Interview mit einem „Bestseller“ – Beka Adamaschwili

Ein Lesehighlight des letzten Jahres war definitiv „Bestseller“ von Beka Adamaschwili aus dem Voland & Quist Verlag. Dieses wurde in Bekas Heimatland Georgien – ganz nach dem Prinzip „nomen est omen“ – zu einem wirklichen Bestseller. Mich hat es vor allem deshalb begeistert, weil es gleich drei meiner Vorlieben ansprach: Es ist ein Buch über Literatur, es enthält allerlei Anspielungen und Witze und es ist einfach nur schlau gemacht. Hier der Link zur ausführlichen Rezension.

Dank dem Verlag, der den Kontakt zum Autor hergestellt hat, konnte ich ein Interview mit Beka führen und ihm allerlei Fragen zu seinem Buch stellen. Vielen Dank dafür und natürlich vielen Dank an Beka, der nicht nur geduldig meine Fragen per E-Mail beantwortet hat, sondern mir auch sehr bei den Details der Übersetzung half.

Beka Adamaschwili (Foto: ©George Karanadze)

Der Autor:

Witzigerweise lesen sich die Informationen über Beka auf der Verlagsseite ähnlich wie mein eigener Lebenslauf: Er wurde 1990 in Georgien geboren und ist damit genauso alt wie ich. Auch er studierte „in Richtung Medien“, nämlich Journalismus und Sozialwissenschaften – zwei Fächer, die auch einen Großteil meines Kommunikationswissenschaftsstudiums ausmachten. Und – alle guten Dinge sind drei – auch er bloggt. (Das weckt die Hoffnung in mir, irgendwann einen Bestseller zu schreiben.) Neben der Bloggerei arbeitet er für eine große georgische Werbeagentur und schreibt an seinem zweiten Buch.

„Bestseller“ erschien 2014 in Georgien und avancierte dort zum wahren Bestseller und landete auf der Shortlist für den besten Roman beim SABA- und Tsinandali-Preis.

Beka spricht übrigens sehr gut Englisch und ziemlich gut Deutsch – deshalb hat er die Interviewfragen von mir auf Deutsch bekommen und auf Englisch geantwortet – und bei der Übersetzung ins Deutsche bei den Feinheiten geholfen.

Allerlei Fragen – und Antworten:

Sarah: In der Literatenhölle schmoren Autorinnen und Autoren, die zu Lebzeiten ihre Leser mit Klischees gequält haben. Das Strafmaß ist an diese Klischees angelehnt. Was wäre denn die Strafe, die Dich erwarten würde?

Beka: Ich denke meine Strafe wäre, die perfekte Antwort auf diese Frage zu finden. Denn mittlerweile haben mir ungefähr 43 (vielleicht 44) Menschen genau diese Frage gestellt und ich hatte nie eine passende Antwort. Die meisten haben gesagt, dass sie diese Antwort mögen, aber ihr Gesichtsausdruck hat eine andere Sprache gesprochen. Nun also sage ich, dass es viele Antworten auf diese Frage gibt, aber keine perfekt – oder auch nur gut – ist. 😊

Trotzdem, ich versuche es ein weiteres Mal. Antwort Nummer Vierzig-und-irgendwas: Meine Strafe wäre jene Bücher zu lesen, von denen ich weiß, dass jeder Satz eine Anspielung oder ein Hinweis auf etwas ist, ich aber nicht weiß, worauf.

Ich weiß nicht, ob diese Antwort gut oder schlecht ist, aber Du kannst mir sagen, dass Du sie magst.

(Foto: S. Schückel)

S: Du hast allerlei Autoren in die Literatenhölle geworfen. Gibt es denn einen Autor bzw. eine Autorin, die Dich besonders mit Klischees gequält hat? Hat er/sie es ins Buch geschafft – und wenn nicht, wer wäre es und welche Strafe wäre angemessen?

B: Nothing personal, just – reading. (Anmerkung: Diese Redewendung konnte ich nicht übersetzen.)   Um ehrlich zu sein, da gab es viele Autoren, aber ich kann mich an keinen bestimmten erinnern, der mein Leben zur Hölle gemacht hat. Als Beispiel: Ich kenne niemanden, der Naturbeschreibungen mag. Ein echter Baum ist zweifelsohne besser als seitenweise Naturbeschreibungen, für die dieser Baum gefällt werden musste. Auch mag ich keine Autoren, die alles beschreiben – Gebäude, Kleidung oder sogar das Aussehen einer Person – außer die Details sind wichtig für die Geschichte, das versteht sich von selbst- Aber, wie ich bereits erwähnt habe, kann ich keinen bestimmten Autor nennen. Ich kann nicht einmal „James Joyce“ sagen – aus dem einfachen Grund, weil ich nie etwas von ihm gelesen habe.

