Alle Jahre wieder gibt es Adventskalender. Ob mit Gewinnspielen oder ohne, selbstgebastelt oder online – die süße Vorfreude auf die gemütlichsten Feiertage des Jahres lassen sich viele nicht entgehen. Auch ich habe einen süßen Kalender, freue mich auf die Blogger-Adventsaktionen und vielleicht mache ich ja sogar mal beim ein oder anderen Gewinnspiel mit.
Durch Zufall hat sich nun eine weitere Idee in meinen Kopf geschlichen: Ein literarisches Adventskalendertagebuch.
Als ich vor kurzem die Wartezeit auf eine Straßenbahn in der Bahnhofsbuchhandlung verbrachte, statt bibbernd in der Kälte auszuharren, fiel mein Blick auf ein glitzerndes Buch.„Früher war mehr Lametta“aus dem Diogenes Verlag, in glitzerndes Leinen gebunden und mit Lesebändchen versehen, lockte mich geradezu und da ich mich irgendwie selbst aufmuntern wollte, kaufte ich es kurzentschlossen. Als ich es in der warmen Straßenbahn auspackte ergab eine schnelle Zählung, dass 25 Geschichten in dieser Anthologie darauf warteten, mich durch die Adventszeit zu begleiten.
Im vergangenen Jahr, vielleicht erinnert Ihr Euch, habe ich „Licherloh“, ebenfalls aus dem Diogenes Verlag vorab gelesen und besprochen. Mit 24 Geschichten kann das noch ein klein wenig besser als literarischer Adventskalender dienen, aber im letzten Jahr habe ich es nicht erst an Heiligabend beenden und verlosen wollen, deshalb konnte ich mich nicht dran halten. In diesem Jahr bin ich nicht wählerisch – ich gönne mir einfach am 6. Dezember zwei Geschichten aus „Früher war mehr Lametta“.
Ich lade Euch also ein, mich auf der literarischen Reise durch „hinterhältige Weihnachtsgeschichten“ von u.a. John Irving, Ingrid Noll, Doris Dörrie und anderen zu begleiten. Für mich ist dieses Adventskalendertagebuch ein kleines Experiment, denn ich habe meine Leseeindrücke schon lange nicht mehr zu jedem gelesenen Kapitel festgehalten. Selbst Leserundenbücher sind zumeist in größere Abschnitte unterteilt. Hier möchte ich, nach jedem Kapitel, kurz festhalten, was die Geschichte oder das Gedicht in mir ausgelöst haben. Gerne möchte ich auch schöne Zitate mit Euch teilen.
Da ich mich kenne – und weiß, wie hektisch die Weihnachtszeit urplötzlich werden kann – kann es vorkommen, dass manche Eindrücke erst nachgetragen werden. Ich werde sie jedoch direkt nach dem Lesen auf meinem Tablet oder im Handy festhalten.
An diejenigen, die hier nun ein großes Gewinnspiel erwarten: Sorry. Dieses Mal nicht.
An diejenigen, die dennoch mitlesen möchten: Viel Spaß und ich bin gespannt auf Eure Kommentare!
Am 1. Dezember geht es los!
1. Dezember – „Spekulatius“
Tag eins und schon hänge ich ein wenig hinterher. Falls die Formatierung doof aussieht: Ich schreibe diese Zeilen mit dem Handy und der WordPress App. Da ich heute nur unterwegs war, habe ich auch die erste Geschichte von Doris Dörrie unterwegs gelesen – im Bus genauer gesagt. Es geht darin um eine geschiedene Frau, die Weihnachten immer abgelehnt hat und endlich einmal ohne jegliches Tamtam feiern kann. Dafür reist sie nach L. A. und begibt sich quasi wörtlich in die Wüste. Die Frau, auf die sie dort trifft, hasst beinahe alles – die Blätter am Pool, die Hitze… und dennoch, ganz allmählich und dann immer schneller entwickelt sich ein gegenseitiges Verständnis füreinander, obwohl diese beiden Frauen so verschieden sind. Und Doris Dörrie zeigt mit dieser kleinen Geschichte, dass der wahre Geist der Weihnacht im Verständnis füreinander liegt. Es ist eine behutsame Geschichte, mit Witz und teilweise etwas burschikos – aber sie passt. Ein schöner Einstieg, denn diese Weihnacht kam für die zwei Frauen wirklich „aus dem Hinterhalt“.
