Auf Facebook gibt es mal wieder eine wunderbare Leserunde. Das letzte Mal habe ich mich da mit anderen begeisterten Leseratten über Christopher Morleys „Das Haus der vergessenen Bücher“ ausgetauscht (Sammelpost dazu hier und die Rezension gibt es hier). Dieses Mal geht es wieder mit einem Buch aus dem Atlantik-Verlag auf große Reise – allerdings nach Frankreich: Wir lesen „Heute beginnt der Rest des Lebens“ von Marie-Sabine Roger und ich nehme das als Anlass, wieder einmal so einen schönen Sammelpost zu erstellen.
Wie beim letzten Mal gibt es erst einen allgemeinen Teil zum Buch gefolgt von meinen Gedankenschnipseln zu bestimmten Stellen im Buch. Auch hier bedeutet das natürlich, dass der Post a) immer wieder aktualisiert wird und b) nicht ohne Spoiler funktionieren wird. Es gibt aber eine unübersehbare Spoilerwarnung, so dass Ihr noch ein kleines Stück weiter trauen dürft 😉
Zu Buch und Autorin:
Marie-Sabine Roger stammt aus Frankreich – sie wurde 1957 in Bordeaux geboren. Laut Wikipedia entdeckte sie früh ihr Interesse am Erzählen von Geschichten bzw. am Schreiben, wurde jedoch zunächst Lehrerin an einer „École maternelle“, einer Vorschule. Gegen Ende der 1980er Jahre veröffentlichte sie ihre erste Geschichte für Kinder, ihre Werke „Das Labyrinth der Wörter“ (2011) und „Das Leben ist ein listiger Kater“ (2014, Rezension hier) wurden sowohl in Frankreich als auch in Deutschland Bestseller, die sogar fürs Kino verfilmt wurden. Heute lebt Roger im Département Charente.Ich selbst habe bisher nur „Das Leben ist ein listiger Kater“ von ihr gelesen, aber ihre Art zu schreiben hat mich so fasziniert, dass ich bei dieser Leserunde unbedingt dabei sein wollte. Von den Kinofilmen habe ich übrigens noch nichts gehört. Vielleicht bin ich aber auch mal wieder die einzige, an der das vorbei gegangen ist. Kennt Ihr die Filme bzw. die Autorin?
Aufgaben aus der Leserunde (Spoilerfrei):
Ihr Lieben, als ich die ersten Seiten gelesen hatte, dachte ich ständig an den Tod. Den eigenen. Vor allem, weil ich dieses Jahr 36 werde… Habt Ihr Euch schon Gedanken über den Tod gemacht? Den eigenen? Wovor habt Ihr am meisten Angst? Was beschäftigt Euch am meisten? Und – was vielleicht ein bisschen makaber ist – wenn Ihr es Euch aussuchen dürftet, wie würdet Ihr gerne sterben?
Meine Antwort: Ich denke da, wie wohl viele, nicht besonders gerne dran. Ich „muss“ bis 92mindestens durchhalten, denn ich habe meinem Papa versprochen, die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland zu erleben. 2082. (Jetzt kann jeder rechnen, dass die 36 noch etwas weg ist ^^) Ich glaube, ich möchte nach einem langen erfüllten Leben friedlich in meinem Bett einschlafen. Und vorher ahnen, dass ich bald „schlafen“ werde, damit ich mich verabschieden kann. Nur bitte nicht per Krankheit, lieber nehme ich eine Prise Intuition dafür.
Lest ihr am liebsten auf dem Sofa? Im Bett oder auf einem kuscheligen Teppich? Oder jetzt, wo sich die Sonne zeigt, lieber im Garten oder unterwegs?
Zeigt uns euren Lieblingsleseplatz und postet uns hier im Kommentar ein Foto davon zusammen mit unserem lieben Mortimer.
