Hype oder Begeisterung – ja was denn nun?

Wenn man beim Duden nachschlägt, findet man drei Worterklärungen für das Wort „Hype“:

a) besonders spektakuläre, mitreißende Werbung (die eine euphorische Begeisterung für ein Produkt bewirkt)

b) aus Gründen der Publicity inszenierte Täuschung

c) Welle oberflächlicher Begeisterung; Rummel

Quelle: Duden.de

Wenn man sich in der Buchbubble bewegt, hört man dieses Wort des Öfteren – zumeist dann, wenn ein bestimmter Buchtitel recht häufig gezeigt bzw. besprochen wird.

Hype oder Liebe zum Buch – was denn nun?

„Werbung“, „Täuschung“, „oberflächliche Begeisterung“ – so wirklich will das Wort Hype für mich nicht zu Büchern passen. Schließlich erfordert Lesen ein gewisses Maß an Tiefgang und Reflektion.

Natürlich gibt es aus Verlagssicht Werbung für die jeweiligen Titel und mit Sicherheit sind viele Verlage dankbar für die zusätzliche Reichweite, die Blogger*innen ihnen (kostenlos) bieten. Zudem mag es aus meiner persönlichen Perspektive einige Bücher geben, die nicht unbedingt mit der überbordenden Leidenschaft auf Instagram rauf und runter gespielt werden müssten, wie es nun aber oft der Fall ist. Doch das liegt eben an meinem persönlichen Buchgeschmack. Wenn ich dann mal genervt vom Titel X oder dem hundertsten Foto von Buch Y bin, denke ich mir einfach „Hauptsache, Liebe zum Buch“ und scrolle weiter. Denn nur weil es aus meiner Sicht wie oberflächliche Begeisterung – also wie ein Hype – wirkt, kann das für diejenigen, die den jeweiligen Titel gerade so feiern, ganz anders aussehen.

Zu sehen ist ein Bücherstapel, bei dem nur der Buchschnitt von oben erkennbar ist . Jeder zweite Buchschnitt ist weiß, die anderen Farben sind Blau, Orange und Rot.
(Foto: S. Schückel)

Das Dilemma hinter dem Hype

Aus einigen Faktoren ergibt sich für viele Buchblogger*innen ein Dilemma, was das Besprechen oder Zeigen bestimmter Buchtitel anbelangt und was letztlich zu „Hype“-Vorwürfen führt:

  • Wir bekommen alle mehr oder weniger die gleichen Informationen zu dem jeweils nächsten Programm aus den Verlagen. Oftmals werden uns vor allem die Spitzentitel besonders ans Herz gelegt, die Neugier hierzu steigt, diese Titel werden stärker angefragt.
  • Spitzentitel werden zudem nahe am Veröffentlichungsdatum separat über Plattformen wie LovelyBooks oder Vorablesen.de beworben, so dass sie auch dadurch stärker im Gespräch sind.
  • Neuerscheinungen der Verlage erhalten Blogger*innen oftmals mit Sperrfristvermerk – wir können also erst ab einem bestimmten Datum über die jeweiligen Titel sprechen. Das ist insofern sinnvoll, als dass Leser*innen außerhalb der Buchbranche die Titel ja erst ab Veröffentlichung erwerben können. Weit vorher sind Rezensionen also nicht wirklich sinnvoll und zudem ändern sich auch manchmal noch kurzfristig Sachen am Buch (Titel/Cover), die dann zu beachten sind. Oft erscheinen die meisten Rezensionen also zum Veröffentlichungstag.
  • Blogger*innen sprechen sich in der Regel nicht ab, welche Titel besprochen werden. Ausnahmen sind gemeinsame Leseaktionen, wobei allerdings bestimmte Titel ausgewählt und nicht bewusst ausgelassen werden.

Zu diesen Faktoren kommt dann noch hinzu, dass man als Blogger*in vielleicht auch einfach nach dem persönlichen Interesse lesen möchte.

Im Endeffekt steht dann im Zweifelsfall – zumindest für mich – die Überlegung im Raum, ob ein bestimmter Titel überhaupt noch gezeigt werden „darf“. Einerseits gefiel das Buch (vermutlich, zumindest ist es bei mir so, denn ich kenne meinen Buchgeschmack gut genug, um das einschätzen zu können) und man möchte es anderen Menschen ans Herz legen – andererseits steht dann auch das Risiko im Raum, die Bloggerkolleg*innen könnten denken, man sei „nur einem Hype“ verfallen. Das ist ein Vorwurf, in dem – für mich ganz persönlich – mitschwingt, man würde blindlings jedem Marketingwunsch von Verlagen hinterherrennen und kritiklos alles mit Lobhudeleien überschütten. Dem ist einfach nicht so.