2. Dezember – „Das Krippenspiel“
Nachdem ich gestern mit meinen Eltern erst einen Weihnachtsmarkt besucht habe und wir dann in einem Anfall von Wahnsinn das ganze Wohnzimmer geputzt haben, war meine Konzentration nicht mehr ausreichend, um die Geschichte von John Irving zu beenden.
Auch heute fand ich sie reichlich schräg und es half nicht, dass ich so gar nicht wusste, wie alt Owen Meany (aus dem gleichnamigen Roman) ist. Das katastrophale Krippenspiel… das war wirklich gewöhnungsbedürftig und ich. weiß nicht wie ich diese kurze Geschichte finden soll. Zum einen waren da zu wenige Beschreibungen, zum anderen würde jede Straße explizit mit Namen erwähnt… merkwürdig und nicht wirklich mein Fall beschreibt es wohl am besten. Nunja, nicht jede Geschichte einer Anthologie kann gefallen 😉
3. Dezember – „Weihnachtslied, chemisch gereinigt“
Erich Kästner schrieb dieses Gedicht/Lied, das nach der Melodie von „Morgen, Kinder, wird’s was geben“ gesungen werden könnte. Ich kenne es bereits, doch immer wieder nimmt mich eine Zeile mit:
„Mutter schenkte euch das Leben, das genügt wenn man’s bedenkt.“
Und irgendwie stimmt das. Erich Kästner ruft in Erinnerung, dass es wichtigere Dinge gibt als den alljährlichen Konsumrausch. Dieses Türchen ist kurz, aber gut.
4. Dezember – „Christnacht“
Ich habe bisher noch nie etwas von Guy de Maupassant gelesen. Warum, weiß ich auch nicht, aber nach dieser Geschichte dürfte sich das durchaus ändern. „Christnacht“ ist eine kurze Episode, in der es darum geht, warum der Erzähler Weihnachten nicht leiden könne. Der Grund ist ebenso abstrus wie auch amüsant, denn die rundliche Dame, die er zu sich in sein Heim einlädt ist nicht etwa besonders geneigt, die Nacht mit ihm zu verbringen. Vielmehr gibt es eine Überraschung, die an die eigentliche Weihnachtsgeschichte erinnert. Weihnachten wegen dieser Episode nicht zu mögen, erscheint mir zwar wie eine Überreaktion, aber dieses literarische Türchen ist so schön lakonisch geschrieben, dass ich das nicht so eng sehe.
5. Dezember – „Die Weihnachtsfrage“
Als ich heute morgen auf dem Weg zur Arbeit auf Twitter passiv-aggressive Beiträge las, verging mir die Vorfreude auf Weihnachten ein wenig. Darin wurde sich darüber ausgelassen, dass diejenigen, die erst kurz vor oder an Heiligabend den Weihnachtsbaum aufstellen, diejenigen, die schon Anfang Dezember einen Baum geschmückt im Wohnzimmer haben, ja nur bekehren wollen und sowieso allgemein penetrant seien. Mag sein, dass es diese Fraktion gibt, aber ich war ein wenig traurig, da eben dieser passiv-aggressive Tonfall meine Vorfreude dämpfte. In meiner Familie wird der Christbaum nämlich erst am 24.12. geschmückt. Das ist einfach so und für mich ist das „richtig“ – vom Gefühl her. Wenn es für andere anders ist, ist das doch schön – aber warum muss man verallgemeinernd alle verteufeln, die nunmal erst spät einen Baum aufstellen?
