Rezension: „Der Trick“ (Emanuel Bergmann)

Dieses Buch hat mich schon sprachlos gemacht, bevor ich überhaupt begonnen habe, es zu lesen. Jule und ich waren sehr häufig am Stand des Diogenes Verlags auf der Leipziger Buchmesse und haben dort nicht nur unsere Sammlung der Bücher von Benedict Wells erweitert, sondern auch die anderen Bücher bestaunt. Immer wieder blieben wir beide an „Der Trick“ hängen. Für mich war jedoch auch klar, dass ich mir leider keine weiteren Bücher von der Messe würde mitbringen können – mein Konto lag sowieso schon im Koma. Doch dann drückte uns eine der netten Verlagsmitarbeiterinnen je ein Leseexemplar in die Hand. Vielen Dank an dieser Stelle nicht nur für das Buch – und die wunderbaren Lesestunden – sondern auch für die schönen Buchmessemomente.

image2

(Foto: Privat)

Inhalt:

Mosche Goldenhirsch ist Sohn eines Rabbis und lebt in Prag. Eines Tages, es ist das Jahr 1934, verliebt er sich in eine persische Prinzessin und läuft von Zuhause weg. Im Zirkus lernt er dann alles über Illusionen: Die Illusion der jungen Berlinerin, die in der Manege zur Prinzessin wird, die Illusion des abenteuerlichen und glamurösen Zirkuslebens und wie man es schafft, das Publikum mit Illusionen zu verzaubern. Max Cohn lebt in Los Angeles, im Jahr 2007 und seine Eltern wollen sich scheiden lassen. Max flüchtet sich in die Hoffnung, ein Zauberer könne seine Eltern wieder versöhnen. Der große Zabbatini, von dem er durch Zufall eine Schallplatte findet, soll seine Welt wieder in Ordnung bringen.

Mein Eindruck:

Für mich sind Geschichten, in denen sich zwei Handlungsebenen erst nach und nach überschneiden immer etwas schwierig. Oft frage ich mich dann beim Lesen, wann sich die Protagonisten denn nun treffen und das eine Leben Auswirkungen auf das andere hat. Nicht so bei diesem Buch. Schon auf der ersten Seite zog mich die Sprache Emanuel Bergmanns in ihren Bann.

Er hatte nach Jahren des Lernens und Lehrens, eine ungefähre Vorstellung davon, wie die Welt war, aber vor allem, wie sie eigentlich hätte sein sollen.

(S. 5)

Es ist eine klare, eindringliche und schnörkellose Sprache, die jede Situation real wirken lässt. Das macht es stellenweise nicht leicht, dieses Buch zu lesen, spielt es doch zur Zeit des Dritten Reichs. Bergmann schafft es jedoch, die Grausamkeiten der Nazis so zu beschreiben, dass man sich als Leser nie in diesen Gräueltaten verliert und auch die Szenenwechsel helfen dabei, zwischen diesen fordernden Sequenzen ein wenig Luft holen zu können. Sowieso sind die einzelnen Szenen und die jeweiligen Blickwinkel der Figuren wunderbar ineinander verwoben. Anstelle des üblichen Bruchs, der beim Wechsel von einer in die andere Handlungsebene auftreten kann, wird bei einem neuen Kapitel stets der rote Faden aufgegriffen – auch wenn zwischen den jeweiligen Kapiteln mehrere Jahrzehnte liegen.

Auffallend ist auch die Ähnlichkeit zwischen Mosche und Max. Ohne zu viel zu verraten, kann ich doch sagen, dass es wunderbar gelungen ist, nicht nur Parallelen in die Persönlichkeit, sondern auch in die Handlungen der beiden einzuflechten. Gleichzeitig gibt es aber auch so viele Gegensätze, dass keine der Figuren wie der bloße Abklatsch der anderen wirkt. Max und Mosche stellen zudem einen perfekten Gegenpol zu Max‘ Eltern dar. Während erstere ihren kindlichen Glauben an etwas abseits der banalen Realität behalten möchten, sind letztere hiervon beinahe überfordert. Max‘ Eltern leben in einer nüchterneren Welt und es wird schnell deutlich, dass ihre Lebenserfahrung ihnen jede Illusion genommen hat.

Manche Bücher sind bekanntermaßen Charakterstudien der Hauptfigur. „Der Trick“ kann dagegen als eine Studie in Beziehungen bezeichnet werden. Egal ist dabei, in welcher Zeitebene man sich befindet: Die Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern. Die Beziehung von Eltern zueinander. Die Beziehung von Kindern zu völlig fremden Personen. –  Zwar liegt der Fokus auf Mosche und Max, dennoch bindet Bergmann auch die Blickwinkel und Hintergründe anderer Figuren ein und sorgt so dafür, dass keiner der Charaktere blass bleibt. Durch die detailreichen und exakten Beschreibungen kann man sich als Leser sofort in jede Situation hineinversetzen. Man leidet mit den Figuren und lacht mit ihnen.

Fazit:

Genau diese Leichtigkeit, mit der Emanuel Bergmann den Leser mit auf die Reise nimmt, ist es, die das Thema des Buches besonders eindrucksvoll aufgreift: Man liest ein Buch über Illusionen und stellt fest, dass der Autor selbst ein grandioser Illusionist ist. Er lässt die Charaktere durch den Raum schweben, zeigt, dass in so mancher Situation doppelte Böden zum Einsatz kommen und letztlich möchte man nicht, dass sein Auftritt in der Manege endet. Man möchte weiter verzaubert werden, Seite für Seite.

5 von 5 Sternen.

Mehr zum Buch:

  • Preis: 22 €
  • Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
  • Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (24. Februar 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3257069553
  • ISBN-13: 978-3257069556

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert