Buchhaim. Allein schon dieser Name reicht aus, um mich gedanklich in die buchigste Stadt Zamoniens zu katapultieren. „Die Stadt der Träumenden Bücher“ war mein erster Roman von Walter Moers und gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern – nicht zuletzt natürlich, da Buchhaim auf jeden bibliophilen wahrlich paradiesisch wirken muss: Buchhandlungen zu jedem erdenklichen Thema, täglich unzählige Lesungen, Antiquaritate, die regelrecht zum Stöbern einladen, Buchverrückte an jeder Ecke und jeder Winkel der Stadt schreit die Liebe zum Buch geradezu hinaus. Kurzum: Buchhaim ist so, wie sich eine Buchmesse für mich anfühlt.
Natürlich gehöre ich auch zu denen, die ungeduldig auf den dritten Teil der Trilogie – „Das Schloss der Träumenden Bücher“ – warten. Deshalb habe ich mich nicht nur über die Veröffentlichung des neuen Zamonien-Romans „Prinzessin Insomnia“ gefreut, sondern war besonders gespannt auf die angekündigte Graphic Novel-Adaption* von „Die Stadt der Träumenden Bücher“. Ob der Comic diese besondere Atmosphäre Buchhaims einfangen kann, verrate ich Euch jetzt.
Vielen Dank an den Knaus Verlag, der mir das Rezensionsexemplar vorab zur Verfügung gestellt hat!
Inhalt:
Der erste Teil der Comic-Adaption beinhaltet nur die erste Hälfte der Romanvorlage. Dargestellt wird, wie Hildegunst von Mythenmetz ein mysteriöses Manuskript bekommt und sich, um dessen Urheber zu finden, nach Buchhaim begibt, wo bekanntermaßen die wahren Literaturexperten zu finden sind. Dort führen ihn seine Recherchen schließlich in die Katakomben, in denen Bücherjäger normalerweise nach wertvollen Büchern suchen und wo eine Vielzahl an Monstern und Fallen das Leben sehr gefährlich macht.
Mein Eindruck:
Das Cover, das ein wenig an „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“ – Band zwei der Trilogie – angelehnt ist, ermöglicht einen guten Eindruck davon, wie der Comic auch innen aussieht: Plastische, beinahe dreidimensional gemalte Bilder (Zeichnungen kann man das nun wirklich nicht mehr nennen) zeigen auch in den kleinsten Details die Vielfalt Zamoniens bzw. Buchhaims. Vorlage für die Illustrationen waren übrigens die Modelle von Carsten Sommer – für weitere Informationen zum Making-Of müssen wir uns jedoch bis zum zweiten Teil gedulden.
Die Gestaltung jeder Seite des Comics ist genau auf die jeweilige Szene abgestimmt: So dominieren anfangs warme Töne in der Darstellung der Bücherstadt als Hildegunst dort eintrifft. Damit man sofort erkennt, dass es sich um Berichte handelt, die nicht Hildegunst verfasst hat, sind die Ausführungen des berühmten Bücherjägers Colophonius Regenschein mit Grautönen unterlegt und je weiter das Abenteuer voranschreitet, desto düsterer und mysteriöser werden die Bilder. Florian Biege, der auch schon „Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär“ koloriert hat, hat mit sehr viel Liebe zum Detail gearbeitet. Auch Symbole und sonderbare Kreaturen, die oftmals im Hintergrund eines Bildpanels versteckt sind, laden zu einer Entdeckungsreise der zamonien’schen Welt ein. Während man andere Comics recht flott „weglesen“ kann, pausiert man hier ganz automatisch und überfliegt nicht einfach nur die für die Handlung wesentlichen Elemente.
Untypisch ist übrigens, dass dieser Comic komplett ohne onomatopoetische Elemente wie „Knarr“ oder „Kabumm“ für die Darstellung von Tönen auskommt. Ausrufe von Mythenmetz gibt es zwar, jegliche Geräusche in seiner unmittelbaren Umgebung stellt Florian Biege jedoch viel subtiler dar, so dass sie beim Lesen überhaupt nicht fehlen.