Warum erzähle ich Euch das? Nun, in der Geschichte heute ging es auch um einen Baum – und den Weihnachtswahnsinn. Martin Suter hat auf wenigen Seiten ganz treffend die Stimmung derer im Verlauf des Dezembers eingefangen, die Weihnachten ambivalent gegenüber stehen. Letztendlich ergeben sich viele dem Weihnachtstrubel – nach und nach. Dabei beschreibt er dieses „sich ergeben“ aber nicht so, als müsse jeder vom Weihnachtszauber erfasst werden. Nein, es ist okay, wenn man damit nix am Hut hat. Aber ein Baum ändert eben nichts am allgemeinen Trubel – so, letztlich, die Moral der Geschichte.
Und so ist es doch, oder? Klar gehört für mich ein Baum dazu – aber es wäre auch dennoch Weihnachten, wenn es den Baum schon sehr früh gäbe – oder gar nicht. (Lasst das nicht meine Eltern hören, die wollen eigentlich keinen Baum haben!)
6. Dezember – Türchen 1 – „Eine schreckliche Nacht“
Eine Schauergeschichte zu Nikolaus. Supi.
Nein, im Ernst, ich musste beim Lesen herrlich grinsen, auch wenn die Situation des Protagonisten alles andere als lustig ist: Er findet, als er nach einer Séance spätabends nach Hause kommt, einen Sarg in seiner Wohnung vor. Und auch bei einem Bekannten, zu dem er flüchtet, steht ein Sarg im Zimmer.
Diese Geschichte hat Anton Cechov wahrlich „hinterhältig“ geschrieben und die Auflösung war absolut genial. Was für ein schönes Nikolaus-Geschenk!
6. Dezember – Türchen 2 – „Herr Jesu“
Da „Früher war mehr Lametta“ 25 Geschichten/Gedichte enthält, habe ich mir für Nikolaus zwei davon gegönnt. Dass passt auch recht gut, da Türchen Nummer zwei ein Gedicht ist und somit von der Länge her ein gutes Pendant zur vorangegangenen Kurzgeschichte ist.
Das Gedicht selbst… nunja. Zugegebenermaßen kann ich damit weniger anfangen. Tenor des Gedichts ist, dass einmal im Jahr Jesus ins Haus gelassen wird um ihn reden zu lassen, während man eigentlich nicht hinhört. Das passt irgendwie zum kommerzialisierten Weihnachtsfest und doch tut es ein wenig weh. Als Christ ist mir Weihnachten immer ein besonderes Fest und auch wenn ich es im Alltag nur selten erwähne, ist mein Glaube für mich doch allgegenwärtig: Anderen Menschen helfen, freundlich und hilfsbereit sein und denen helfen, die weniger haben. Ich renne nicht jeden Sonntag in die Kirche (um ehrlich zu sein: Ich war schon lange nicht mehr dort), aber fand das Gedicht doch etwas traurig, weil es für Außenstehende so aussehen könnte, als würde Jesus auch bei mir erst zu Weihnachten bedeutsam sein. Und dann geht mir wieder durch den Kopf, dass meine Religion für mich Privatsache ist und niemanden etwas angeht.
7. Dezember – „Erika“
Erika. Ach Erika.
Die Geschichte von Elke Heidenreich habe ich mit einem permanenten Lächeln auf den Lippen gelesen. Das ist auch einer Dame aufgefallen, die mir in der Straßenbahn gegenüber saß und mich daraufhin auf das Buch ansprach. Die Idee dahinter fand sie klasse und wollte es sich für die nächste Weihnachtszeit merken.
