Rezension: „Du sagst es“ (Connie Palmen)

Wenn ich etwas über eine bekannte Persönlichkeit herausfinden möchte, ist mein erster Gedanke – trotz Internet und all den Recherchemöglichkeiten – ein Buch zur Hand zu nehmen. Oftmals sogar eine Biografie, schließlich befassen sich Biografen intensiv mit dem Leben und Wirken einer Person, beleuchten deren Einfluss und Persönlichkeit aus verschiedenen Blickwinkeln und tragen so viele relevante Fakten wie möglich zusammen. Sicher: Auch die ausführlichsten Biografien können niemals die komplette Vielschichtigkeit eines Menschen abbilden – aber es ist ein guter Ausgangspunkt.

Meist weiß ich aber schon etwas über die jeweilige Person, bevor ich die Biografie lese – auch wenn es nur die groben Eckdaten sind. Allerdings bin ich selten so unbedarft an das Lesen eines Buches über echte Menschen herangetreten, wie bei „Du sagst es“.

Vielen Dank an den Diogenes Verlag für das Vertrauen in meine unbedarfte Herangehensweise und natürlich auch das Rezensionsexemplar.

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Nicht auf dem Bild sichtbar: Zig Lesefähnchen (Foto: Privat)

Inhalt:

Sylvia Plath und Ted Hughes: Ihre Namen sind unzertrennbar miteinander verwoben. Sie waren ein Liebespaar – ein Ehepaar – und beide prägten mit ihrer Arbeit nachhaltig die Literatur. Dennoch verbindet sie nicht nur die Liebe, die gemeinsame Arbeit und der daraus resultierende Ruhm. Vielmehr wird ihre ganz persönliche Geschichte berühmt durch den Selbstmord von Sylvia Plath.

Ted Hughes hat sich nie zu diesem tragischen Wendepunkt in seinem Leben geäußert, der von allerlei Weggefährten und Biografen als derjenige dargestellt wurde, dem die Schuld am Selbstmord seiner Frau anzulasten ist. In dieser fiktiven Autobiografie lässt Connie Palmen Ted Hughes seine Version der Geschichte erzählen.

Mein Eindruck:

Für die meisten Menschen existieren wir, meine Braut und ich, nur in Büchern.

(S. 7, Leseexemplar)

Für mich haben – bis auf die mir vage bekannten Namen – Ted Hughes und Sylvia Plath bisher beinahe gar nicht existiert. Das mag eine für eine Buchbloggerin sogar eklatante Wissenslücke sein, aber auch deshalb wollte ich die Gelegenheit nutzen, mich näher mit ihrem Leben zu befassen. Zugegebenermaßen hatte ich zunächst ein wenig Angst vor meinem eigenen Mut, mich den beiden auf diese Art und Weise zu nähern, zumal fiktive Autobiografien nun einmal immer fiktiv bleiben. Dennoch: Ich war neugierig auf diese Menschen und ihr Leben – vor allem, da sie es der Literatur verschrieben hatten.

In aller erster Linie ist Connie Palmens Buch ein literarisches: Wunderschön gestaltete Sätze sorgen dafür, dass man das Gefühl hat, Ted Hughes würde gegenüber sitzen und die eigene Lebensgeschichte Revue passieren lassen. Es sind intime Gedanken eines Mannes, der ahnte, die Liebe seines Lebens zu verlieren – und diesem drohenden Verlust machtlos gegenüber zu stehen.

Die verschachtelten Nebensätze, die eingefügten Aufzählungen und die ausgefeilte Wortwahl lassen keinen anderen Eindruck zu, als eine berührende wie auch tragische Geschichte direkt von einem Poeten zu hören. Die Worte, die Connie Palmen Ted Hughes in den Mund legt, sind mal sanft – erscheinen beinahe wie die leichte Berührung eines Geliebten – und sind dann wieder messerscharf und vermitteln all die Bitterkeit und Frustration, die auch nach Jahren nie vergehen wollten.

Das Gedächtnis ist von Natur aus literarisch. Es bedient sich tatsächlicher Ereignisse und lädt sie metaphorisch auf, verleiht dem wirklich Geschehenen auf der hartnäckigen Suche nach einer Erzählung, in die es sich bergen lässt, symbolisches Gewicht.

(S. 139, Leseexemplar)

Kann eine fiktive Autobiografie wiedergeben, wie die wahre Persönlichkeit des Menschen war? Sicherlich nicht – keine Biografie vermag das. Ich bezweifle sogar, dass irgendjemand die eigene Persönlichkeit voll und ganz darstellen könnte. Connie Palmen nutzt die bekannten Eckpunkte aus dem Leben von Sylvia Plath und Ted Hughes – ihre Aufenthalte in England und Amerika, ihre Reisen, ihre Umzüge – setzt diese in Beziehung zu weiteren Eckpunkten aus ihrem Schaffen – aus Tagebüchern, Briefen und Poesie – und verbindet alles mit einer Leichtigkeit, die den Leser sofort in ihren Bann schlägt.

Man könnte befürchten, dass – da es sich um die Sichtweise Ted Hughes‘ handelt – Sylvia Plath in dieser Betrachtung nicht besonders gut wegkommt. Und sicher: Es gibt Passagen, in denen ihr ambivalenter und sprunghafter Charakter in einem beinahe düsteren Licht dargestellt. Dennoch spürt man in jeder Zeile des Buches die Liebe, die Hughes empfunden haben muss, ebenso wie die Faszination, die diese ganz besondere Persönlichkeit auf ihn ausgeübt hat.

Fazit:

Ted Hughes hat nie sein Schweigen über den Selbstmord seiner Frau und dessen Rezeption in der Welt gebrochen. Connie Palmen gelingt es, genau diese „Was wäre wenn“-Situation darzustellen. Eindringlich und sensibel für die vielschichtigen Gefühle stellt Palmen die Geschichte eines der berühmtesten Ehepaare der Literatur dar und ermöglicht denjenigen, die mit deren Werk vertrauter sind einen neuen Blickwinkel – zeigt aber auch Neulingen wie mir, welche Faszination diese beiden Personen ausüben.

5 von 5 Sternen.

Mehr zum Buch:

  • Preis: 22 €
  • Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
  • Verlag: Diogenes
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 325706974X
  • ISBN-13: 978-3257069747
  • Originaltitel: Jij zegt het

 

 

Ein Gedanke zu “Rezension: „Du sagst es“ (Connie Palmen)

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