Bilder und Erläuterungen bzw. Sprechblasen gehen Hand in Hand und fügen sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Das von Michael Hau gestaltete Handlettering passt perfekt zur Geschichte: Während in den Sprechblasen eine klare, serifenlose und Schriftart gänzlich in Großbuchstaben genutzt wird – und die Sprechblasen zudem farblich passend zum Sprecher unterlegt sind – verstärkt die in den Erläuterungstexten genutzte, alt wirkende Schriftart den Eindruck einer Erzählung beizuwohnen. Die etwas verschnörkelter gehaltenen Erläuterungen sind übrigens trotz der Serifen sehr leicht zu lesen, so dass der Lesegenuss nicht unter der Gestaltung leidet.
Wenn man bedenkt, dass „Die Stadt der Träumenden Bücher“ weit über 400 Seiten hat, der erste Teil der Graphic Novel-Adaption aber nur auf 109 Seiten (plus großer Panorama-Klapptafel) kommt, liegt natürlich der Gedanke nahe, dass einige Szenen gekürzt werden mussten. Dies ist in der Tat auch geschehen, jedoch merkt man es beim Lesen kaum. Das mag daran liegen, dass mein letzter Ausflug nach Buchhaim etwas länger her ist. Naheliegender ist jedoch, dass Walter Moers derjenige war, der Text und Szenen für den Comic adaptierte. Auf diese Weise konnte er sicherstellen, dass die Geschichte, trotz der Kürzungen, wie aus einem Guss wirkt – und genau das ist ihm gelungen!
Wie oben bereits erwähnt, wird im zweiten Teil des Comics ein Making-Of enthalten sein, auf das ich schon sehr gespannt bin, denn die Machart des Comics ist wirklich genial. Aber auch im ersten Teil gibt es zwei Extras, die benannt werden sollen: Zum einen gibt es die ebenfalls schon erwähnte Panorama-Klapptafel. Ich möchte nicht spoilern, deshalb verrate ich nicht, welche Szene dort dargestellt ist. Ich kann aber verraten, dass es eine Szene ist, die ich in ihrer Vielfalt und Schönheit immer genau so vor Augen hatte, wenn ich den Roman gelesen habe. Zum anderen gibt es ein Glossar (von Anja Dollinger), in welchem die wichtigsten zamonischen Begriffe und Wesen geklärt werden und das es auch Einsteigern erlaubt, ohne Vorkenntnisse in diese Welt einzutauchen. Passend zum Thema des Buches ist es natürlich in besonderer Weise illustriert und wirkt dadurch als wäre es zu Zeiten entstanden, als Bücher noch von Hand abgeschrieben und aufwendig illustriert worden sind.
Fazit:
Was soll ich sagen? Dieser Comic ist rundum gelungen und eine Augenweide für jeden Zamonien-Fan oder Neu-Zamonier. Mit viel Liebe zum Detail haben Walter Moers und Florian Biege (und Michael Hau/Handlettering, Anja Dollinger/Glossartext, Elvira Moers/Lektorat und Oliver Schmitt/Satz) eine Roman-Adaption geschaffen, die auch für sich allein stehen kann!
Mehr zum Buch:*
- Gebundene Ausgabe: 112 Seiten
- Verlag: Knaus Verlag (6. November 2017)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3813505014
- ISBN-13: 978-3813505016
*Ich verwende Comic und Graphic Novel als Synonyme. Das mag technisch gesehen nicht ganz korrekt sein, in Bezug auf „Die Stadt der Träumenden Bücher“ habe ich jedoch beide Begriffe mehrfach gesehen/gehört und für mich entschieden, dass beides zulässig ist.
