Ein etwas anderes Interview (A different kind of interview)

Normalerweise stelle ich Euch auf diesem Blog Bücher vor und ab und an auch ein Interview mit einem Autor. Dieser Beitrag ist ein wenig anders – das sagt schon die Überschrift. Als ich nämlich am Freitagabend den Abschied eines Kollegen auf Arbeit gefeiert habe, habe ich mich dort auch mit einem unserer Gastwissenschaftler unterhalten und wir kamen auf mein Blog zu sprechen. Am Welcome Center der TU Dresden gibt es viele Gastwissenschaftler, die wir betreuen – aber nur einen DJ. DJ ist sein Spitzname, was mir entgegenkommt, denn seinen Vornamen kann ich leider noch immer nicht korrekt aussprechen. Er stellte mir im Laufe des Abends einige knifflige Fragen und nicht auf alle fiel mir direkt eine Antwort ein. Aber ich hatte ihm gegenüber schon angekündigt, dass ich darüber bloggen werde, weshalb ich hiermit einige Antworten nachreiche. Damit auch er es verstehen kann, ist dies der erste zweisprachige Blogbeitrag – hoffentlich ohne allzu viele Fehler. Eine kurze Anmerkung: Ich bin keine Übersetzerin – ich paraphrasiere also ein wenig.

I usually blog about books by posting reviews or interviews with writers. This blogpost, however, is a bit different – just like the headline says – and here’s why: Last Friday, there was a farewell party for a colleague at the TU Dresden Welcome Center, where I work. One of the guests was one of the guest researchers who came to Dresden quite some time ago and is a dear friend of the Welcome Center: DJ. Unfortunately, I still can’t pronounce his name correctly, so – for me – it’s easier to call him by his nickname. We talked for a bit and somehow approached the subject of me blogging about books. He asked me some very interesting – and difficult – questions, which I’d now like to answer, just as I had promised. This blog entry will be a bit longer than usual, because I’m trying to (sort of) translate it so that DJ and other friends of the Welcome Center can read it. Please keep in mind that English is not my mother tongue, I am my own proofreader and there will be mistakes – hopefully only a few.

Was ist dir bei einem Buch wichtiger – Geschichte oder Charakter? / What’s more important to you in a book – the storyline or the character?

Zunächst fragte DJ, ob die Bücher, die ich lese – die ja unterschiedlichen Genres entstammen – einen gemeinsamen Nenner haben. Für mich war sofort klar: Interessante Charaktere müssen dabei sein. Dann stellte er mir die obige Frage und nun, nach längerem Nachdenken ist das durchaus keine leichte Entscheidung. Ich bleibe jedoch bei meiner ursprünglichen – schnellen – Antwort: Der Charakter oder die Charaktere eines Buches sind wichtiger.

Ich denke, jede Figur ist eine Geschichte für sich selbst, die durch ihre Persönlichkeit erzählt wird. Wenn ein Autor die Persönlichkeit eines Charakters sehr gut herausarbeitet und sie in der Handlung deutlich werden lässt, wird durch diese Persönlichkeit die Geschichte viel interessanter und zugänglicher als mit Figuren die flach und farblos bleiben. Auch die beste Idee für eine Geschichte, kann sich mit schlecht ausgearbeiteten Charakteren einfach nicht wirklich entfalten. Figuren, deren Persönlichkeit für mich als Leser „greifbar“ ist, erzählen hingegen ihre eigene Geschichte in der eigentlichen Handlung. Und das ist es, was Lesen für mich so spannend macht.

DJ’s first question was, if the books I read have a common denominator despite being from so many different genres. I answered immediately that I try to find books with interesting characters. Then he asked me the question you can read above and after thinking about it for a bit now, I have to say that it’s not an easy one. Nevertheless, my first answer still stands: It’s the characters – or the single character – that are more important.

For me, a character is a storyline in its own thats told through their personality. If an author manages it to present this personality in detail within the story, then the story becomes much more interesting and accessible than with characters that stay bland and shallow. Even the best idea for a story won’t really work if you only have characters whose personality you can’t grasp. Interesting personalities however, tell a story within the book’s storyline – and that’s what makes reading really interesting for me.

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(Foto: Privat)

Welche Buchfigur möchtest du treffen? Was würdest du für sie kochen und welche drei Fragen würdest du ihr stellen? / Which character would you like to meet? What would you cook for them and if you had three questions – which would they be?

