Rezension: „Die Reduktion der Pfirsichsaucen im köstlichen Ereignishorizont“ (Alexander Graeff)

Zugegebenermaßen weiß ich nicht, weshalb ich selten Lyrik lese. Ich kann mich nämlich nicht erinnern, Lyrik jemals nicht gemocht zu haben. Ab und zu schreibe ich sogar selbst das ein oder andere (mit Sicherheit nicht vorzeigbare) Gedicht. Und dennoch: Es gibt nur wenig Lyrik in meinem Bücherregal. Ein Umstand, der sich dringend ändern muss.

Für die Leipziger Buchmesse hatte ich mit deshalb vorgenommen, gezielt nach Lyrik Ausschau zu halten. Gut, das ist mir nicht ganz so gelungen, wie ich es mir eigentlich erhofft hatte, aber ich habe es wenigstens geschafft, am Stand vom Verlagshaus Berlin vorbeizuschauen. Das ist ein Independent Verlag, der sich auf Gegenwartslyrik und Illustration spezialisiert hat. Und der Verlag war so freundlich, mir für meine Neugier ein Rezensionsexemplar mitzugeben. Danke dafür!

Foto des Buches auf dem Boden liegend

(Foto: S. Schückel)

Die „Reduktion der Pfirsichsaucen im köstlichen Ereignishorizont“ klingt nicht nur nach kulinarischer Lyrik, die Gedichte enthalten auch mehr Zutaten als meine nicht gerade schlecht ausgestattete Küche. Das literarische war dabei durchweg spannend, manchmal eine Herausforderung und ab und zu ging das Erlebnis dann doch über meinen persönlichen Ereignishorizont hinaus.

Lügen

Wirf ein Gedicht ins Meer

Wirf Sauerkirschen hinterher

Statt durch Strandbars

Mit den Seelöwengangbangs

Streifst du unbefriedigt durch die Nacht
(…)

Aber von vorne: Alexander Graeffs Gedichte haben eine eigene Melodie. Das ist genau das, was ich bei Lyrik suche – sprachliche Melodien, die in mir etwas zum klingen bringen, was andere Texte auf diese Weise nicht können.

Was mir beim Lesen auffiel war, dass ich die Gedichte nicht „rational“ gelesen und interpretiert habe. Vielmehr haben die Worte und ihre Melodie Bilder und Ideen in meinem Kopf entstehen lassen, wie ich es zuvor noch nicht erlebt habe. Gut, man könnte jetzt vermuten, dass das daran lag, dass der Inhalt der Gedichte sich mir manchmal nicht erschlossen hat (was ich auch gerne zugebe). Ich finde jedoch nicht, dass das immer sein muss – manchmal reicht es aus, wenn Worte bestimmte Gefühle hervorrufen. Dafür gibt es schließlich Poesie.

Lyrik für Fortgeschrittene

Es gibt einige Gedichte, die mir sehr gut gefallen haben – vor allem, weil besagte schwer zu fassende Melodie besonders laut war. Manche Gedichte waren rätselhaft und zu einigen hatte ich gar keinen Zugang. Aber so ist das wohl mit Lyrik. Vermutlich sind die Werke Alexander Graeffs deshalb eher für diejenigen Leser*innen geeignet, die sich entweder sehr gut mit moderner Lyrik auskennen, oder sich darauf einlassen können. Ihr dürft allerdings keine Gedichte erwarten, in denen klare oder gar einfache Botschaften in wohlklingende Worte und praktisches Versmaß verpackt werden.

Da Alexander Graeff in seinen Gedichten häufig sehr wage bleibt und in Metaphern spricht, bleibt es den Rezipient*innen überlassen, sich ein eigenes Bild von seiner Lyrik zu machen bzw. sich diese zu erarbeiten. Das mag nicht immer leicht sein, aber es macht doch irgendwie Spaß. Weniger Spaß haben mir dann jedoch die Stellen in seinen Gedichten gemacht, als er mit der unspezifischen Art zu schreiben gebrochen hat. In jenen Momenten spielte er nämlich mit seinen Worten auf Sachsen ab. Was durchaus legitim ist, jedoch finde ich es – als Mensch, der in Sachsen lebt und alle Facetten dieses Bundeslandes kennt (und die rechten Tendenzen durchaus ernst nimmt) nur wenig hilfreich, wenn Sachsen mit Mordor – also dem Bösen schlechthin – verglichen wird. Das mag für manch einen Teil der Bevölkerung vielleicht eine passende künstlerische Umschreibung sein, lässt aber einen sehr großen Teil der Bevölkerung im Regen stehen. Ich finde, obwohl ich jetzt nur wenige seiner Gedichte kenne, dass Alexander Graeff das eigentlich differenzierter rüberbringen könnte.

Was mich an diesem Gedichtband wirklich begeistert ist, mit welcher eindeutigen Liebe zum Detail das Buch gestaltet wurde. Obwohl es sich um ein Softcover handelt, wirkt es nicht wie ein „einfaches“ Taschenbuch und die Illustrationen im Buch bzw. die eingefügten schwarzen Seiten machen wirklich Spaß beim Blättern (auch wenn die ein oder andere Illustration durchaus etwas… sehr explizit ist).

Mehr zum Buch:*

  • Preis: 17,90€
  • Broschiert: 120 Seiten
  • Verlag: Verlagshaus Berlin
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3945832306
  • ISBN-13: 978-3945832301

2 Gedanken zu “Rezension: „Die Reduktion der Pfirsichsaucen im köstlichen Ereignishorizont“ (Alexander Graeff)

  1. Meine Rezension kommt am 21. und ich hab dich schon mal frech verlinkt 😉
    Ich kann dir absolut zustimmen, bei den eigenen Gedanken und dem Leseerlebnis – ebenso unterschreibe ich sofort deine Überschrift „Lyrik für Fortgeschrittene“. Nicht immer macht es der Autor einem einfach, in seine Kochtöpfe zu schauen, aber eben das ist auch Lyrik. Wobei ich auch gestehen muss, das hier und da ein Gedicht meinen Horizont überschritt und ich nicht warm mit dem Text wurde. Aber alles in allem absolut das Lesen wert (=

    Mukkelige Grüße :-*

  2. Danke, dass hier auch Lyrik stattfindet. Ich mag Lyrik und hole mir ab und an (gebraucht bisher) das eine andere Bändchen. Zuletzt war ich von Elisabeth Bishop begeistert.

    Auf das Verlagshaus Berlin bin ich über das Ocelot und Maria Piwowarski aufmerksam geworden und war auch bei diesem bei der LBM19 am Stand und habe mir zumindest schon mal 2 „Poetisiert Euch“-Beutel (einen gleich im Bus zurück verschenkt) und die Aufkleber dazu geholt :).
    Nun bin ich versucht die „Hors Texte“ zu kaufen.

    Liebe Grüße,
    Simone.

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