Auf Instagram schrieb ich, dass meine liebste Buchhändlerin, Maria-Christina Piwowarski, meinen literarischen Horizont stetig erweitert. Als sie in Kooperation mit dem Aufbau Verlag eine Leserunde zur Kopenhagen-Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen ankündigte, war mir klar, dass sich mein literarischer Horizont abermals erweitern würde.
Die Kopenhagen-Trilogie ist das zentrale Werk Ditlevsens, so die Webseite des Aufbau Verlags, in dem die Bücher nun erscheinen. Darin porträtiert sie sich selbst und erzählt, wie aus ihr die Frau wurde, die sie war.
Meine Leseeindrücke hier verfasse ich ganz bewusst vor dem Austausch im Rahmen der Leserunde, einfach, damit Ihr lesen könnt, wie ich mich bei bzw. nach der Lektüre gefühlt habe. Sollten sich im Rahmen der Diskussionen auf Instagram noch weitere Eindrücke ergeben, findet Ihr sie dann am Ende dieses Beitrags.
Ein Buch mit Verschlingungspotential
Gut, 120 Seiten ist für die meisten Leseratten nicht besonders viel, aber ich wusste zunächst nicht, was mich erwarten würde. Tove Ditlevsen sagte mir so gar nichts, aber das ist auch kein Wunder: Die ersten beiden Bücher der Kopenhagen-Trilogie wurden von Ursel Allenstein erstmals ins Deutsche übertragen. Band drei wurde neu übersetzt, aber auch dessen „Anwesenheit“ auf dem deutschen Buchmarkt war mir nicht bewusst. Dänemark ist zudem einer meiner vielen literarischen blinden Flecken – kurzum: Als ich das Buch „Kindheit“ (Band 1 der Trilogie) aufschlug, hatte ich nur Marias Begeisterung im Ohr, aber mehr auch nicht.
Und dann stand da der erste Satz: „Am Morgen war die Hoffnung da.“
Zugegeben: Ja, ich liebe erste Sätze, aber ich versuche dennoch nicht, ein Buch nur an diesen ersten Worten zu messen. Sehr viel kann danach noch schief gehen, und auch mittelmäßige erste Sätze können zu literarischen Meisterwerken gehören. Aber dieser Satz – gerade in dieser Zeit – ließ mich nicht mehr los. Und so las ich Seite um Seite und kurze Zeit später musste ich feststellen, dass 120 Seiten nun wirklich nicht viel sind.
Ausgelesen. Und das Buchausweh schlug ebenfalls zu, denn die nächsten beiden Bände erscheinen erst im Februar.
Sprachverliebtheit in vielerlei Hinsicht
Tove Ditlevsen beschreibt, wie sie aufwächst und sich in die Sprache verliebt. Sie lernt selbständig lesen und schreiben (was ihr seitens der Schule nicht wirklich angerechnet wird und die Mutter nach anfänglichem Stolz in Verlegenheit bringt) und wie ein roter Faden führt diese Liebe zur Sprache durch ihre Kindheitserinnerungen.
All diese Erinnerungen beschreibt sie so bildhaft und plastisch, dass man beim Lesen mit im Raum sitzt, den Nachthimmel oder den lesenden Vater betrachtet, jeden gemeinen Spruch des Bruders beinahe physisch spürt und trotz allem nie von der Zuversicht, sie würde einmal zu einer bedeutsamen Dichterin werden, abgebracht wird. Obwohl ich ihr Buch übrigens in den Händen halte und von weiteren Bänden der Trilogie und weiteren Werken der Autorin allgemein weiß, ist mir für den Moment des Lesens nicht bewusst, dass aus dem Mädchen Tove doch die Schriftstellerin Tove Ditlevsen wird.
Ich kann kein Dänisch und kann die Übersetzung von Ursel Allenstein nicht objektiv bewerten. Dennoch hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass auch hier mit viel Liebe zur Sprache an die Texte herangegangen wurde. Gerade die lyrischen Einschübe und sprachlichen Bilder Ditlevsens waren sicher nicht leicht zu übertragen. Ich bin schon sehr gespannt auf das Interview von Maria mit Ursel Allenstein im Rahmen der Leserunde und freue mich, mehr über die Übersetzung zu erfahren. Wenn das grandiose Nachwort, von Ursel Allenstein ein Indikator ist, wird das ein sehr informatives Interview.
Werdegang einer Schriftstellerin
Ich habe es oben bereits erwähnt: Ich bin sehr gespannt auf die beiden noch folgenden Bände der Trilogie, „Jugend“ und „Abhängigkeit“, und freue mich jetzt schon, dass ich mich auf dieses Experiment eingelassen habe. Denn bis auf „Frühlingserwachen“ von Isabelle Lehn habe ich bisher keine autofiktionalen Texte gelesen und das Buch von Lehn scheint mir noch mehr mit der Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion zu spielen, als Tove Ditlevsen das macht.
Ich bin also sehr neugierig, wie aus der jungen Frau – heute würde man wohl eher von einem Mädchen sprechen, denn Tove Ditlevsen ist am Ende von „Kindheit“ noch im Teenageralter – diese große Autorin wurde. Den 15. Februar, wenn die anderen beiden Trilogie-Bände erscheinen, kann ich kaum erwarten.
Seid Ihr auch bei der Leserunde dabei und neugierig auf die Autorin? Oder reizt Euch autofiktionale oder auch autobiografische Literatur so gar nicht?
Ich liebe, wie Du, liebe Sarah, die Trilogie von Tove Ditlevsen. Eine schöne Empfehlung von der allseits geliebten Maria, der Berliner Buchhändlerin.
[Dieser Band ist berührend und fesselt schon mit dem ersten Satz: „Am Morgen war die Hoffnung da.“ Man fliegt nur so durch die Seiten im klaren einfachen Ton und denkt nicht, dass diese Zeilen schon 1967 erschienen sind, so beeindruckend und modern sind sie geschrieben.
Ein starkes Buch um Erinnerungen und Empfindungen, um Probleme in der Umgebung, mit der Mutter, den gleichaltrigen Mädchen und ihrem Körper. Doch, da gibt es noch die Verse, die anrührend Hoffnung auf ein besseres Leben schüren.] –> aus meiner Rezi zum Schluss
Begeisterte Grüße,
Simone.