Viel schlimmer ist jedoch die Möglichkeit, Menschen könnten durch die Vielzahl an Postings vom jeweiligen Buch abgeschreckt werden. Denn ich bin Buchbloggerin, weil ich anderen Menschen meine Liebe zu bestimmten Büchern und dem Lesen im Allgemeinen näher bringen möchte. Bewirke ich das Gegenteil, führe ich mein Hobby (das Blog) und mich selbst ad absurdum.

Zwei Beispiele

Aktuell geht es mir bei Tove Ditlevsens Kopenhagen-Trilogie (übersetzt von Ursel Allenstein) und Benedict Wells‘ neuem Roman „Hard Land“ so.

Erstere Reihe wird momentan durch Maria-Christina Piwowarski, Buchhändlerin in der Buchhandlung ocelot in Berlin und Moderatorin, in einer bezahlten Kooperation mit dem Aufbau Verlag vor allem via Instagram bekannt gemacht. Die Leserunden zur Trilogie begannen im Januar, laufen noch bis Ende Februar und werden durch gemeinsame Austauschabende mit Maria und Interviews mit der Übersetzerin Ursel Allenstein sowie der Lektorin Friederike Schilbach flankiert.

In Zeiten, in denen es die Kultur wahrlich nicht leicht hat und zusätzlich zu entfallenden Lesungen die Sendezeit für Literaturbesprechungen gekürzt oder Literatursendungen ganz gestrichen werden, ist so eine Aktion – zumindest aus meiner Perspektive – eine wahre Wohltat. Ja, Maria ist „meine“ Buchhändlerin (ihren Empfehlungen vertraue ich blind), aber selbst wenn sie es nicht wäre, würde mein pandemiegeschundenes Literaturherz, das Messen und Lesungen und Austausch mit anderen so sehr vermisst, diese Leseaktion sehr genießen.

Nicht nur deshalb, sondern auch wegen der Liebe zum Detail und der vielen akribischen Arbeit, die hinter den Leserunden stehen, tut es mir dann in der (Buch-)Seele weh zu lesen, dass Menschen auf Twitter und Instagram „vom Hype abgeschreckt“ sind, oder gar das „#tovelassen“ fordern. Skepsis den Büchern gegenüber, die wie aus dem Nichts aufzutauchen schienen, kann ich noch in gewisser Weise verstehen. Da kommt mir vielleicht wirklich zu Gute, dass ich Maria als Buchhändlerin „kenne“ und weiß, wie fundiert Ihre Begeisterung bei Buchtiteln ist. Auch unabhängig von Kooperationen.

Dass nun aber – zumindest in meiner Wahrnehmung – vielbesprochene Bücher bewusst zerredet werden, ohne sie inhaltlich zu kritisieren, finde ich schwierig. Zum einen, weil die Autorin, um die es in diesem Fall geht, nicht mehr lebt und zu Lebzeiten von der (zumeist männlichen) Kritik als banal eingestuft bzw. ignoriert wurde. Zum anderen, weil ich eigentlich der Ansicht war, dass wir alle alt genug seien, um selbst zu entscheiden, welche Bücher für uns ganz persönlich von Interesse sind und wir zwar die Empfehlungen anderer wahrnehmen, diese aber nicht als Aufforderung oder gar als Zwang verstehen.

Bei Benedict Wells ist es so, dass ich hoffentlich nicht mehr erklären muss, wie sehr ich dessen Bücher mag. „Vom Ende der Einsamkeit“ ist für mich das Buch. Das Buch, das ich als einziges auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Das Buch, das mir selbst als Single im Jahr 2020 das Gefühl gab, (literarisch) fest umarmt zu werden. Aber ich liebe auch all seine anderen Bücher und natürlich habe ich auch „Hard Land“ gelesen. Doch gerade bei einem Autor wie Benedict Wells stecke ich mittendrin im Dilemma, denn so sehr ich jedem einzelnen Menschen seine Bücher passend zu ihrer jeweiligen Stimmung empfehlen möchte, so stark ist auch die Angst, dass gerade die überbordende Leidenschaft mit der wir/ich die Titel zeigen, eben zum genauen Gegenteil führen. Weil es wie ein Hype wirken könnte.

Zu sehen ist links ein Buch mit blauem Buchschnitt von oben, rechts davon sind Post-It Klebchen in verschiedenen Neonfarben.
(Foto: S. Schückel)

Was tun mit dem Hype?