DJ stellte mir alle drei Fragen auf einmal – keine leichte Aufgabe! Zunächst musste ich mich entscheiden, welche der vielen Buchfiguren, die ich bisher kennenlernen durfte, zu einem Abendessen eingeladen werden sollte. Spontan entschied ich mich, ihr ahnt es sicher schon, für meinen Kindheitshelden: Harry Potter. Ich war neun Jahre alt, als ich die ersten zwei Bücher bekam, 17 als ich die letzten Seiten der Saga las – und bin noch immer ein großer Fan.
DJ verriet uns, dass er die Bücher übrigens nicht gelesen hat und am Tisch diskutierten wir alle angeregt, dass jeder so seine Lieblingsbücher hat und man ganz viele Erinnerungen mit ihnen verbindet. Das gab mir auch die Gelegenheit über ein Gericht nachzudenken, welches ich für Harry Potter auftischen würde. Um meinen Kindheitshelden nicht doch aus Versehen umzubringen, entschied ich mich spontan für meine Paprikapfanne – die schmeckt immer gut und ist sehr leicht zuzubereiten.
Doch welche Fragen würde ich Harry stellen? Gar nicht so einfach, das zu entscheiden. Und zugegebenermaßen kann ich mich nur noch an meine erste Frage erinnern und nicht an die zwei weiteren. Ich war am Freitag wohl doch müder als gedacht. Deshalb denke ich mir jetzt spontan die zwei anderen Fragen für Harry aus.
An die erste Frage kann ich mich jedoch gut erinnern: Zunächst würde mich wohl interessieren, was für Socken er nun gerne trägt. Ich kann mir gut vorstellen, dass er durch Dobby nun ein anderes Verhältnis zu diesen Kleidungsstücken hat.
Die zweite Frage wäre, ob er rückblickend irgendetwas anders tun würde, wenn er könnte bzw. an welcher Stelle er eingreifen und seine Vergangenheit ändern würde, gäbe es nur eine Chance dafür. (Ich tippe darauf, dass er eines der Kriegsopfer retten würde.)
Die dritte Frage wäre, was er sich für die Zukunft wünscht, von der er dachte, er würde sie niemals haben: Seine Rente.

DJ asked me all three questions at once – which was quite the challenge, to be honest. First of all, I had to decide which character of all the books I’ve read, I should invite for dinner. My decision was quick, and you might’ve suspected it already: Harry Potter, the hero of my childhood.I had been nine years old when I got the first two books as a Christmas gift, 17 when the story ended – and I am still as much a fan as I had been during those eight years.
DJ told us that he never read the books and we all talked about favorite books we become nostalgic about because there are so many memories connected to them. This discussion gave me enough time to think about what kind of dinner I’d prepare, as I wouldn’t want to accidentally kill Harry Potter with something too complicated for my cooking skills. Eventually, I decided on something like a curry with lots of bell pepper and rice in it. That’s tasty and easy enough to cook.
Even more difficult was the question about which questions to ask Harry. To be honest, I only recall the first question – I was way too tired on Friday and somehow my brain deleted questions two and three. This is why I make them up now.
The first question would be about Harry’s socks. In my imagination, socks would be special to Harry because of Dobby and I sometimes wonder if he now looks at them differently. (Yes, I do spend some of my freetime speculating about the fictional life of fictional people.)
Question two: I’d ask Harry if – looking back – he’d do something differently and what he’d change if he could change one thing about the past. (My bet is on saving one of the victims of war.)And my third question would be about his dreams and wishes for his future – a future he‘ surely thought he’d never have: His retirement.

Dürfte Harry Potter mein Essen magisch verbessern? / Would Harry Potter be allowed to magically improve the meal I cooked?

Wir haben in einer netten Runde an der langen Tafel, die mein Kollege aufgebaut hat, gesessen und uns abwechselnd über Politik, Bücher oder Harry Potter unterhalten. Irgendwie kamen wir dann auf die Frage zu sprechen, ob man Essen einfach aus der leeren Luft herbeizaubern könnte. Ähnlich wie Hermine es wohl getan hätte, habe ich diese Frage prompt mit ’nein‘ beantwortet, da die Gesetze der Magie es unmöglich machen. Ich habe außerdem erzählt, dass dieses Gesetz in Buch sieben genannt wird und, dass – wie man in „Geschichte Hogwarts'“ nachlesen kann – es unmöglich ist innerhalb der Ländereien von Hogwarts zu apparieren oder zu disapparieren. Ja ich bin ein Nerd und ich stehe dazu.
Jedenfalls: DJ fragte mich, ob ich, wenn Harry mein Essen verbessern wollte, ich es ihm erlauben würde. Ich sagte sofort, dass ich das natürlich erlauben würde, aber DJ widersprach. Für ihn sind Gäste, die das Essen verbessern wollen, das man für sie vorbereitet hat, äußerst unhöflich. Er würde das also nicht wollen. Ich gebe ihm recht: Das ist sehr unhöflich, aber meine spontane Zustimmung war anders gemeint: Ich würde Harry bitten, erst das Essen zu probieren und dann zu sagen, wie er es findet. Für mich ist diese Rückmeldung sehr wichtig, da ich gerne meine Fähigkeiten in der Küche verbessern möchte. (Das ist ein unschöner Konflikt, denn ich mag auch äußerst höfliche Gäste.) Ich würde Harry also erlauben, das Essen zu verbessern, um zu sehen, was er verändern würde und natürlich auch – und hier spricht wieder mein innerer Nerd – um zu sehen, wie er Magie verwendet.