S: Am Buch hat mich besonders fasziniert, dass es so verschachtelt geschrieben ist. Selbst manch eine Fußnote bezieht sich auf ein oder mehrere vorherige Fußnoten und auch die eigentliche Geschichte enthält so viele Wendungen, dass das Lesen zum Abenteuer wird. Wie bist Du bei so viel Komplexität beim Schreiben vorgegangen? Und wie hast Du dafür gesorgt, dass am Ende alles zusammenpasst?

B: Ich denke, der Leser muss sich nicht an einzelne Details der ersten Seiten erinnern oder raten, welchen Hinweis ich dort platziert habe. Aber ich mag diese Schreibweise – Probleme einbauen, ohne darüber nachzudenken, wie ich sie später lösen werde und dann denke ich darüber nach während ich schreibe. Es ist wie ein Puzzle – Du hast die Einzelteile aber Du weißt noch nicht, welches Bild das am Ende ergeben wird. Ich habe kein System oder einen Plan – ich folge einfach meinen Gedanken.

S: Die Geschichte ist sowohl witzig als auch stellenweise sehr philosophisch und nachdenklich. Welche Aspekte waren leichter zu schreiben: die humorvollen oder die tiefgründigeren?

B: Es wäre perfekt jetzt eine Antwort parat zu haben, die gleichzeitig witzig und phlosophisch ist. Beispielsweise: Der Schreibprozess ist wie das Leben – es mag witzig erscheinen, wenn man die Philosophie darin sucht. Oder: „Wenn man sich das Leben ernsthaft ansieht, findet man heraus, dass es lustig ist.“

Für mich ist es einfacher, etwas Witziges zu schreiben, weil es meistens nur bedeutet, dass man eine Situation beschreibt, die man selbst erlebt und man weiß ja: „Wenn man sich das Leben ernsthaft ansieht, findet man heraus, dass es lustig ist.“

Ausschnitt aus "Bestseller" von Beka Adamaschwili, S. 38 (Foto: S. Schückel), Bild zeigt offenes Buch, auf Seite ist eine Grafik angezeigt, die Franz Kafka als "Beatle" hinterm Schlagzeug zeigt - als Anspielung auf die "Beatles" bzw. Kafkas "Verwandlung"

Ausschnitt aus „Bestseller“ von Beka Adamaschwili, S. 38 (Foto: S. Schückel)

S: Rätsel – inklusive ihrer grafischen Darstellung – spielen im Buch eine ganz entscheidende Rolle. Wie hast Du Dir die Rätsel ausgedacht? Und hast Du die Grafiken dazu selbst erstellt?

B: Seit meiner Kindheit mag ich es, mir Rätsel auszudenken. Anfangs, als ich sechs oder sieben Jahre alt war, hatte ich nur ein kleines Publikum – die Rätsel waren nur für meinen Bruder, aber leider hat der sie nie lösen wollen und ich hatte keine andere Wahl als die Rätsel selbst zu lösen. Dann habe ich ein Knobelspiel auf meinem Blog erstellt, was seitdem recht erfolgreich wurde. Also, dachte ich mir, warum nutze ich das nicht in meinem Buch? Ich habe mir das alles selbst ausgedacht – mit mehr Rätsel-Entwicklungs-Erfahrung und weniger Photoshop-Kenntnissen 😊 Es gibt kein wirkliches Rezept dafür, wie ich sie erstelle. Man denkt und denkt und denkt und plötzlich… BÄM! Meine Damen und Herren, hier ist es!

S: Beim Lesen musste ich – nicht zuletzt auch wegen der Fußnoten und des bissigen Humors – immer mal wieder an Autoren wie Douglas Adams oder Terry Pratchett denken. Welche literarischen Vorbilder hast Du? Welches Buch, denkst Du, muss man mal gelesen haben?

