Puzzles in maximal sechs Stunden lösen können, Cola nur nach Konsultation des offiziellen Rankings konsumieren und unter Hochbrücken befürchten, von Scheißespießen erschlagen zu werden. (Keine Anspielung verstanden? Podcast hören!)

4 Gedanken zu “Rezension: „Ich hasse Menschen – Eine Art Liebesgeschichte“ (Julius Fischer)

  1. Liebe Sarah,

    absolut interessant und der Titel der Bände tut sein übriges ;)! Ganz davon abgesehen auch eine Preispolitik von Voland & Quist mit schönen Covern.

    Kann man denn den 2. Band auch lesen, ohne den Vorgänger zu kennen?

    Liebe Grüße,
    Simone.

    • Liebe Simone,

      hihi, ja der Titel – von Band 1 – hatte mich auch vom ersten Moment an überzeugt und Band 2 ist da ebenso gut drin 🙂

      Zu Deiner Frage: Ja, Du kannst beides unabhängig voneinander lesen, wobei ein Running-Gag dann vielleicht nicht ganz so lustig ist. Ansonsten baut Band 2 aber überhaupt nicht auf Band 1 auf und ähnlich ist es mit dem Podcast. Klar, machen manche Gags wirklich viel Spaß, wenn man Julius‘ und Andrés Witzeleien noch im Ohr hat, aber man muss für die Lektüre definitiv nicht die 120 Folgen hören.

      Pssst. Pass mal auf, was hier Morgen/Samstag online geht, das könnte was für Dich sein 🙂

      Liebe Grüße
      Sarah

      • Sehr gut, dass man Band 2 auch ohne Band 1 lesen kann! Sowas gefällt mir immer.

        Oh Podcasts, da sagst Du was, aber wann hören, wenn zu so schon nix Zeit… Seufz.
        Bin ja schon froh, dass ich gerade Maria mit Judith auf instagram sehen konnte. Deshalb jetzt erst an den PC… und morgen früh gehts schon wieder in den Hort bis 17 Uhr jeden Tag.
        Aber Maria und Judith waren wie „Freitagsstunde“ und taten gut!

        Dann passe ich mal Morgen/Samstag hier auf neben dem Lesen und Ausarbeiten für Arbeit.

        Freu mich!
        Simone

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