Liebe Sarah,
das ist die Besprechung nun. 🙂 Und sie ist dir so toll gelungen – einerseits spürt man deine Begeisterung, andererseits analysierst du gut die visuellen Elemente. Das gibt ein rundes Gesamtbild und ein Gespür für die Adaption.
Was die Comic/Graphic Novel-Sache angeht: Ich benutze die Begriffe zum Teil auch synonym und weiß, dass innerhalb der Comicszene diese Trennung auch nur begrenzt unterstützt wird, da jede Graphic Novel immer auch ein Comic ist (aber eben nicht jeder Comic eine Graphic Novel) und die Grenzen gar nicht so klar gesteckt werden können bzw. die Definitionen für Graphic Novels ja sehr unterschiedlich und z.T. schwammig sind. Abgesehen davon ist Graphic Novel ja auch vorrangig als eine Art Label benutzt, um diese Form der Lektüren auch jenen schmackhaft zu machen, die Comics für gewöhnlich abfällig belächeln (und diese Masche hat ja durchaus funktioniert, wie die letzten Jahre gezeigt haben).
Ich persönlich trenne auch nicht immer scharf bzw. nutze ich bei dem, was allgemein unter dem Begriff Graphic Novel verkauft wird, auch regelmäßig den Begriff Comics – letztlich beschreibt es ja nur eine Form der Gestaltung/ eine Literaturgattung wie Novelle, Roman, Kurzgeschichte und ist keine Genrezuordnung wie Krimi oder Fantasy.
Liebe Grüße
Kathrin
Pingback: [Rezension] Walter Moers & Florian Biege – Die Stadt der Träumenden Bücher, Teil 1 (Graphic Novel) – Buchperlenblog
Liebe Sarah,
Was für eine schöne Rezension. Ich bin ja auch großer Moers-Fan, war aber skeptisch, ob ich den Graphic Novel lesen möchte. „Die Stadt der träumenden Bücher“ ist mein Lieblingsbuch von Moers. Aber er hat in seinem Roman alles so gut und detailreich beschrieben, dass ganz deutliche Bilder in meinem Kopf entstanden sind und ich genaue Vorstellungen von vielem hatte. Und jetzt habe ich Angst, dass die Bilder in dem GN da einfach nicht mithalten können. Nach deine Besprechung bin ich jetzt aber so neugierig und auch richtig in Buchaim- Stimmung, dass ich am liebsten gleich losrennen würde, um mir das Buch zu kaufen. 🙂 Also danke dafür. 😛
Liebe Grüße, Julia
Liebe Julia,
ja, ein wenig Bedenken hatte ich anfangs auch, aber da der Autor selbst an seinem eigenen Werk „herumgeschnitzt“ hat, hatte ich doch genügend Vertrauen. Und es hat sich – zumindest für mich – gelohnt. 🙂 Falls Du also schon in der Buchhandlung warst: Viel Spaß 😉
Liebe Grüße
Sarah
Danke. Ich melde mich dann mal, wie es mir gefallen hat. Ein kleines bisschen wird es aber wohl noch dauern. So many books, so little time. Du kennst das bestimmt… 😉
Kurz bevor du deinen Artikel geschrieben hast, habe ich auch von der Graphic Novel gehört und war schwer begeistert von ersten Bildern und Szenen, die man im Internet schon erhaschen konnte. Es war Liebe auf den ersten Blick und wanderte erstmal auf den Wunschzettel … jetzt nach deinem Artikel bin ich mir umso sicherer, dass ich das Weihnachten gern unter dem Baum liegen hätte, so meine Lieben wollen ^^‘
Die sehr plastische Welt von Walter Moers ist aber auch wie geschaffen dafür in ein bildhafteres Format gegossen zu werden. Ich freue mich schon sehr auf Colophonius 😀
Vielen Dank für Deinen lieben Kommentar! Da hoffe ich doch sehr, dass der Weihnachtsmann in Form Deiner Lieben was Bildgewaltiges unter den Baum legt 😉 Sag Bescheid, ja? 😉
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