Meine Antwort: So, da mein Lesesessel (rechts im Bild) durchaus bekannt ist, habe ich noch zwei weitere Leseorte fotografiert: Die Fensterbank im Schlafzimmer (da scheint die Sonne abends so herrlich rein!) und meinen Schreibtisch (inkl. Chaos), an dem ich durchaus auch lese – meist, um Wartezeiten zu überbrücken ^^
Ein herrlicher Sonnentag und dazu lecker Kuchen und Kaffee und einige weitere Seiten aus „Heute beginnt der Rest des Lebens“ auf dem Balkon.
Einen Crêpe von Paquita hätte ich jetzt auch gerne. Ich liebe ja Crêpes – ihr auch?
Ich mag sie am liebsten mit Zucker und Zimt. Und ihr?
Meine Antwort: Ich kann Crêpes nur als Eierkuchen und selbst dann nicht so dünn xD Lustigerweise war mein allererster Eierkuchen der beste – alle danach gingen mehr oder minder in die Buxe… Aber schmecken tun sie wink emoticon Meine Lieblingssorte ist übrigens auch Zucker und Zimt – in einer eigenen Mischung. Solche Fertigmischungen dafür mag ich ja mal gar nicht.
Schick hast Du’s übrigens wink emoticon Schön sonnig. Hier ist die Sonne zwar auch da, aber es ist kalt. Und damit nichts für meinen Rücken -.-
Die Freundschaft zwischen Morty, Paquita und Nassardine ist ja doch sehr ungleich. Zudem scheint mir das Paar etwas älter zu sein, als Mortimer. Was glaubt ihr, macht sie für Morty dennoch so anziehend (außer Paquitas weiblichen Rundungen), dass er immer wieder zu ihnen geht, anstatt seine kostbare Zeit mit Gleichaltrigen, mit Hobbys oder Mädchen zu verbringen?
Meine Antwort: Vermutlich ist die Zeit, die Morty mit Paquita und Nassardine verbringt, eine Zeit, in der sein vemutlich baldiges Ableben so weit in den Hintergrund rückt, dass er einfach mal nicht dran denkt. Ich glaube genau da hilft die Lebensfreude und herzliche Art von den beiden – sie lenken ihn ab! Und Morty merkt vermutlich selbst gar nicht so bewusst, dass sie das tun, aber es geht ihm besser. Also kommt er wieder. Übrigens eine schöne Metapher für die Aussage „Liebe geht durch den Magen“ – das kann man auch auf die familiäre Liebe dieser „Patchwork-Familie“ beziehen. Denn Paquita ist, denke ich, einer Mutter am nächsten für Morty. Und Nassardine als Vaterfigur ebenso.
Hier nun meine Gedanken zu einigen Diskussionspunkten in der Leserunde. ACHTUNG SPOILER! Wenn Ihr die Geschichte lesen möchtet, OHNE genaue Details vorab zu wissen, dann LEST AB HIER NICHT WEITER.
Ihr seid gewarnt 😉
Abschnitt 1: Bis S. 121
Gleich zu Beginn lernt man Morty und seine reichlich skurrile und sehr traurige Familiengeschichte kennen. Was mich hierbei beeindruckt hat: Obwohl alle seine männlichen Verwandten / Vorfahren mit nur 36 Jahren verstarben und ihn ein ähnliches Schicksal erwartet, wirkt Morty nicht wirklich traurig. Er beschreibt seine Lebensumstände mit einer Art Galgenhumor und mit der Art eines Menschen, der sich resigniert mit der eigenen Situation abgefunden hat. Dabei wirkt die Geschichte, dank des Galgenhumors, momentan noch gar nicht schwermütig.
Zu Mortys Vorfahren: So fürchterlich sich das jeweilige Ableben auch gestaltete – und so skurril die Geschichten auch waren – ich musste herzlich über den Esel lachen! Der Esel ist echt mal genial!
Traurig ist, wie jeder der Vorfahren nur auf das Schicksal zu warten schien – doch letztlich macht ein jeder das ja nicht anders. Wir alle müssen irgendwann sterben – nur kennen wir den Zeitpunkt nicht – und irgendwie haben wir sehr viel Wartezeit und Alltagstrott in unserem Leben und noch mehr Dinge, die wir aufschieben.
