Nicht erst das letzte Jahr hat mir gezeigt, was die Literatur alles vermag, aber 2020 hat das noch etwas bewusster werden lassen: Bücher können trösten, aufmuntern, ablenken und ja, auch Urlaube fern von – und dabei in – den eigenen vier Wänden stattfinden lassen.
Aktuell denke ich über verschiedene Dinge sehr (und manchmal zu) lange nach und je länger ich letztens diese wunderbaren Fähigkeiten guter Literatur bestaunte, desto bewusster wurde mir, wie eng Literatur und Vertrauen für mich miteinander zu tun haben.
Vertrauen in Vertrautes
Ich glaube jede:r Leser:in kennt das: Es gibt Geschichten, die funktionieren immer. Bücher, die uns durch Dick und Dünn begleiten, und denen man das im Zweifelsfall auch ansieht. Es sind Worte, die wir vielleicht sogar schon mitsprechen können, und deren Klang uns doch auch beim x-ten Mal lesen wie eine feste Umarmung vorkommen.
Es ist – zumindest bei mir – die Gewissheit, dass mich eine Geschichte an vertraute Orte führen wird, die mich zu diesen Büchern greifen lässt. Und mit vertrauten Plätzen meine ich nicht nur die bereits bekannten Handlungsschauplätze, sondern auch die emotionalen „Gegenden“, an die mich die Lektüre führt. Es gibt keine (bösen) Überraschungen, die im Verlauf der Geschichte aufkommenden Emotionen können mich nicht übermannen und dadurch bietet sich eine Form des entspannten Lesens, die sonst eigentlich nicht möglich ist.
Vertrauen in Unvertrautes
In gewisser Weise gilt dieses Vertrauen auch für noch unbekannte Worte unserer liebsten Autor:innen. Man kennt die Schreibweise, ahnt welche Pfade vielleicht beschritten werden und vertraut darauf, dass die Schreibenden wissen was sie tun und wohin sie die Lesenden führen.
Bei mir ist ein solcher Fall zum Beispiel Benedict Wells. Durch „Fast genial“ habe ich ihn kennengelernt. „Vom Ende der Einsamkeit“ hat mir dann, fast ohne, dass ich es gemerkt habe, mein Herz gestohlen und sämtliche andere Bücher und Kurzgeschichten von ihm gehören zu den liebsten, die ich (auch mehrfach) im meinem Regal habe.
Aber ich gebe es zu: Vor „Hard Land“, seinem neuesten Buch, das am 24. Februar 2021 erscheint, bin ich ein wenig nervös. Warum genau kann ich gar nicht so recht sagen, denn ich vertraue in seine schriftstellerischen Fähigkeiten, mich als Leserin wieder zu begeistern. Ich mache mir auch keine Gedanken wegen des Inhalts vom Buch.
Es ist vielmehr eine diffuse Nervosität. Vielleicht, weil dann erst einmal wieder kein neues Buch von ihm auf mich wartet. Aber auch da hilft wohl nur eines: Vertrauen, dass er immer weiter schreiben wird.
Also ja, ich werde demnächst voller Herzklopfen die ersten Zeilen lesen und einfach Vertrauen haben (müssen).
Vertrauen in Geschichtenmut
Nicht nur die Beziehung zu Autor:innen, auch die Beziehung zu Buchhändler:innen (und Bibliothekar:innen) ist wohl eine ganz besondere. Je enger sie ist, desto blinder vertrauen wir wohl auf Empfehlungen und desto weniger müssen die grandiosen Herrscher:innen über diese Regale voller Geschichten eigentlich sagen.
Ich habe das große Glück, dass meine liebste Buchhändlerin via Instagram sogar Sprechstunden für diejenigen von uns hält, die nicht vor Ort in Berlin zur Beratung kommen können. Und besagte großartige Maria-Christina Piwowarski spricht zusätzlich auch noch einmal im Monat mit ihrem nicht minder großartigen Literaturkomplizen und Buchhändlerkollegen Ludwig Lohmann über die „Letzten Lektüren“ im Podcast. Und hier vor Ort weiß ich ganz genau, dass Elias nur eine Instagram-PN weit entfernt ist und ich spontan bei ihm in die Filiale stürmen kann, um die ganz schnell benötigte Dosis Literatur verabreicht zu bekommen. (Also, unter Bedingungen abseits vom Lockdown..)
Wenn diese drei Menschen sagen „Lies dieses Buch“, dann lese ich es. Weil in ihren Worten etwas mitschwingt, das ich letztens am besten als „Geschichtenmut“ in Worte fassen konnte. Das ist eine Mischung aus dem glasklaren Verständnis für das Buch einerseits und mich als Leserin andererseits und dem Vertrauen in mich, dass ich den Mut habe, mich auf diese Geschichte einzulassen. Eben weil ich meinen Buchhändler:innen vertraue.
Rein theoretisch weiß ich zumindest ungefähr, wie Buchhändler:innen arbeiten – aber am Ende des Tages, wenn sich das neue Buch schon im Rausgehen aus dem Laden vor meiner Nase befindet, ist da doch immer wieder ein wenig Magie im Spiel. Buchmagie.
Vertrauensbruch? Nein.
Kann das schiefgehen? Rein rational betrachtet vermutlich schon und natürlich gab es schon Empfehlungen, die für mich dann doch irgendwie nicht richtig waren oder Bücher von mir geschätzter Schriftsteller:innen, die mich einfach nicht vom Hocker hauen konnten. Was aber keinesfalls mein Vertrauen in die jeweiligen Personen erschüttert, denn einerseits sind wir alle nur Menschen und andererseits kann es auch einfach sein, dass ich das jeweilige Buch nicht zum richtigen Zeitpunkt gelesen habe,
Aber als unverbesserliche Optimistin (die ich manchmal bin) denke ich, dass dieses Vertrauen zwischen Buchmenschen genau das ist, was perfekte Buchempfehlungen und Leseerlebnisse möglich macht.
Wie seht Ihr das? Wie wichtig ist Vertrauen für Euch beim Lesen – in die Bücher, die Autor:innen und die Buchhändler:innen oder Bibliothekar:innen?
Hallo Sarah,
ein sehr schöner Beitrag, der sich wunderbar lesen lässt und dieses heimelige Gefühl von Leselust auslöst!
LG,
Mikka
Pingback: [ Das Köfferchen ] Besuchte Buchblogs KW07 2021
Du hast mich zum letzten Beitrag inspiriert … Buchmagie … schönes Wort.