Insgesamt werden die kommenden Wochen noch einmal spannend. Bisher schlich sich bei mir nämlich leider der Eindruck ein, dass insbesondere Bücher von Frauen – in Tove Ditlevsens Fall noch dazu Frauen, die über das Frausein schreiben – in die Hype-Kritik von vor allem männlichen Lesern geraten. Ich frage mich also, ob bei Benedict Wells (und anderen Spitzentitelautor*innen) ähnliche Maßstäbe angelegt werden.

Unabhängig davon, kann ich Werbung seitens der Verlage (was ja oft durch entsprechende Kennzeichnungen in Postings ersichtlich ist) als solche wahrnehmen und – schließlich bin ich ein eigenständiger Mensch – bei Bedarf ignorieren. Ich kann auf Twitter sogar einzelne Worte oder Hashtags stummschalten, sollte es mir zu viel werden. Bei Instagram ist das für Profile und Stories der durch mich abonnierten Nutzer*innen möglich.

Den Schuh der „Täuschung“ oder „oberflächlichen Begeisterung“ – zwei weitere Wortbedeutungen, die der Duden ja für das Wort „Hype“ parat hält – ziehe ich weder mir selbst als Bloggerin an, noch anderen Menschen aus der Buchbubble.

Ich würde mir wünschen, dass Begeisterung für Bücher in der aktuellen Zeit erst einmal als etwas Positives wahrgenommen wird. Und denen, die sich über bestimmte Titel freuen, diese Freude nicht madig gemacht wird.

7 Gedanken zu “Hype oder Begeisterung – ja was denn nun?

  1. Danke für deinen Beitrag! Ich bin bei dem ganzen Thema ziemlich hin und her gerissen. Natürlich verstehe ich es, dass Verlage Aufmerksamkeit für ihre Titel erreichen wollen und dass Bloggende ihre Liebe für ein Buch teilen möchten, andere mit ihrer Begeisterung anstecken wollen. Auch kenne ich selbst diesen Druck, den man sich bei Neuerscheinungen macht: unbedingt „vorne“ dabei sein, zu den ersten gehören wollen etc. Und wenn ein Titel in kurzer Zeit viel Aufmerksamkeit erfährt, wird auch viel darüber gesprochen – das ist toll, weil dadurch gerade bei Titeln mit politisch oder gesellschaftlich relevanten Inhalten Themen eine breite Öffentlichkeit erfahren können, auch außerhalb der Kreise der Vielleser*innen.

    Ich gehöre aber tatsächlich zu denen, die schnell übersattigt sind. Das gilt nicht nur für Bücher, sondern für alles, dass in kurzer Zeit extrem viel Aufmerksamkeit und Begeisterungsstürme erhält. Je mehr ich etwas sehe, desto weniger Neugier habe ich darauf. Sicherlich entgeht mir dadurch auch Wunderbares, aber wie ich schon auf Twitter schrieb, kann ich sowieso nicht unvoreingenommen an die Lektüre gehen, wenn ich dazu unzählige Meinungen im Kopf hab. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich an solche Bücher automatisch mit sehr hohen Erwartungen herangehe, die dann in den seltensten Fällen erfüllt werden. Damit tu ich also weder dem Buch noch mir einen Gefallen. Darum kann ich solche Titel auch oftmals erst nach einigen Jahren lesen, manche nie, wenn die Trendwelle zu lang und intensiv für mich war.
    Es kommt aber auch darauf an, wer das Buch lobt: Es gab in der Vergangenheit leider einige Fälle, in denen ein Buch von der Blogwelt extrem gefeiert wurde, noch bevor die Personen es überhaupt gelesen hatten. Als dann die Rezensionen vereinzelt eintrafen, fielen die Meinungen dann aber doch nicht mehr so positiv aus. Werden solche omnipräsenten Titel von Personen gelobt, deren Vorlieben, Buchkritik etc. ich gut kenne und die sich vielleicht sogar mit meinen decken, bin ich offener gegenüber diesem Titel.

    Was das Wort Hype betrifft: Ich habe dieses Wort nie negativ verstanden oder so gemeint. Für mich war es einfach nur ein anderes Wort für Trend oder ein Ausdruck einer großen Begeisterungswelle. Tatsächlich habe ich das Wort sogar für Favoriten von mir benutzt, wenn ich ausdrücken wollte, dass ich dieses Buch, diesen Film etc. liebe und feiere und nicht müde werde, es anderen zu empfehlen. Dass die Bedeutung von „Hype“ eher negativ ist, war mir tatsächlich neu. Danke also für die Aufklärung. Auch wenn es vermutlich dauern wird, bis mein Kopf dieses Wort anders verstehen wird. 😉

    Liebe Grüße
    Kathrin

    • „Ich gehöre aber tatsächlich zu denen, die schnell übersattigt sind. Das gilt nicht nur für Bücher, sondern für alles, dass in kurzer Zeit extrem viel Aufmerksamkeit und Begeisterungsstürme erhält. Je mehr ich etwas sehe, desto weniger Neugier habe ich darauf. “

      Das kann ich bestätigen, ich habe oft erst Jahre später mitbekommen, was für tolle Musik in den 90ern im Radio gespielt wurde. Motto: „Nicht schon wieder Lemon Tree (oder anderes).