Aber zur Geschichte: Erika ist ein riesiges Plüsch-Schwein und der Spontankauf der Protagonistin, die ebenso spontan zugesagt hat, zu einer ehemaligen Liebe zu reisen – an Heiligabend. Erika, so stumm und so sperrig sie auch sein mag, verändert auf der Reise so einiges, lädt zur Reflexion ein und führt schließlich zu einem ganz anderen Weihnachtsfest, als das ursprünglich geplant gewesen war. Klasse Geschichte!
8. Dezember – „Der Tannenbaum“
Als ich den Namen des Autors dieser Geschichte las, wurde mir klar, dass ich bisher noch nichts von ihm gelesen hatte: Hans Christian Andersen. Ist das ein Armutszeugnis meiner Belesenheit? Keine Ahnung – es gibt ohnehin zu viel Literatur, als dass ich alles von jedem auch nur ansatzweise bedeutenden Menschen lesen könnte. Dennoch machte mich dieser berühmte Name natürlich umso neugieriger auf das heutige Kapitel.
Weihnachten und die dazugehörigen Traditionen aus Sicht des Christbaums zu erleben ist definitiv mal etwas anderes und ich habe schnell gemerkt, weshalb Andersen so beliebt ist. Die Sprache ist schnörkellos und doch schön, man hat das Gefühl an einem knisternen Feuer zu sitzen und einem Geschichtenerzähler zu lauschen. Eine heiße Tasse Tee dazu und der Abend ist perfekt.
Fazit: Man muss nicht die Werke aller großen Namen kennen. Diese Anthologie hat aber schonmal eine Wissenslücke geschlossen und mich neugierig auf mehr von diesem Autor gemacht.
9. Dezember – „Einsiedlers Heiliger Abend“
Tag neun hielt wieder ein Gedicht bereit und Ringelnatz beschreibt darin auf tragisch-komische Weise einen heiligen Abend, der irgendwie aus dem Ruder läuft. Amüsant, irgendwie auch treffend und durchaus geeignet, es zu Heiligabend vorzutragen und die Verwandschaft ein wenig zu schocken – falls dieser Brauch in der ein oder anderen Familie noch gepflegt wird.
10. Dezember – „Ein milder Stern herniederlacht“
Fifty Shades trifft Weihnachtsidyll – so könnte man diese absurde und Lachanfälle hervorrufende Geschichte vielleicht auch beschreiben. Ingrid Noll beschreibt eine Domina, die keine Domina mehr sein will, sondern die (vermeintliche) Gemütlichkeit der Ehe wählt und ausgerechnet zu Weihnachten von ihren ehemaligen Freiern besucht wird, an denen der Sinneswandel scheinbar vorbeigegangen ist.
Dieses literarische Adventstürchen ist vielleicht nicht ganz jugendfrei, dafür aber herrlich komisch und mit einer grandiosen Wendung am Ende ein absoluter Kracher! Ingrid Noll steht nun bei mir auf der „mehr davon lesen“ Liste – wenn sie immer so schreibt, ist gute Laune garantiert!
11. Dezember – „Nicht nur zur Weihnachtszeit“
DIe bisher längste Geschichte dieser Anthologie (immerhin 46 Seiten inkl. Illustration) stammt von Heinrich Böll. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass sie sich ähnlich zieht, wie das Weihnachtsfest der beschriebenen Familie. Da die Tante des Erzählers einen Schreikrampf erleidet, wenn der Weihnachtsbaum abgeschmückt wird, wird kurzerhand jeder Abend zum heiligen Abend erklärt – selbst in der größten Hitze im Sommer. Was eigentlich tragisch und komisch zugleich sein könnte, wird auf Dauer leider ein wenig zäh. Der Herr Böll hätte sich da durchaus kürzer fassen können.
12. Dezember – „Eine genaue Untersuchung“
Die Geschichte von Tomi Ungerer (von dem auch die Titelillustration und weitere Zeichnungen im Buch stammen) war im Gegensatz zu Tag 11 wieder absolut nach meinem Geschmack. Die Frage, die in jeder Familie wohl irgendwann einmal gestellt werden muss – „Wer hat den Adventskalender geplündert?“ – wird hier so humorvoll und fair aufgelöst, dass man einfach nur schmunzeln kann.
