Liebe Nina, was fragst Du da? Das ist fies, das ist gemein, das ist Böse! Denn die Bösewichte… sagen wir mal so. Wenn man nach der in unseren Kultur verbrieften Moralvorstellung geht, dann ist mein Faible für Bösewichte leider sehr bedenklich. Das kann man mit einer typisch weiblichen Bad Boy-Vorliebe nicht mehr erklären oder entschuldigen. Es ist überhaupt nicht einfach da jetzt Favoriten zu suchen.
Aber gut. Genug gejammert. Zur Frage. Oder eher: Zur Antwort.
Mein „liebster“ Bösewicht – oder Antiheld – ist und bleibt wohl Severus Snape.
[ACHTUNG SPOILER]
Ich mag Severus Snape nicht, weil er am Ende der Harry Potter-Reihe derjenige war, ohne den Voldemort nicht hätte gestürzt werden können. Oder weil er eine furchtbar tragische Figur ist. Oder weil der Plottwist, Snape als einen „Guten“ zu positionieren – der vermeintlich doch ein „Böser“ ist und die „Guten“ verrät, bevor sich herausstellt, dass das alles Teil des Plans war – einfach nur genial ist. Oder weil Harry ohne Snape nicht der geworden wäre, der er wurde – schließlich prägen uns auch die Lehrer, die uns triezen.
Nein. Ich mag Severus Snape, weil man so herrlich über ihn diskutieren kann. Vor allem, weil ich vielleicht die unbequeme Meinung habe, dass Snape kein „Guter“ ist. Er mag zwar für deren Seite gearbeitet haben – auch als „Böser“. Aber er ist nicht gut. Allein die Szene in Band drei, als Hermines Schneidezähne durch einen Fluch rasant wachsen, zeigt, wie fies dieser Mensch doch ist. Er sagt, er könne keinen Unterschied erkennen. Das ist schlichtweg grausam und als Lehrer zeigt er damit absolute pädagogische Inkompetenz.
Leider verklären viele Potterheads – nicht zuletzt durch den Inhalt des Epilogs und eine gewisse Namensgebung – was für ein Mensch Severus Snape wirklich war. Eine tragische Vergangenheit ist eine Erklärung, aber keine Entschuldigung für gemeines und niederträchtiges Verhalten. Und nur, weil er letztlich für die „Guten“ gearbeitet hat, war er in meinen Augen noch lange kein guter Mensch. Seine gute Seite starb wesentlich früher.
Wie seht Ihr das? Und welche Antihelden mögt Ihr besonders? Ich bin gespannt auf Eure Kommentare!
Mein Liebling ist Hagen von Tronje im Nibelungenlied (http://de.wikipedia.org/wiki/Hagen_von_Tronje). Er ist eigentlich der wahre Held dieser Geschichte und wird bis heute verklärt vom albernen Heldenmythos des Siegfried. Siegfried ist ein eitler, überheblicher Fatzke, der die Nibelungen durch seine Dämlichkeit belastet. Hingegen ist Hagen eine machiavellisch Handelnder, der „selbstlos“ aktiv wird, um die Macht seines Königs zu schützen. In der ursprünglichen Geschichte ist er auch der letzte der Nibelungen, der im aussichtslosen Kampf gegen die Hunnen stirbt.
Seit ich in meinem Studium das Original gelesen habe, weiß ich, dass diese Werk eine Einführung in Realpolitik ist.
Interessante Wahl! Die meisten wählen ja doch Figuren aus jüngeren Werken – da finde ich es echt spannend, dass Du das Nibelungenlied und Hagen von Tronje nennst. Wenn Du eine Figur aus einem jüngeren Werk (hihi, also alles zwischen Nibelungenlied und heute 😉 ) wählen müsstest, würde Deine Wahl dann auf einen ähnlichen Charakter fallen oder auf etwas ganz anderes?
Hagen ist ja ein Archetyp, den es in dieser Ausgestaltung leider nur selten in neueren Geschichten gibt – mir fällt zumindest keine ein. Jedoch ist das Genre, wo Bösewichter auftreten, bei mir seltener in den Händen.
Mir fallen dann noch recht sympathische Fieslinge ein, die ich jüngst mit meinem siebenjährigen Sohn gelesen habe. Allen voran natürlich der Räuber Hotzenplotz. Schon im ersten Teil ist er ja schon so angelegt, dass man ihn nicht fürchtet und im letzten Teil ist er ja dann sogar geläutert. Dann wäre da noch Jake aus Oliver Twist. Den mag mein Sohn mehr als Oliver. Und selbst den Fagin wollen wir beide nicht verdammen und bemitleiden ihn am Ende sogar.
Das sind auch interessante Figuren, da hast Du recht. Vielleicht sollte ich noch einmal genauer durch mein Bücherregal „wandern“. Dann findet sich sicher die ein oder andere Figur, die mir spontan nicht eingefallen wäre.
Mein Lieblings-Bösewicht ist Tom Riddle.
Ich kann mir gar nicht so genau erklären, warum genau ich ihn so super finde, aber es ist so.
Ich glaube, es ist seine Kälte, seine Art, sich von allen Gefühlen loszureißen und seine Entschlossenheit.
Kann ich gut verstehen, Riddle ist ein faszinierender Charakter – vor allem, weil er nunmal durch und durch böse ist und nicht, wie Snape der Gattung der tragischen Charaktere angehört.
Interessant, dass du Snape von seinem Thron des tragischen Helden holst. 🙂 Ich sehe das ähnlich: Snape ist ein ambivalenter und undurchschaubarer Charakter, der ganz bestimmt nicht durch seine Liebe zu Lily Potter zum Gutmenschen wird. Aber das wäre ja auch furchtbar langweilig, wenn all seine Gemeinheiten nur der Verschleierung gedient hätten.
Aber ich muss bezüglich der „Montagsfrage“ anmerken, dass ein Antiheld nicht der Bösewicht einer Geschichte ist. Ein Antiheld ist ein Protagonist, der entgegen des typisch sympathischen und charakterstarken Helden, mit dem Leser sich gern identifizieren, durch seine großen Schwächen auffällt, die ihn nicht unbedingt sympathisch, dafür aber oft realistischer erscheinen lassen. Ich glaube, die „Montagsfrage“ verwechselt den Antihelden mit dem Antagonisten.
Huch, das mag sein. Kann aber auch sein, dass ich das in meiner abendlichen Müdigkeit nicht richtig mitbekommen habe. Sehen wir es einfach als meine persönliche Variation der Frage an 😉
Ich freue mich jedenfalls, dass mal jemand meine Ansicht zu Snape nicht direkt als Blödsinn abtut – manche Fans können da echt fanatisch agieren…