B: Ich mag postmoderne Literatur, in der die Autoren die Möglichkeit haben alles zu tun und über alles zu schreiben was sie wollen. Keine Rahmen. Keine Regeln. Und das gibt dir die Chance nicht etwas anderes, sondern anders zu schreiben – schließlich wissen wir alle, dass alles bereits schonmal geschrieben wurde und alles eine Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie… und so weiter ist. Von Autoren wie beispielsweise Kurt Vonnegut, Neil Gaiman und natürlich Terry Pratchett. Aber ich habe auch kein einzelnes Lieblings- oder Muss-man-gelesen-haben-Buch, weil ich denke, dass das Leben zu lang für nur ein einziges Lieblingsbuch ist.

S: Nomen est omen und manchmal gibt es sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Das was „jedes Kind wird seinen Namen kennen“ für Harry Potter war, ist bei „Bestseller“ für Dich der Titel: Mit „Bestseller“ hast Du in Georgien nämlich einen wirklichen Bestseller geschrieben. Wie fühlt sich das an? Und gibt es schon weitere Projekte, an denen Du arbeitest und auf die auch Deine deutschen Leser hoffen können?

B: Ja, ich denke, dass schon irgendwie einen Einfluss auf alles hatte – oder auf die Verkäufe zumindest. Natürlich ist es ein gutes Gefühl, wenn man sagen kann „Ja, es wurde wirklich ein Bestseller“ und es ist ein guter Grund stolz zu sein, wenn man vergisst, dass „Bestseller“ nicht unbedingt „perfektes Buch“ heißen muss. Das ist gut, weil viele Menschen das meist nicht bedenken, schlecht ist vermutlich, dass sie es nach diesem Satz tun werden.

Zum neuen Buch – ich beende es bald. Der Arbeitstitel ist „Jemand stirbt in diesem Buch“. Es hat eine einfache Grundidee: Plötzlich merkt der Protagonist irgendwie, dass er eine Buchfigur ist und merkt zudem, dass der Autor eine der Buchfiguren in seinem Buch umbringen wird. Also versucht der Protagonist alle Buchfiguren zusammenzutrommeln und sie zu retten während sie durch andere literarische Genre und Bewegungen reisen – die allesamt sicherer sind als die Postmoderne. Dadurch finden sich allerhand unterschiedliche Stilrichtungen im Buch, je nach dem, zu welcher Zeit es gerade spielt.

Lieber Beka, ich bin sehr gespannt auf Dein zweites Buch, von dem ich hoffe, es bald auf Deutsch lesen zu können. Vielleicht wird es ja wieder ein Bestseller! Vielen Dank noch einmal für das Interview, die vielen amüsanten Mails und die schönen Lesestunden mit Deinem Buch!

Und für diejenigen, die nun neugierig auf das Buch sind: Merkt es Euch doch für den Indiebook Day am 24. März vor 😉

4 Gedanken zu “Interview mit einem „Bestseller“ – Beka Adamaschwili

  1. Wow, mal etwas Anderes und ein schönes sympathisches Interview! Toll, dass Ihr auch so viele Parallelen habt. Hast Du den Verlag gefragt, ob Du mal ein Interview mit Beka Adamaschwili führen darfst, und was hat Dich dazu bewogen?

    Liebe Grüße aus der stürmisch-verregneten Lausitz,
    Simone.

    • Liebe Simone,

      besser spät als nie (bitte entschuldige!): Ich bin auf der Webseite des Verlags beim Stöbern auf das Buch aufmerksam geworden und habe es angefragt. Beim Lesen hatte ich so viele Gedanken, die ich mit dem Autor teilen bzw. Fragen, die ich ihm stellen wollte, dass ich dann beim Zusenden des Beleglinks einfach fragte, ob Beka auch ein Interview geben würde. Nunja, und dann haben wir uns in einer Mischung aus Englisch und Deutsch geschrieben – erst danach sind mir die Parallelen dann aufgefallen, als ich seine Biografie auf der Verlagsseite gelesen habe. Schon witzig, wie ähnlich das Leben manchmal sein kann.

      Liebe Grüße aus dem nasskalten Dresden 🙂
      Sarah

      • Wie Du siehst, komme ich auch nicht gleich zum abermals Antworten, liebe Sarah.
        Vielen Dank für die Aufklärung meiner Fragen. Ich finde es immer toll, wenn man beim Lesen so viele Gedanken hat, welche man mit dem Autor teilen möchte. Dass Beka dann auch tatsächlich Dir ein Interview gegeben hat, zeigt, wie nett und zuvorkommend er ist. Ich finde das echt schön!

        Ein schönes Wochenende noch,
        Simone.

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