13. Dezember – „Berties Weihnachtsabend“
Vom Autor, Saki (eigentlich Hector Hugh Munro), habe ich bisher noch nie etwas gehört und ich war neugierig, welche Geschichte mir präsentiert würde. Berties Weihnachtsabend handelt von einer russischen Sage (Tiere würden an Weihnachten um Mitternacht die Fähigkeit erlangen zu sprechen) und einem Menschen – Bertie – der (gelinde ausgedrückt) nicht so ganz der netteste Zeitgenosse zu sein scheint. Da der Weihnachtsabend weniger von Bertie handelt, als vielmehr von den Beobachtungen anderer, wie Berties Weihnachtsabend abläuft, ist der Titel etwas irreführend. Und irgendwie kann ich auch kein Urteil abgeben, ob mir diese Geschichte nun gefallen hat oder nicht. Das war eher die Kategorie „weder Fisch noch Fleisch“.
14. Dezember – „Weihnachtsüberraschung“
Andrej Kurkow nimmt uns mit auf die Reise eines jungen Pärchens, das sich nicht sicher ist, ob die Beziehung hält aber praktischerweise das Weihnachtsfest als Anlass zur Zeugung des Nachwuchses nutzen will. Klasse Idee, möchte man (leicht ironisch) meinen. Es wird aber noch besser – denn der abenteuerlustige Bruder der Mutter in spe lädt die beiden auf eine Reise ein, die sie in ein abgelegenes Dörfchen führt. So rätselhaft alles auch sein mag, nach und nach stellt sich dann doch echte Weihnachtsstimmung ein. Die Überraschung am Ende hat mir besonders gut gefallen – ebenso wie das leicht ironisch offene Ende.
15. Dezember – „Advent“
Es verbleiben nicht mehr viele Türchen und natürlich lag die Überlegung nahe, wann denn nun der Meister der hinterhältigen Geschichten, Loriot, zu Wort kommen würde. Türchen 15 ist die Antwort. Früher konnte ich mit Loriot nichts anfangen, mittlerweile mag ich einige seiner Werke. Dieses gehört nun dazu – ein mörderischer Reim kann aber auch nur überzeugen, nicht wahr? Ich musste sogar ein wenig an Sweeney Todd denken und grinse nun vor mich hin.
16. Dezember – „Die Weihnachtskarte“
Stellt Euch vor, Ihr bekommt eine Karte und kennt den Absender nicht. Genau auf dieses Gedankenspiel lädt Jason Starr ein. Wie eng unsere Welt vernetzt ist, wird nach und nach deutlich – auch, wenn wir uns das manchmal gar nicht wünschen. „Die Weihnachtskarte“ ist eine interessante Geschichte, die auch leise Kritik an der Oberflächlichkeit massenhaft verschickter Weihnachtskarten übt.
17. Dezember – „Groß-Stadt – Weihnachten“
Kurt Tucholsky geht immer, dachte ich mir bei diesem Gedicht – und er hat mich wieder nicht enttäuscht. Reimend stellt er Weihnachten dar und zeigt auf seine typisch bissige Art und Weise, wie aufgesetzt das Fest doch manchmal ist. Eigentlich schade, aber Tucholsky schreibt nunmal nicht, was sein soll, sondern wie es ist.
18. Dezember – „Zu Weihnachten tickt eine Uhr“
Dass Weihnachten auch ein Anlass für Streitigkeiten ist, wenn unterschiedliche Wertevorstellungen aufeinander prallen, zeigt Patricia Highsmith in der heutigen Geschichte: Ein Ehepaar. Sie – aus gutem Hause und wohlhabend, er – jemand, den man wohl als Selfmade-Man bezeichnen kann, jemand, der sich seinen Erfolg hart erarbeitet hat.