Nassardine und Paquita, die Crêpe-Buden-Besitzer sind wunderbar herzerwärmende Charaktere. Sehr süß, sehr schrullig und einfach nur wahnsinnig sympathisch!
Nassardine ist dabei irgendwie ein Gegenstück zu Morty: Er will reisen und lässt es aber, während Morty reist, es aber nicht so recht will.
Seine Erkenntnis, nicht einsam sein zu wollen, kann ich gut verstehen – ebenso wie seine Entscheidung, sein Schicksal niemandem aufzubürden. Aber wie es so schön heißt: Man mag zwar manchmal allein sein wollen, aber einsam möchte man dabei nicht sein.
Abschnitt 2: S. 122 – S. 172
Jasmine wird vorgestellt und ich weiß echt nicht, was ich von ihr halten soll.
Sie ist für mich eine Figur, die ich im Buch mag – sie wirkt halt auf mich sehr lebensfroh und irgendwie auf eine liebe Art ein wenig schrullig. Quasi der Gegenentwurf zu Morty. (Und auf die Idee mit dem Weinen, um anderen Menschen ein gutes Gefühl beim Helfen zu geben… da muss man ja erstmal drauf kommen.)
Ich schreibe hier extra, dass ich sie „im Buch“ mag.
Im echten Leben befinde ich mich wohl eher auf Mortys Seite des Spektrums: Ich plane gerne, informiere mich, wäge ab und bin zwar bedingt spontan aber nicht, wenn man mich dazu zwingt. Es gibt Menschen, die versuchen das – und wundern sich dann echt, wenn ich das nicht mitmache ^^
Jasmine wirkt auf mich, als wäre sie so eine Figur, die in anderen permanent den Eindruck erweckt, man müsse spontaner sein. Weil Menschen wie Morty und ich nunmal doch unwillkürlich Vergleiche ziehen und sehen, „Mensch, der Mensch da tickt so ganz anders als ich“. Und dann fängt man an nachzudenken und überlegt, was jetzt vielleicht lebenswerter ist.
Ich mag Jasmine also im Buch, nicht nur, weil sie ein wunderbarer Gegensatz zu Morty ist – ob ich sie im echten Leben aushalten würde, wäre die Frage. Ein wenig ist das mit diesen beiden Figuren aber auch so – finde ich zumindest: Sie stellen Extreme auf einem Spektrum dar.
Morty: Resigniert, beinahe deprimiert, abwartend, die Zukunft fürchtend.
Jasmine: Lebensbejahend, das Glas ist halb voll, die Zukunft kann kommen oder auch nicht, es wird das beste aus allem gemacht.
Ich finde, man schwankt immer ein wenig auf diesem Spektrum. Wobei ich anmerken muss, dass ich als jemand, der gerne voraus plant dennoch sehr optimistisch in die Zukunft blicken kann. Aber ich habe ja auch nicht Mortys Schicksal und somit eine etwas andere Grundeinstellung…
Ich muss nun erstmal das Ende des Abschnitts verdauen. Jasmine haut einfach so nach New York ab – ohne Vorwarnung und innerhalb von nur drei Wochen. Und Morty trösten, seine Verwirrung verstehen oder ihn versuchen zu überreden, mitzukommen… das macht Jasmine nicht. Auf mich wirkt das ein wenig herzlos…
Abschnitt 3: S. 173 – S. 207
Da ich mit „Rücken“, wie es so schön heißt, gestern im wahrsten Sinne flachgelegen habe, konnte ich nicht so recht in mein Notizbüchlein kritzeln. Dafür gibt es jetzt einen Einblick in meine Gedankenwelt via SMS, denn das Handy war die einzige Möglichkeit (auf die ich schmerzgeplagt kam), um meine Gedanken festzuhalten. Hier also unverändert eingefügt:
„Ein irgendwie eigenartiger Abschnitt. Morty lebt und er weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Verständlich irgendwie. Seinen Satz, dass er dafür nicht trainiert habe, finde ich besonders passend: er bringt es auf den Punkt.
