Man könnte meinen, Ulla Scheler habe ein Faible für Naturgewalten. Mein Interesse an ihrem ersten Roman – „Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen“ – war dadurch geweckt, dass es eine Geschichte ist, die am Meer spielt und ich Erzählungen rund um das Meer besonders faszinierend finde. Ihr Schreibstil, der einen packt und nicht mehr loslässt, ist der Grund, weshalb ich nun „Und wenn die Welt verbrennt“ unbedingt lesen wollte – auch wenn diesmal nicht das Wasser, sondern das Feuer im Mittelpunkt der Geschichte steht.
Vielen Dank an den Heyne Verlag, der mir das Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Inhalt:
Felix malt Menschen so wie sie sind und nicht, wie die Menschen sich gerne sehen würden. Er malt sie mit Kreide auf den Asphalt in München und in dem er die Sehnsüchte und Ängste anderer Menschen malt, verdrängt er seine eigenen. Als er Alisa malt, berührt er etwas in ihr, das sie mit aller Kraft in sich verschlossen hält und beide müssen erkennen, dass es Geheimnisse gibt, die einen wie Flammen von innen auffressen oder ans Licht kommen.
Mein Eindruck:
Ulla Scheler beschreibt die Geschichte von Alisa und Felix so, wie Felix vermutlich seine Kreidezeichnungen auf den Asphalt bringt: Stückweise, bis jedes Fragment Teil des größeren Ganzen wird und schließlich ein Bild ergibt. Ähnlich ist es bei den beiden – ihre Geheimnisse treten erst nach und nach zu Tage. Dabei spielt Ulla Scheler geschickt mit den zwei Erzählperspektiven, denn als Leser darf man sowohl in Alisa als auch in Felix hineinblicken. Die einzelnen Kapitel – und damit die Perspektiven – wechseln sich zumeist ab, wobei sich die Erzählweise in einem kleinen Punkt unterscheidet. Alisas Wahrnehmung findet in der Gegenwart statt, Felix blickt stets auf das, was passiert ist, zurück. In gewisser Weise ist das Paradox – ist es doch Alisas Vergangenheit, welche die beiden maßgeblich beeinflusst – und doch passt es auf eigenartig stimmige Weise.
„Und wenn die Welt verbrennt„ hat keinen typischen Spannungsbogen, zieht doch sofort in die Geschichte hinein und lässt einen beinahe atemlos durch die Seiten fliegen. Dabei steht jedoch weniger das Aufklären der Rätsel um Alisas Vergangenheit im Fokus als vielmehr die Auswirkungen, die Geheimnisse – große, wie auch kleine – auf eine Beziehung haben können. Kommunikation ist immer das was ankommt, heißt es. In diesem Fall jedoch erfährt der Leser nicht nur, wie Alisas Gedanken zu Worten und Taten werden, sondern auch wie das bei Felix ankommt, seine Gefühle beeinflusst und schlussendlich zu seinen Handlungen führt. Dieses Wechselspiel aus Aktion und Reaktion ist in sich so verwoben und so schlüssig dargestellt, dass man beim Lesen schreien möchte, weil die Figuren aneinander vorbei leben und ihre Probleme nicht beim Namen nennen.
Die Emotionen, die Alisa und auch Felix in Atem halten sie dabei auch übermannen stellt Ulla Scheler gekonnt dar und es ist egal, ob man sich als Mann oder Frau in den männlichen oder weiblichen Teil der Geschichte hineinversetzt. Sie zeigt, dass Gefühle universal sind und wir alle letztlich mit den gleichen Dämonen kämpfen, auch wenn wir andere Geheimnisse aus unserer Vergangenheit verbergen. Feuer ist eine sehr passende Naturgewalt, die in dieser Geschichte eine ganz eigene Rolle spielt und dabei diese berührende Erzählung treffend untermalt. Wie Feuer ist die Geschichte von Alisa und Felix mal wärmend, mal brennend, mal zerstörerisch und mal tröstlich.
Einen einzigen Makel gibt es jedoch: Ulla Scheler schildert in einer Szene einen Rauchgeruch, durch den eine der Figuren geweckt wird. Unser Geruchssinn ist im Schlaf jedoch nicht aktiv – was das größte Problem bei Bränden ist. Erwacht man dann doch, falls überhaupt – bspw. durch die Hitze – ist es meist zu spät. Diese vermeintliche Kleinigkeit hat mich – ich habe mal bei einer Feuerwehr gearbeitet – dann doch für ein paar Momente aus der Geschichte herausgerissen. Feuer ist eine faszinierende Naturgewalt, die wir Menschen nur begrenzt unter Kontrolle haben und gerade die gefährlichen Aspekte sollten korrekt dargestellt werden.
Fazit:
Mit „Und wenn die Welt verbrennt“ hat Ulla Scheler ein zweites Buch geschrieben, das durch sehr vielschichtige Charaktere lebt. Die Geschichte ist in all ihren Facetten – den schönen, den tragischen und auch den frustrierenden Momenten – mit viel Können und Geschick gestaltet und man möchte eigentlich noch viel mehr Zeit mit Alisa und Felix verbringen als nur diesen einen in der Erzählung geschilderten Sommer.
4 von 5 Sternen.
Mehr zum Buch:*
- Preis: 14,99 €
- Broschiert: 432 Seiten
- Verlag: Heyne Verlag (18. September 2017)
- ISBN-10: 3453271424
- ISBN-13: 978-3453271425