Rezension: „Schön war’s, aber nicht nochmal“(André Herrmann)

2022 fuhr André Herrmann mit seinen Eltern in den Urlaub. Tag für Tag las ich parallel meinen Eltern seine Tweets vor, denn wie so viele verfolgte ich die Reise via Twitter. Ein Comedian im Urlaub mit seinen lieb-verpeilten Eltern – was soll da schon schief gehen? – So einiges, wie wir Tag für Tag erfuhren. 

Dass André mit seinen Eltern nach Israel bzw. Jordanien – um die berühmte Felsenstadt Petra zu besuchen – fuhr, war für mich damals lediglich als Randnotiz relevant. Heute ist die Welt gefühlt eine andere. Wobei nein, lasst mich das anders formulieren: Heute ist mir die Welt im Nahen Osten auf eine schmerzliche Art anders bewusst. 

Foto des Covers im Kindle, zu sehen ist auf dem Cover der Buchtitel sowie Kamele und fotografierende bzw. auf den Kamelen reitende Menschen

Man könnte meinen: Das Timing vom Buch hätte also besser sein können. Vielleicht stimmt das, wenn man in der Marketing-Abteilung vom Verlag sitzt. Aber als ich „Schön war’s, aber nicht nochmal – Urlaub mit den Eltern“ las, wurde mir mehr und mehr bewusst, dass dieses Buch einen sehr heiklen Balanceakt schafft:

Die zum Brüllen komischen Kapriolen von Andrés Eltern verbindet er geschickt mit Faktenwissen über die Region und der unbedingt notwendigen Betonung, dass der Konflikt zu groß, zu komplex und zu schmerzhaft für so viele Menschen ist, um ihn in einem Buch über Urlaubs-Anekdoten auch nur ansatzweise abbilden zu können. So begleiten wir André und seine Eltern durch Israel, passieren unzählige Kontrollen, fühlen das Gewicht und die Last aus unzähligen blutigen Auseinandersetzungen und wissen: Es gibt vieles, was wir niemals in kurzer Zeit begreifen könnten. 

Ich vermute, der Balanceakt ist deshalb so gelungen, weil André Herrmann eben auch Politikwissenschaftler ist. Und er ist sich der Tatsache bewusst, dass er – in den Tweets wie auch im Buch – seine Eltern durch den Kakao zieht. Doch das macht er auf so eine charmante Weise, dass sie nie bloßgestellt werden. Das schönste am Buch ist eigentlich, dass man beim Lesen zwei Dinge realisiert: Erstens, die eigenen Eltern könnten mindestens die gleichen absurden Dinge erleben. Und zweitens, wir werden selbst irgendwann genauso nett-schrullig sein. Wenn dann jemand mit so viel Liebe und Geduld unsere Macken erträgt, ist das doch eigentlich ein richtig schöner Gedanke.

Mir hat das Buch zusätzlich noch gezeigt, wie sehr ich das eigentliche Twitter vermisse. Nun gut. Immerhin kann ich nun meinen Eltern Andrés Buch vorlesen und so die Tradition, seine witzigen Familienerlebnisse zu teilen, aufrechterhalten. Die freuen sich schon sehr. 

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