Ein wenig hat es mich zu Anfang irritiert, dass man nur von Mortys Zeit als „Todgeweihter“ erfährt und nicht, wie er damit umgeht. Auch jetzt ist davon noch nicht viel zu lesen. Die Geschichte so zu erzählen macht zwar Sinn, aber ich werde immer neugieriger, was das „Danach“ und seine Reaktion und sein Leben anbelangt – mehr als ein Auszug aus der gekündigten Wohnung muss ja wohl erfolgen. Und ich hoffe auf Jasmine.
Irgendwie passt Mortys Reaktion aber auch perfekt zu ihm. Er hat sein Leben lang nicht damit umzugehen gewusst, wie man „wirklich“ lebt (und wer weiß das überhaupt?) – woher soll er nun dieses Wissen nehmen, da sein Tod sich verspätet.
Übrigens habe ich gerade furchtbare Angst vor einem Ende, bei dem Morty stirbt… Ich hoffe, das ist nur eine ungute Ahnung und stellt sich als kompletten Müll heraus!
Und vor allem: WIE R AGIERT DIE TANTE???“
(Rechtschreibfehler entschuldigt bitte, wie gesagt – 1:1 ausm Handy kopiert mit Autocorrect als nettem Helfer 😉 ).
Und eine letzte Anmerkung: Da ich momentan nicht wirklich gut sitzen kann, musste ich diesen Text – entgegen meines ursprünglichen Vorhabens – 1:1 so auch auf Facebook posten. Eigentlich wollte ich nicht per Copy’n Paste arbeiten, aber was will man machen…
Abschnitt 4: S. 208 – Ende.
Da liest man die letzte Seite, die letzte Zeile, das letzte Wort und dann? Ende. Aus. Vorbei. Ein wunderbares Buch – lustig, herzerwärmend, nachdenklich stimmend… vorbei.
Zum Glück ist damit die Lesereise noch nicht beendet, denn in der Leserunde geht es quasi jetzt erst richtig los. Ich, die ich morgens und abends nach meiner Weiterbildung immer ganz fix einen Sitzplatz in der Straßenbahn ergattere (und fast die richtige Haltestelle zum Aussteigen verpasse), habe das Buch geradezu inhaliert. Hilfreich dabei waren auch eine Zwangspause dank Absturz der E-Learning-Plattform und eine etwas einsame Mittagspause in der meine „Mitschüler“ alle noch Unterricht hatten. Mit einem guten Buch ist das alles kein Drama.
Aber dennoch ist das Buch jetzt ausgelesen und ich sitze hier, gucke es an und wünsche mir noch mindestens drei weitere Kapitel, denn der Epilog. Also der Prolog. Also diese Mischform… Grrr!!!! Wie kann man das so offen schreiben, wie kann man nicht die Reaktion von Jasmine beschreiben, wie kann man so viel Ungewissheit im Leser zurücklassen? Im ersten Frust wollte ich dafür eigentlich innerlich in der Bewertung schon Sterne abziehen aber dann… Ja dann kam mir dieser Gedanke: Nun geht es dem Leser wie Morty. Wir erwarten ein geschlossenes Ende von Büchern wie Morty den Tod an seinem 36. Geburtstag um 11 Uhr erwartet hat. Und es ist nicht eingetreten. Wir haben dafür – so sagt Morty das selbst – nicht trainiert. Es wirft uns aus der Bahn, diese Offenheit, diese Möglichkeiten und diese Aufforderung, uns selbst Gedanken zu machen. Selbst zu entscheiden.
Also mir geht es jedenfalls so.
Ich werde also weiter verdattert auf dieses ausgelesene Buch blicken und hoffen, dass ich irgendwie einen klaren Gedanken fassen kann und dann eine Rezension entsteht. Wünscht mir Glück.
[Dieser Artikel wird laufend aktualisiert.]
Das wird ja wieder sehr genial. Fetzt voll!
Dankeschön 🙂
(Mal eine Frage: Wieso muss ich Dich für jeden Kommentar einzeln freischalten? Normalerweise gebe ich 1x die Erlaubnis, dass das kein Spamkommentar ist und gut ist – nur bei Dir schalte ich jeden Kommentar einzeln frei xD )