Als seine Ehefrau einem armen Geschwisterpaar hilft, verschwindet eine für den Ehemann wertvolle Uhr und diese Uhr zeigt, wie verschieden die beiden trotz des gemeinsamen Lebens immer noch sind. Während sie pragmatisch aber emotionslos den Neukauf einer ähnlichen Uhr vorschlägt und den Diebstahl zu relativieren versucht, versucht er die Diebe mit Hilfe der Polizei aufzuspüren und will um jeden Preis die Uhr zurück.
Beide Standpunkte sind sowohl nachvollziehbar, als auch in ihrer extremen Art unverständlich. Insbesondere der Unwille, auf den jeweils anderen zuzugehen hat mich überrascht.
19. Dezember – „Das Weihnachtsbäumlein“
Das Gedicht von Christian Morgenstern passt auf eine einzige Seite und zeigt doch, wie die passenden Worte berühren können. Das Bäumlein, das erst geschmückt und dann zum heizen verwendet wird, bringt auf beide Weisen Wärme ins Haus. Hinterhältig ist dieses Gedicht nicht wirklich, aber sehr schön.
20. Dezember – „Der Laubkehrer“
Muriel Spark hat eine sowohl berührende als auch merkwürdige als auch leicht gruselige Geschichte geschrieben. Der Laubkehrer, um den es hier geht, hat einst für die Abschaffung von Weihnachten plädiert. Zugegeben – die Gründe dafür sind etwas verworren. Und dann gibt es noch den Laubkehrer, den der Erzähler bei dessen Tante antrifft und der Weihnachten zu lieben scheint. Wie beides zusammenpasst und wie in gewisser Weise ein Mittelweg für den Laubkehrer gefunden werden kann, beschreibt Spark auf eine Art und Weise die auf Erzählungen älterer Sagen erinnert. Das passt sehr gut zur Weihnachtszeit und damit eignet sich diese Geschichte sehr gut, um sie gemütlich bei Kaffee oder Tee vorzulesen.
21. Dezember – „Weihnachten“
Das Gedicht von Urs Widmer erinnert mich an Mundart – „Jesus“ ist beispielsweise „Jes“ – und es nimmt Weihnachten und die Weihnachtsgeschichte auf beinahe liebevolle Art und Weise auf die Schippe. Herrlich!
22. Dezember – „Aspirin“
Okay. Ähm. Hä?
So in der Art liest sich die Geschichte von Philippe Djian, der von einem 70-Jährigen und einer 25-Jährigen erzählt. Sie hatte erst eine Fehlgeburt vor Weihnachten, dann brach sie sich den Arm beim Schmücken des Baumes. Und dann kamen irgendwelche anderen Menschen, brachten ihm ein Kind, schmückten das Haus, brachten ein Festmahl mit und sie will dann nicht mit ihm schlafen.
Ja, so wie Ihr jetzt guckt, hab ich beim Lesen auch geguckt. Irgendwie hab ich entweder etwas verpasst, oder aber die Geschichte ist wirklich so… nunja, abgefahren.
23. Dezember – „Der Stern“
Was für ein schönes, wenn auch sehr kurzes Gedicht! Wilhelm Busch ist hier gar nicht so hinterhältig wie man ihn kennt oder wie der Buchtitel eigentlich verspricht und doch endet das Gedicht anders als man es erwarten mag.
24. Dezember – „Weihnachten heißt Schenken“
Schenken und „hinterhältig“, passt das zusammen? Ja, wenn es um niedere Beweggründe für Geschenke geht. David Sedaris beschreibt, wie zwei benachbarte Ehepaare sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchen und letztlich in ihren Entscheidungen immer extremer und abstruser werden. Besinnlich ist definitiv anders und ein gutes Ende nimmt das dann auch nicht wirklich – für keinen der Beteiligten – aber es lädt zum Nachdenken über den Trend „mehr, mehr, mehr“ an Weihnachten ein.
