(Rezensionsexemplar via Netgalley, Content Notes: Tod, Verlust, Krebs)
Ich weiß noch, wie ich beim letzten Buch von Karen Köhler – „Miroloi“ – schrieb, dass es mir Worte zurückgegeben hat, wo irgendwie keine mehr waren. Es fühlt sich bei diesem Buch ein wenig ähnlich an.
In „Himmelwärts“ nimmt sie ein Thema, das in anderen Büchern oft nicht oder nur am Rande thematisiert wird: Sie stellt den Tod und den Verlust, das Vermissen eines geliebten Menschen mitten in den Raum. Es gibt kein vorsichtiges Drumherumreden, kein hinter metaphorisch vorgehaltener Hand geflüsterte Andeutungen. Eine Mutter stirbt und hinterlässt Kind und Mann – und beide wissen nicht, wie das Leben von nun an weitergehen soll.
Vielleicht fragt ihr euch jetzt: Und das ist ein Kinderbuch?
Ja, das ist ein Kinderbuch. Und ich habe lange keinen so traurigen und so tröstlichen und gleichzeitig so witzigen und so lehrreichen Text gelesen. Aber von vorn:
Toni-Peperoni und ihre Freundin YumYum planen, im Zelt zu übernachten. Toni wohnt in einer Wohnung mit Garten und ihr Vater hat das Zelt dort aufgebaut. Was er nicht weiß: Toni und YumYum planen, via Funkgerät Kontakt zu Tonis verstorbener Mutter aufzunehmen. Und allerlei Süßkram zu futtern.
Die heimliche Kontaktaufnahme gelingt auf gewisse Art und Weise: Aus dem Funkgerät kommt die Stimme von Zanna – direkt von der ISS.
Ich muss sagen: Allein schon das sich daraus entspinnende Gespräch ist ein großer Trost für alle, die nicht wissen, wie sie über das Vermissen sprechen sollen. Ich weiß nicht, ob es die fehlende Mimik von Zanna ist, die schützende Dunkelheit oder ob es die langen Pausen sind, wenn die ISS wieder einmal außer Reichweite ist. Immer wieder hatte ich den Eindruck: Hier ist die Trauer als ständiger Begleiter okay. Es wird nicht erwartet, dass es Toni besser geht, sie muss nichts vorspielen (auch wenn sie um Fassung oder die richtigen Worte ringt).
Immer wieder gibt es im Buch Notizzettel von Toni und mal sind es die Notizzettel, die eine Art Atempause zwischen den schweren Momenten bieten – und mal muss man gerade bei den Notizen besonders schwer schlucken. Aber genau das macht das Buch wohl auch so tröstlich: Es mutet viel zu, gibt aber gleichzeitig auch immer wieder Raum um genau diese Momente kurz sacken zu lassen.
Der Blick in den Sternenhimmel, die damit einhergehenden uralten Fragen – woher kommen wir, wohin gehen wir, wie bedeutungslos sind wir eigentlich angesichts dieser unermesslichen weite? – all das verknüpft Karen Köhler in ihrer Geschichte mit den ganz kleinen Momenten, in denen Wellen der Trauer uns im Alltag an unsere Grenzen kommen lassen.
Mein Fazit:
Dieses Buch, dessen Illustrationen von Bea Davies schon in der eBook-Version so wunderschön sind, ist ein Schatz. Ein Schatz für trauernde Kinder jeden Alters (ja, auch längst erwachsene Kinder!). Ich habe lange nicht mehr so beim Lesen geweint und doch waren es irgendwie tröstliche und heilsame Tränen? Für einen ganz kleinen Moment war das Vermissen zwar unfassbar präsent und trotzdem aushaltbar.
Ich weiß, dass in diesem Buch auch viel Persönliches von der Autorin steckt. Ich kann nur den Hut ziehen vor der Kraft, die sie für diese Geschichte aufgebracht hat. Von Herzen: Danke.