Warum es hier so ruhig war – oder: warum ein Beinbruch keinen Lesespaß macht

Diejenigen, die mir über die sozialen Netzwerke folgen, haben es wohl mitbekommen: Ich habe mir Ende Oktober einen Beinbruch zugezogen.

Es ist ein kleiner Bruch (gewesen), er heilt (soweit es das letzte Röntgen zeigt) recht gut und ich kann dank modernster Medizintechnik und der Exoskelett-Orthese wieder einigermaßen laufen.

Unterarmgehstützen an Gitter mit Pflanzen gelehnt

(Foto: S. Schückel)

So viel zu meinem Bein. Womit ich nicht gerechnet habe – und anhand der „da hast du ja mal Zeit zu lesen“-Kommentare in meinem Umfeld rechnen damit die wenigsten – ist, was der Bruch mit meinem Kopf gemacht hat.

Konnte ich vorher stundenlang in einem Buch versinken, so habe ich ganz am Anfang hauptsächlich Werbespots geguckt. Ernsthaft. Für alles weitere hat meine Aufmerksamkeitsspanne nicht gereicht. Irgendwann ging dann immerhin „Trash-TV“ und mittlerweile lese ich wieder – allerdings wesentlich langsamer als vorher.

Alle Kraft fürs Bein

Ich erkläre mir das auf ähnliche Art und Weise, wie ich mir die ersten paar Wochen mit Schlafzeiten über 10 Stunden erkläre: Mein Körper hat nach dem Unfall in eine Art Notbetrieb geschaltet und sämtliche Kraft in mein Bein gegeben. Was pure Ironie ist, denn das Bein hat sehr wenig Kraft.

Aber neben der Bürokratie, die so ein Unfall nach sich zieht und der Umstellung in nahezu jedem Bereich meines Alltags, reichte die Kraft zu nicht viel mehr als besagten Werbespots.

Erste Schritte – literarisch und physisch

So, wie ich Stück für Stück wieder auf die Beine kam, so eroberte ich mir auch die Welt der Literatur zurück. Da waren äußerst kitschige Fanfictions, bei denen ich nicht viel nachdenken musste, ein Jugendroman, der meine Konzentrationsspanne gerade mit seinem großem Nervfaktor (auch bekannt als Protagonistin) wieder in die Welt der Bücher brachte und dann war da die ultimative Medizin in Form zweier großartiger Romane: „Miroloi“ von Karen Köhler und „Frühlingserwachen“ von Isabelle Lehn.

Beide öffneten die Türen zur jeweiligen Welt weit, in dem sie die Einfachheit der Sprache zelebrierten und mich trotzdem gleichzeitig zurück in komplexe Gefühls-und Figurenwelten holten, ohne mich zu überfordern.

Je mehr ich las, je weiter ich mich zurück in die von mir so heißgeliebte Welt der Literatur kämpfte, desto mehr gewann auch mein Bein an Kraft. Oder umgekehrt. Vermutlich ist auch die Physiotherapie nicht unschuldig an meinen Fortschritten und regelmäßige Trainingsspaziergänge schaden ebenfalls nicht.

Aber letztlich denke ich doch: Die Welt der Worte kann heilen – und auch wenn der Weg noch lang ist, bis hoffentlich alles wieder so ist wie vor dem Unfall, so bin ich doch sicher, dass die Literatur mich auf Schritt und Tritt begleitet. Bestes aktuelles Beispiel: „Die Kakerlake“ von Ian McEwan hat mich so in den Lesesog gezogen, dass ich es in nur zwei Tagen ausgelesen habe. Aktuell ist das ein absoluter Rekord!

In diesem Sinne wünsche ich Euch einen gesunden Jahreswechsel!

Bild einer engen Steintreppe, darauf der Text, dass dies die Treppe zur Physiotherapie ist und ich damit bald bei den Ninja Warriors teilnehmen kann.

Ein Rückblick auf erste Gehversuche der besonderen Art… (Foto: S. Schückel)

10 Gedanken zu “Warum es hier so ruhig war – oder: warum ein Beinbruch keinen Lesespaß macht

  1. Liebe Sarah,

    bricht der erste Morgen des neuen Jahres an, so erscheint der Himmel nicht anders als am Tage zuvor, aber doch ist einem seltsam frisch zumute. (Yoshida Kenkō)
    Ein gesundes und mit frischem Mute gespicktes neues Jahr wünsche ich Dir!

    Die Frage zuerst, die mir schon so lange im Kopf rumspukt: Wie hast Du Dir den vermaledeiten Bruch zugezogen? Weiterhin gute Besserung und gut, dass zuerst alle Kraft ins Bein gegangen ist.

    Gelesen hast Du ja jetzt auch schon schön. „Frühlingserwachen“ habe ich auch frisch in den letzten Tagen zu Weihnachten beendet. Hat mir gefallen, allerdings dann doch „nur“ 4 von 5 Sternen. „Miroloi“ steht noch auf meiner Agenda, gerade lese ich „Brüder“ von Jackie Thomae, bisher toll. Von Ian McEwan liegt gerade noch „Maschinen wie ich“ auf meinem SuB, leider.

    Dann gute Heilung und vielleicht auf ein Wiedersehen in diesem Jahr!

    Simone

    • Was für ein wunderbares Zitat, meine Liebe! Danke dafür!

      Zu deiner Frage, ja was soll ich sagen… Mehr als tausend Mal läuft man einer Straßenbahn hinterher und nichts passiert. Und einmal will man „nur 10 Minuten“ sparen und macht daraus fast ein Vierteljahr an Krankschreibungszeit. Der Vorteil: Niemand außer dem Zufall trägt die Schuld, stolpern kann nämlich jede*r, und auch niemand anderes kam zu Schaden. Immerhin, aber Spaß geht echt anders.

      Um „Brüder“ schleiche ich herum, die „Maschinen“ fand ich ziemlich gut, eine Rezension folgt hoffentlich bald. Bin also gespannt was du sagst 🙂

      Liebe Grüße
      Sarah

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