„Lasst mich doch mal in Ruhe!“
Diese Aussage habe ich in den letzten Wochen mit zunehmender Vehemenz immer häufiger in unterschiedlichsten Formulierungen wiederholt und nach mehreren gescheiterten Versuchen, hatte ich vorhin – ich schreibe diese Zeilen am Freitagnachmittag – zum ersten Mal seit zu langer Zeit ein paar Stunden nur für mich. Und zwar so, dass nicht direkt im Anschluss an etwas „Freizeit“ gleich der nächste Termin folgen würde. Nein, auch mein Abend ist frei. Sogar das ganze Wochenende steht mir komplett zur Verfügung, ohne, dass ich irgendwelche feststehenden Pläne hätte. Und so sehr Pläne mit Familie und Freunden auch schön sind, so sehr wurde mir doch in den letzten Tagen und Wochen immer wieder bewusst, wie viel Zeit ich noch immer nur für mich brauche. Zeit, in der ich durchaus auch mal allein sein muss. Was paradox ist, habe ich doch in den vergangenen zwei Jahren sehr unter dem Alleinsein gelitten.
„Allein“ heißt auch das neue Buch von Daniel Schreiber und bis zu diesem Buch wusste ich gar nicht, wie sehr ich seine Zeilen gebraucht habe.
Vom Alleinsein
Vor zwei Jahren brach ich mir das Bein und neben all der Angst, Unsicherheit und den Schmerzen, die damit einhergegangen sind, verbrachte ich auch sehr viel Zeit vor allem mit dem Alleinsein. Plötzlich war ich nicht mehr im Büro von Kolleg*innen umgeben, nicht mehr im Kampfkunstunterricht mit den anderen Schüler*innen, nicht mehr mit Freund*innen im Kino oder shoppen oder…
Kommt Euch bekannt vor? Richtig. Im März 2020, ironischerweise als mein Bein gerade so weit war, dass man es wieder halbwegs „richtig“ benutzen konnte, kam für uns alle diese merkwürdige Zeit, die irgendwie mal mehr oder weniger andauert.
Wieder war ich allein.
Beide Male, Ende Oktober 2019 und in der Pandemie, war das kein selbstgewähltes Alleinsein, sondern eine vor allem physische Einsamkeit. Meine Freund*innen, meine Familie – all diese liebgewonnenen und so wichtigen, mich im wahrsten Sinne tragenden Menschen, waren ja immer noch da. Zumeist eben online. Und trotzdem lebte ich halt ohne sie. Die Einsamkeitsformen, die ich dabei spürte, waren komplex und vielschichtig und mir fehlten beide Male im wahrsten Sinne die Worte.
Worte, die Daniel Schreiber – wie auch immer er das gemacht hat – fand.
In vielen Zeilen erkannte ich mich wieder, zog Parallelen zwischen den Erfahrungen des Autors und meinen eigenen und obwohl unsere Leben auf den ersten Blick sehr verschieden sind, fand ich vor allem Gemeinsamkeiten.
Mich beeindruckte dabei, wie ehrlich Daniel Schreiber über sein Leben reflektiert und auch die schweren Zeiten offenlegt. Dabei ist er ebenso ehrlich wie auch respektvoll zu sich selbst. Ja, es gibt Schattenseiten. Aber die gehören zu jedem Leben.
Einsamkeit und Alleinsein verbindet uns alle
Den Spruch, man könne ja „gemeinsam alleine“ sein, kennen wohl viele. Im Kern ist die Aussage durchaus wahr: Einsamkeitserlebnisse sind häufig und weit verbreitet. Wir alle, die wir uns teils auf engem Raum diesen Planeten teilen, sind immer mal alleine oder gar einsam.
Geschickt zeigt Daniel Schreiber, wie Autor*innen aus verschiedenen Zeiten mit diesem Thema umgegangen sind, was Philosophie und Psychologie zum Thema Einsamkeit zu sagen haben. Dabei geht er auf die positiven wie auch auf die negativen Seiten des Alleinseins ein und auch auf das Leben ohne Partner*in in einer Gesellschaft, die darauf fixiert ist, dass nur ein Leben in Partnerschaft ein gutes Leben ist. Dem ist nicht so. Auch das zeigt Daniel Schreiber – ohne den Wunsch nach einer Person, mit der man das Leben teilt, zu negieren.
Daniel Schreiber hat keinen Ratgeber geschrieben, der erklärt, wie man mit dem Alleinsein und der Einsamkeit umgehen soll. Aber er zeigt, dass man damit leben kann. Er sagt nicht, welche Wege für alle aus der Einsamkeit führen können, sondern, dass all unsere Wege manchmal von Einsamkeit geprägt sind. Er beschönigt nichts, aber zeigt, dass Alleinsein durchaus schöne Seiten zutage fördern kann. Und auch, dass man manchmal mit sich selbst allein sein muss, um Kraft zu schöpfen und zu wachsen. Genau dieses Alleinsein habe ich für das Wochenende gewählt und darin liegt vermutlich auch der große Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit – zumindest für mich. Das eine ist selbstgewählt, das andere entzieht sich meiner Kontrolle.
Mein liebstes Zitat zu diesem Thema stammt aus „Vom Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells:
„Das Gegengift zu Einsamkeit ist nicht das wahllose Zusammensein mit irgendwelchen Leuten. Das Gegengift zu Einsamkeit ist Geborgenheit.“
(Benedict Wells)
Ich glaube, am ehesten kann man Daniel Schreibers Betrachtungen auf das Alleinsein mit „achtsam“ umschreiben. Er verurteilt nicht und so habe ich mich in seinen Worten oft geborgen gefühlt. Nach der Lektüre saß ich zwar noch immer allein mit dem Buch in der Hand da, aber ich war nicht einsam.
„Allein“ ist entgegen der Assoziationen mit dem Titel ein tröstliches Buch. Ein Buch, das – ganz ohne Ratschläge, erhobene Zeigefinger oder moralische Vorgaben – hilft. Es ist ein Buch, das in den Teil des Bücherregals gehört, in dem man in den weniger schönen Momenten nach Halt suchen geht.
Liebe Sarah,
das Buch von Daniel Schreiber lese ich gerade und bin bei der Hälfte. Es unterstützt mich sehr und ich erkenne mich in manchem wieder. Ein schönes kleines Buch. Sein Buch „Zuhause“ hatte ich auch gleich von Ludwig (ocelot, na klar!) für eine Freundin signieren lassen, das bekommt diese zu Weihanchten und ist bestimmt ein passendes und schönes Geschenk.
Bist Du eigentlich wieder arbeiten? Ich sehe Dich so viel auf Insta… Was natürlich schön ist.
Liebe Grüße von einer die auch gern ihr Alleinsein genießt!
Simone