      Es gibt aber noch eine ganz andere Gefahr, warum es schlecht ist zu den ersten Rezensenten zu gehören: Ich lese keine Bewertungen zu Filmen oder Büchern, die ich noch konsumieren möchte. 1.) Möchte ist unbeeinflusst an das Medium gehen und 2.) möchte ich nicht gespoilert werden.

      • Mir geht es auch so: Wenn ich weiß, dass ich ein Buch demnächst lesen werde, möchte ich auch mit wenig Eindrücken anderer an das Buch rangehen. Natürlich lese ich trotzdem hin und wieder ein Rezension dazu – aber je mehr Meinungen ich zum Buch höre, desto mehr bleiben die in meiner Erinnerung und formen schon ein zu umfangreiches Bild von dem Buch.

        Spoiler sind natürlich auch ein Problem. Ich hatte bisher das Glück, dass ich auf Blogs nur sehr selten Spoiler gefunden habe – bei den „traditionellen“ Medien erlebe ich das deutlich häufiger. Auf Blogs finde ich Spoiler v.a. bei Artikeln zu Klassikern oder zu Titeln, bei denen angenommen wird, dass sie alle kennen (z.B. durch eine Verfilmung). Da ärgere ich aber genauso wie du!

        • Auf einem Blog las ich mal eine „Rezension“ in welcher die Handlung inklusive Twist verraten wurde. Als ich die Bloggerin darauf ansprach, wurde sie zickig, bei dem Roman käme es ja gar so sehr auf die Handlung an, sondern auf dessen aussage.
          Das Blog habe ich deabonniert und seitdem bin ich radikal, keine Rezensionen mehr zu Medien zu lesen, die ich noch lesen oder sehen möchte.

          Ich würde ich gerne auf mein Blog einladen, sollte meine Einladung nicht angekommen sein, kannst du sie auch gerne direkt anstoßen.

  2. Huhu meine Feine! Also das Wort, der Begriff, Hype passt für mich schon zum Lesen, nicht alle meiner Geschichten erfordern Tiefgang und/oder Reflexion, manches ist wirklich schlicht für den Genuss. Aber ich gebe dir recht, Bücher die sich mit Themen auseinandersetzen, die genau dies brauchen, würde ich auch nicht als Hype-Buch betiteln.

    Das oft für mich größte Dilemma, mir vergeht die Lust an der Geschichte, nur in den seltensten Fällen werde ich durch dieses Überangebot eines Titels aufmerksam. Und auch für mich, die vielleicht mal (was so gut wie nie vorkommt, hahaha) eben solch einen Titel zu dieser Hype-Zeit in die Kamera zeigt, bekommt wenig Aufmerksamkeit – zu oft huschte das Buch durch die verschiedensten Timelines.

    Was deine Abschlussworte betrifft bin ich zum Teil bei dir, denn so groß die Begeisterung der Leser:innen ist, bei manchen die Freude endlich darüber sprechen zu können, so schnell bin ich Cover, Titel, Buch über. Ich bin aber auch eine Leserin, die am liebsten zu SP und Kleinverlagen greift oder zu älteren Verlagstiteln (wobei hier schon von vor einem Jahr erschienen zutrifft, mir scheint schon diese Titel zählen als „alt“ – aber das ist eine gänzlich neue Thematik).

    Dann bin ich ja mal gespannt, welche Titel du demnächst in die Kamera hältst (=

    Muckelige Grüße,
    Janna

  3. Pingback: [Die Sonntagsleserin] Februar 2021 - Phantásienreisen

  4. Das hast du gut ausbalanciert analysiert 🙂 Ich kenne es, dass es mich nervt, wenn ich immer wieder die selben Bücher überall sehe (vor allem wenn es ein Buch ist, das mich nicht interessiert), aber andererseits habe ich mir auch schon Bücher wegen ihrem Hype gekauft. Da waren manchmal Enttäuschungen dabei, aber vieles hat mir dann auch richtig gut gefallen. Bisher war mir gar nicht klar, dass das Wort „Hype“ was Negatives ist.

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