Lesungen sind immer etwas Besonderes. Ob während der Buchmessen, im Rahmen von Literaturfestivals oder – so wie Freitag – unter freiem Himmel. Gestern Abend gab es nun auch noch einen besonderen Anlass für die Lesung von Julius Fischer, André Herrmann und Marc-Uwe Kling: es war die Benefizlesung für ihren Verlag Voland & Quist.
Mission: Verlagsrettung
Ihr erinnert Euch vielleicht: Im Frühjahr musste der Buchgroßhändler KNV Insolvenz anmelden und gerade die kleineren und unabhängigen Verlage gerieten durch in finanzielle Zwickmühlen. Voland & Quist, der in Berlin, Leipzig und Dresden sitzt, machte damals auf seiner Webseite öffentlich, welch drastische Auswirkung die Insolvenz haben würde. Es war sogar von der Überlegung die Rede, den Verlag zu schließen. Ich hatte zum Indiebookday ein Interview mit Verleger Sebastian Wolter zum Thema veröffentlicht.
Um eben dieses Szenario nicht Realität werden zu lassen, hat der Verlag am 2. August in Dresden in die Junge Garde zur Benefizlesung geladen. Alle Einnahmen des Abends sollten helfen, den Verlag zu aus der finanziellen Misere zu holen. Mit Erfolg: Gleich zu Beginn gab es von Julius Fischer die wunderbare Neuigkeit: Es hat funktioniert und die Gelder reichen aus, um die Verluste durch die KNV Insolvenz auszugleichen (Überschüsse werden dem Sozialwerk des deutschen Buchhandels gespendet).
Der Verlagsgroupie der ersten Reihe
Eine Besonderheit der Jungen Garde ist übrigens, dass es sowohl Steh- als auch Sitzplätze gibt. Da ich eine möglichst gute Sicht haben wollte, stellte ich mich also direkt nach dem Einlass ganz vorne hin – und blieb dort allein auf weiter Flur. Damit stach ich so sehr aus der Menge heraus, dass mich sogar der nette Security-Mann in ein Gespräch verwickelte. Keine Sorge, ich bin keine Psychopathin – nur Bloggerin. (Passend dazu machte ich mal direkt Werbung für alle Autoren und weitere Bücher des Verlags – so eine Benefizlesung soll sich ja auch im Nachhinein lohnen.)
Zugegeben: Die Wartezeit über, bis zum Beginn der Lesung, kam ich mir etwas merkwürdig vor. Aber noch merkwürdiger fand ich, wie alle anderen die Sitzplätze vorzogen. Erst nach der Pause gesellten sich dann ein paar andere Gäste zu mir nach vorne an die Bühne – die meisten blieben jedoch sitzen.
Lesungen, Musik und ganz viel Lachen
Natürlich haben Julius Fischer und André Herrmann ein wenig damit kokettiert, dass Marc-Uwe Kling vielleicht der bekannteste Künstler der drei ist – verstecken müssen sie sich aber definitiv nicht. Mal abgesehen davon, dass alle beide eine durchaus beachtliche Karriere haben und dafür noch nicht einmal ein kommunistisches Känguru durchfüttern müssen.
Julius Fischer las nicht nur aus seinem jüngsten Buch „Ich hasse Menschen“ (dessen Rezension ich Euch übrigens noch schulde…), sondern spielte auch den ein oder anderen Song und gab ein Kapitel aus seinem neuen Buch zum Besten. Letzteres, meinte er hinterher, könne noch mehr Witze vertragen – aber ich fand es auch so schon gut! Ich find es sowieso immer spannend, wenn Autor*innen etwas vielleicht-noch-nicht-ganz-fertiges zeigen und freue mich auf sein neues Buch!
André Herrmann war für mich zugegebenermaßen der große Unbekannte des Abends. Bis Freitagabend hatte ich von ihm nämlich noch nichts gelesen – unter anderem auch deshalb, weil ich bei der letzten Lesung zu der er in Dresden war, leider keine Zeit hatte. Im Nachhinein ärgert mich das Joch mehr, denn da ist mir wirklich etwas entgangen – und um ausreichend Buße zu tun habe ich mir am Freitag direkt beide seiner Bücher gekauft. Hilft ja auch dem Verlag.
Ich wusste übrigens auch nicht, dass er und Julius Fischer gemeinsam einen Podcast haben – das „Team totale Zerredung“ muss mich jetzt erst einmal auf dem Arbeitsweg begleiten. Ich werde berichten!
Marc-Uwe Kling hat – wenn auch verlagsfremd – aus den „Känguru-Apokryphen“ gelesen und zudem noch eine Geschichte vom Känguru vorgelesen, die mir gänzlich unbekannt war. Das macht dann ja gleich Hoffnung auf weitere Geschichten vom Beuteltier. Der Ausschnitt vom Nachfolger von „Qualityland“ war jedoch auch sehr witzig und ich freue mich also nicht nur auf die Comicadaption (die dann demnächst bei Voland & Quist) des ersten Teils, sondern auch auf eine hoffentlich bald erscheinende Fortsetzung!
Zusammen mit Julius Fischer gab es dann zum Schluss noch eine kleine Gesangseinlage der Arbeitsgruppe Zukunft, die (an dieser Stelle ein dezenter Zaunpfahl) hoffentlich bald auch mal wieder ein großes Konzert in Dresden gibt.
Egal welcher Autor: Ich kam aus dem Lachen gar nicht mehr raus und so sehr ich Euch hier auch ein paar Gags außerhalb der gelesenen Geschichten präsentieren würde – ich konnte sie mir gar nicht alle merken. Es ist wohl ein klarer Fall von: Geht bitte selbst mal zu Lesungen der Autoren. Bereuen werdet Ihr es nicht!
Ein rundum gelungener Abend
Besser noch als die gelesenen Geschichten war übrigens der ganz klare Appell von André Herrmann, am 1. September zur Landtagswahl nicht die sog. AfD zu wählen. Als daraufhin Applaus und Jubel im Publikum aufbrandete, hatte ich in Bezug auf Dresden ganz kurz sogar ein mittlerweile nahezu unbekanntes Gefühl: Hoffnung.
Besonders schön war aber auch die Einladung des Verlags, in der Pause doch zum Büchertisch zu kommen. Die kam per Twitter, da ich dort quasi live über meine Verwirrung berichtet habe, dass alle anderen Gäste die Sitzplätze bevorzugten. Beim Quatschen am Büchertisch kam direkt ein wenig Buchmessenfeeling auf – auch, weil Ann-Sophie vom Blog Reading is like taking a journey ebenfalls vor Ort war.
Die Kombination aus tollen Menschen, klasse Geschichten, Musik, sehr viel Humor und dem Wissen, dass der Verlag weiter bestehen wird, hat diesen Abend einfach nur perfekt gemacht. Und nun habe ich zwei spannende neue Bücher („Klassenkampf“ liest sich schon prima an, „Platzwechsel“ folgt wohl im Urlaub) und akutes Lesungsweh (das ist schlimmer als Buchausweh und fast so schlimm wie der Buchmesseblues).
Zum Glück gibt es bald weitere literarische Events in Dresden – Ihr dürft also gespannt auf kommende Berichte bleiben.