As we were sitting there on a long table and sometimes talking about politics or books or even Harry Potter, we somehow started discussing if you could magic up food from thin air. Just like Hermione, I answered that question with ’no‘, because it’s one of the laws of magic that it’s impossible to do so. I even told them that this law is mentioned in book seven and that, according to ‚Hogwarts – A History‘ you can’t apparate or disapparate within the grounds of Hogwarts. Yes, I am a nerd and I like it.
Anyway: DJ asked me if Harry would want to improve the meal I cooked for him – would I allow him to do so? My immediate answer was ‚yes‘ – but DJ protested. He said, that guests who asked to improve the meal that’s been cooked for them are very impolite and that he wouldn’t want it. I have to agree – it is quite rude! – but my immediate agreement was meant differently: I’d ask Harry to try the meal first and to tell me what he thinks about it. For me, this kind of honesty is important because I’d like to improve my skills. (Which is quite the conflict, because I like my guests to be polite, too.) So I’d allow Harry to improve the dish to find out what kinds of changes he’d make and – and this is my inner nerd talking again – to see him perform magic. 

Alles in allem, war der Abend zwar viel zu kurz aber wunderschön und ich habe die angeregten Diskussionen sehr genossen (und das Essen natürlich auch). Besonders spannend fand ich, wie wunderbar DJ über Bücher diskutieren kann, die er nicht gelesen hat. Ich habe noch nie mit jemandem, der Harry Potter nie gelesen hat, so viel Spaß bei einer Diskussion über Harry Potter gehabt. Dankeschön DJ! / All in all, the evening was way too short but I really enjoyed the discussions (and the food, too). Particularly interesting is DJ’s ability to talk about books he never read. I’ve never had a discussion on Harry Potter with someone who has never read Harry Potter and still had so much fun. Thank you very much, DJ!

 

8 Gedanken zu “Ein etwas anderes Interview (A different kind of interview)

  1. Huhu 🙂
    Ein sehr sehr sehr interessanter Beitrag. Ich hätte auch Harry eingeladen. Oder vielleicht sogar America Singer aus Selection. Aber es würde wohl wie bei dir Harry werden.

  2. Ich hätte Snape eingeladen! Auf jeden Fall! Ich finde die Fragen echt alle super interessant… Ich hätte auch gerne Voldemort eingeladen aber das würde wahrscheinlich nicht so gut für mich enden:D

  3. Ein schöner und etwas anderer Beitrag :D.. und dieser Abend klingt wirklich wundervoll!
    Auch wenn ich ebenfalls Harry Potter Fan bin (wer ist das schon nicht?) war mein erster Gedanke Jane Eyre, mein zweiter Antigone. Jaja, mein Gehirn geht seltsame Wege…
    Aber ich muss wirklich sagen, dass ich die Fragen alle sehr gut finde: Schräg und schwierig zu beantworten, definitiv mein Geschmack

    • Dankeschön! Welche Fragen hättest Du denn Jane und Antigone gestellt? Ich wäre zwar nie auf gerade diese Charaktere gekommen, aber stelle mir solche Abende durchaus spannend vor!

  4. huch, jetzt habe ich über all dem Schwärmen doch tatsächlich vergessen, meinen Kommentar zu „Letters of Note“ zu schreiben… Ich habe es noch nicht gelesen, liebe aber die Show, die davon inspiriert ist: „Letters Live“(„the enduring power of literary correspondence“ zusammen mit Tom Hiddleston, Benedict cumberbatch und anderen meiner Lieblingsschauspieler? Geht immer!).
    Wie gefällt dir „Letters of note“ bisher? Und gibt es demnächst auch dazu einen Beitrag?

    • Ach, gar kein Problem – ich hab ja auch fast vergessen, beide Kommentare zu beantworten 😉

      „Letters of Note“ ist ein ganz bezauberndes Buch, das ich aber nur in kleinen Dosen vertragen kann. Meist sind die Briefe sehr emotional oder regen mich stark zum Nachdenken an – deshalb wird es zwar eine Rezension geben, aber ich kann Dir noch nicht versprechen, wann. Es ist auch ein Buch, für das man sich Zeit lassen und Zeit nehmen muss. Wie gut, dass ich bald eine Woche Urlaub habe 😉

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