Wie ein Kinderbuch mich zum Weinen brachte – Rezension „Hey, hey, hey, Taxi!“ (Saša Stanišić, Katja Spitzer)

Rezensionsexemplar

Wie fange ich am besten an? Vielleicht so: Ich habe meine mittlerweile fünfjährige Nichte über ein halbes Jahr lang nicht sehen können. Der Grund ist uns allen bekannt und umso schöner war das Wiedersehen nach so langer Zeit.

Während der langen Monate, in denen wir nur via FaceTime miteinander sprechen konnten, bekam ich vom mairisch Verlag freundlicherweise ein Rezensionsexemplar von „Hey, hey, hey, Taxi!“ von Saša Stanišić mit Illustrationen von Katja Spitzer. Ich hatte gesehen, dass Saša Stanišić es quasi mit seinem Sohn gemeinsam geschrieben hatte und da dieser etwa im gleichen Alter meiner Nichte ist, dachte mir, dass das sicher etwas für sie wäre.

Das Buch steht vor einer weißen Wand. Das Cover vom Buch ist blau, der Buchtitel zum Teil pink und gelb. Auf dem Cover sind in verschiedenen Gelbtönen eine Giraffe (rechts) und ein Taxi (links)zu sehen. Oben links ist eine Fledermaus, oben rechts ein Pirat mit Augenklappe. Am unteren Rand sind Wellen dargestellt. Vor dem Buch steht eine Glaskugel, die so ausgerichtet ist, dass das Schild des Taxis darin auf dem Kopf stehend zu lesen ist. Auch Teile des Buchtitels sind noch erkennbar.
(Foto: S. Schückel)

Ich steige in ein Taxi…

Gleich im Vorwort habe ich mich in die Idee dieser Geschichten verliebt. Oder, um ganz genau zu sein, bei den Pandemielesungen von Saša Stanišić, bei denen es vorab erste Kostproben des Buches gab. Das Vorwort erklärt jedoch allen, die diese Lesungen nicht gesehen haben, wie die Geschichten funktionieren: Der Autor stellt sich hier als Verbündeter beim Vorlesen vor und gibt den wichtigsten Ratschlag, den ich als Vorleserin vieler anderer Bücher schon längst hätte hören wollen: Die Geschichten sind lose Vorgaben, Änderungen darin sind durchaus erlaubt und sogar erwünscht.

Dann geht es direkt los und man steigt in das erste Taxi. Denn jede Geschichte beginnt mit einem Taxi und endet – keine Sorge, das ist kein großer Spoiler – damit, dass man zurückkehrt. Zurück „zu dir“, also dem Kind, dem vorgelesen wird.

Die Geschichten haben neben der Form noch eines gemeinsam: Es geht hier nicht um Lerneffekte, sondern um fantasievolle Momente. Momente, in denen das jeweilige Kind Miterzählen kann, durch unerwartete Wendungen verwirrt wird und Spaß an Absurdem hat.

Genau das gelingt schon beim stillen Lesen wunderbar. Selbst ich als Erwachsene überlegte, als in einer Geschichte nach meinem Lieblingslied gefragt wurde und dann habe ich es sogar vor mich hingesummt – obwohl ich eigentlich nie singe!

Ob kleine Riesen, lispelnde Drachen oder Taxis aus Käse: Die Welten, die Saša Stanišić mit seinen Worten zeichnet, sind herrlich abwechslungsreich und laden auch zum Spielen mit der Sprache ein. Aus einem schnöden „schnell“ werden dann das viel spannendere „stürmös“ oder „zackzackzacklig“. Die bildliche Gestaltung durch Katja Spitzer steht in dem nichts nach. Auf jeder Seite finden sich – mal größere, mal kleinere – Elemente aus den Erzählungen, die diese farbenfroh unterstreichen und zum weiteren Entdecken einladen.

Aufgeschlagenes Buch, blaue Buchseite, unten rechts ein großer gelber Mond, der wie Käse gelöchert ist und in den Löchern sind einmal ein Mensch im Raumanzug und einmal eine Maus zu sehen. Auf der Seite ist Text lesbar: „Weißt Du, was Sehnsucht ist? Das ist so ein Gefühl, das haben Menschen ab und zu, wenn sie mit einer Sache oder einem Ort oder einer Person etwas Schönes verbinden, die Sache aber gerade nicht haben können, an dem Ort nicht sein können, oder mit der Person zusammen. So wie ich Sehnsucht nach dir habe, wenn ich mal länger weg bin. Wie jetzt, auf dem Mond! Also bitte ich die Maus, uns schnell zur Erde zurückzubringen, zurück zu dir. Und zu einem leckeren Käsebrot gleich!“
(Foto: S. Schückel)

… und merke, dass das nicht nur ein Kinderbuch ist.

Weißt Du, was Sehnsucht ist? Das ist so ein Gefühl, das haben Menschen ab und zu, wenn sie mit einer Sache oder einem Ort oder einer Person etwas Schönes verbinden, die Sache aber gerade nicht haben können, an dem Ort nicht sein können, oder mit der Person zusammen. So wie ich Sehnsucht nach dir habe, wenn ich mal länger weg bin.

(Hey, hey, hey, Taxi!, Geschichte 10: „Käsetaxi“)

Versteht mich nicht falsch: Ich mag Kinderbücher und dieses Buch ist wunderbar für Kinder. Aber es ist eben nicht nur ein Kinderbuch. An dieser Stelle rollten bei mir die Tränen, denn auf wenigen Zeilen stand das, was ich die ganze Pandemie über – aber ganz besonders in diesen sechs Monaten – als Gefühl in meinem Herzen trug. Das war auch die Buchstelle, an die ich denken musste, als ich, endlich geimpft, meine Nichte wieder in die Arme schließen konnte.

Solche Textpassagen, die ganz einfache Dinge beschreiben und mir dabei doch unheimlich nah gingen oder zum Nachdenken angeregt haben oder mich laut auflachen ließen, finden sich im ganzen Buch und in nahezu jeder Geschichte.

Beim Vorlesen nimmt man das jeweilige Kind mit auf eine Taxireise und beim stillen Lesen hat mich Saša Stanišić regelrecht verzaubert. Und auch wenn es keine Geschichten mit „Lerninhalten“ sein sollen – eine Lektion nimmt man darauf mit Sicherheit mit: Man sollte öfters einfach mal die Fantasie laufen lassen, dann könnte man überrascht werden, was für schöne Dinge dabei entstehen.

Ich wollte dieses Buch gar nicht mehr aus der Hand legen und freue mich sehr auf viele Vorleseabenteuer mit meiner Nichte – und bald auch meiner anderen Patentochter.

Übrigens gibt es auf der Verlagsseite auch Hörproben zum Hörbuch, das vom Autor selbst eingelesen wurde. Es gibt dort auch weitere Fotos von den wirklich tollen Illustrationen.

2 Gedanken zu “Wie ein Kinderbuch mich zum Weinen brachte – Rezension „Hey, hey, hey, Taxi!“ (Saša Stanišić, Katja Spitzer)

  1. Hallo Sarah =)

    ich habe deine Rezension zu „Hey, Hey, Hey, Taxi!“ sehr gern gelesen, gerade weil sie so persönlich und rührend ist. Zur Veröffentlichung habe ich das Buch gar nicht bekommen, da die erste Auflage so schnell vergriffen war, und musste einige Wochen warten. Ich habe es aber auch sehr gern (nur für mich) gelesen und freue mich schon darauf, die Geschichten vielleicht irgendwann meinen eigenen Kindern vorzulesen. Dir wünsche ich viele schöne Vorlesestunden mit deiner Nichte.

    Liebe Grüße,
    Nico

    • Lieber Nico,

      vielen lieben Dank für Deine Worte 🙂 Ich freue mich, dass das Buch dann doch noch bei Dir gelandet ist – ich war auch sehr erstaunt, wie schnell es vergriffen war.

      Ein wenig hoffe ich ja auf einen zweiten Band, irgendwie bekomme ich nicht genug von diesen Taxi-Geschichten.

      Liebe Grüße
      Sarah

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