Fazit:
Dieses Buch überrascht und regt zum Nachdenken an und eignet sich wunderbar als Adventskalender. Ein paar Geschichten fand ich aber dann doch zu abstrus für meinen Geschmack. Nächstes Jahr gibt es vermutlich wieder „schöne“ und „harmlose“ Diogenes-Geschichten.
4 von 5 Sternen.
Mehr zum Buch*
- Preis: 10 €
- Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
- Verlag: Diogenes (Link zur Hörbuchausgabe, die glitzernde gebundene Version habe ich auf der Diogenes Homepage leider nicht gefunden
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3257068441
- ISBN-13: 978-3257068443
Hallo!
Ach, die weihnachtlichen Kurzgeschichtensammlungen sind immer wieder was tolles! ich bin zwar nicht mit jeder zufrieden, aber das ist auch irgendwo klar. Nicht jeder Autor kann es einem Gerecht machen!
Ich finde die Idee mit dem Kalender klasse und ich hätte an sich wirklich Lust mitzumachen, aber leider habe ich mir jetzt schon zwei andere Sammlungen aus dieser Reihe zugelegt & jetzt müssen erst mal die weg! Dennoch wünsche ich dir viel Spaß & ich bin schon gespannt auf deine Meinung! Übrigens, ich hoffe du hast nichts dagegen, dass ich deinen Beitrag unter meiner Rezension zum Nachfolger verlinke 😉
Viele liebe Grüße,
Pia!
Liebe Pia,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich hatte eigentlich nicht beabsichtigt, dass meine Leser sich das Buch direkt kaufen und quasi parallel lesen sollen – das ist aber durchaus eine tolle Idee. Merke ich mir für nächstes Jahr 😉 Natürlich reicht es aus, wenn – nur wer mag! – hier ab und an vorbeischaut und mitliest / kommentiert, welche Eindrücke ich festhalte. Ich bin auch sehr gespannt, wie viele der Kapitel meinen Geschmack treffen. Im vergangenen Jahr, bei „Lichterloh“ hatte ich glaube ich eine 99% Ausbeute 🙂
Also: Ich bin gespannt und ich hoffe, wir lesen uns!
Liebe Grüße
Sarah
PS: Klar ist der Link okay 😀 Ich stöber gleich mal bei Dir! Danke!
Pingback: „Früher war noch viel mehr Lametta – Hinterhältige Weihnachtsgeschichten“ – pialalama.
Liebe Sarah,
was für ein wundervolles Projekt! Ich bin sehr gespannt auf deine kleinen täglichen Gedanken zu den Texten und wünsche dir unterhaltsame Stunden.
Wäre ich zeitlich nicht so eingespannt, würde ich einsteigen … aber vielleicht ergibt sich ja im nächsten Jahr die Gelegenheit zur Wiederholung (dann natürlich mit einem anderen Buch).
Liebe Grüße
Kathrin
Liebe Kathrin,
irgendwie hab ich das wohl ein bisschen missverständlich formuliert: So spontan würde ich niemandem zumuten, sich das Buch zu kaufen und parallel zu lesen. Es ist aber eine tolle Idee, die ich mir definitiv für nächstes Jahr merke 😀
Also: Ich hoffe, Du liest hier einfach so mit und ich bin gespannt auf Deine Reaktionen zu meinen Reaktionen 😀
Liebe Grüße
Sarah
Liebe Sarah,
das klingt nach einer sehr schönen Adventsaktion! Ich wünsche dir ganz viele Leser und Kommentierwillige und habe dein Adventstagebuch deshalb in meine Adventskalender-LISTE eingetragen.
GlG vom monerl
Hallo Monerl,
vielen Dank für Deinen Kommentar und auch für die Verlinkung! Da stöbere ich doch direkt mal zu Dir rüber 🙂
Liebe Grüße
Sarah
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