Comic-Klassiker: Ein Selbstversuch – Teil 2: Gaston

Der Comic als Erzähl- und Kunstform ist wohl für viele Leseratten in der Kindheit der Startschuss für die eigenen Leseabenteuer. Anfangs helfen die Bilder sehr dabei, sich die Geschichte vorstellen zu können und dadurch, dass sich kleinere und größere Sprechblasen und Panels mit Informationen zur Situation abwechseln, kommt man in der Geschichte auch dann schnell voran, wenn man noch nicht so gut lesen kann. Leider behalten Comics dadurch für viele Erwachsene den Beigeschmack, dass diese Erzählform etwas für Kinder ist – dabei ist dem überhaupt nicht so, auch wenn in Filmen und Serien Comicleser gerne als Nerds oder Sonderlinge dargestellt werden. Comics sind zudem mehr als nur Mickey Maus oder Superhelden, es gibt – wie auch bei Romanen – unterschiedliche Genres und Klassiker, die viele Jahrzehnte überdauern und Generationen von Lesern begeistern.

Nach Spirou und Fantasio habe ich mich an einen weiteren dieser Klassiker gewagt:

(Foto: S. Schückel)

Gaston

Für Einsteiger wie mich kurz vorweg einige Informationen zu Gaston: Gaston ist Bürogehilfe eines Verlages und namensgebende Hauptfigur einer Comicreihe des Spirou-Magazins. Seine Figur gibt es seit 1957, anfangs tauchte er in den Geschichten von Spirou und Fantasio auf. Im französischsprachigen Original treibt er sein Unwesen im (tatsächlich existierenden) Verlag Dupuis – in den deutschen Übersetzungen wird daraus der Kauka Verlag bzw. Carlsen Verlag. Gaston ist ein Chaot, der sich selbst für ein Genie hält und damit seine Kollegen tyrannisiert. Passend dazu heißt er im Französischen mit Nachnamen Lagaffe, was so viel wie „das Ungeschick“ oder „der Ausrutscher“ heißt.

Inhalt:

Der Doppelband zum 50 Jahre Carlsen Comics Jubiläum enthält die Comicbände „Gaston 9“ und „Gaston 10“ von André Franquin. Anders als bei Spirou und Fantasio sind die Geschichten um Gaston keine mehrseitigen Abenteuer, sondern kurze Episoden auf meist einer Seite. In jeder dieser kurzen Sequenzen stört Gaston den Redaktionsalltag durch Experimente oder Basteleien – und seien sie auch noch so gut gemeint. Es gibt verschiedene Running Gags: So versucht sein Vorgesetzter, Demel, Gaston zu kontrollieren und dazu zu bewegen, mehr zu arbeiten, während Gaston lieber schläft oder an neuen Erfindungen werkelt. Oder es steht gerade eine wichtige Vertragsunterschrift des Verlages mit dem Geschäftsmann Bruchmüller an, weshalb die gesamte Belegschaft versucht, Gaston von eben jenen störenden Spielereien abzuhalten. Gaston hat zudem immer wieder mit seinem Gegenspieler, dem Wachtmeister Knüsel, zu kämpfen, der Gaston mehr als einmal wegen Falschparkens oder anderer Delikte bestrafen will. Und Fräulein Trudel himmelt Gaston an, egal was dieser gerade für ein Chaos anrichtet.

Mein Eindruck:

Nach den zwei längeren Geschichten über Spirou und Fantasio waren die kurzen Episoden über Gaston zunächst eine Umstellung, denn ich habe erst beim Lesen gemerkt, dass quasi mit jeder Seite eine neue Handlung anfängt. Das war für mich Anfangs etwas irritierend, dann habe ich mich reingefunden – zum Schluss fand ich diese kurzen Geschichten jedoch leider ermüdend. Um dennoch Spaß am Lesen zu haben, bin ich dann dazu übergegangen, immer nur wenige Episoden auf einmal zu lesen – das klappte ganz gut.

(Foto: S. Schückel)

Die Running Gags der Gaston-Comics sind definitiv amüsant, auch wenn man – selbst in der Kürze der jeweiligen Szene – schnell ahnt, in welche Richtung das Chaos dieses Mal laufen wird. Häufiges Stilmittel ist natürlich die Übertreibung – sowohl, was die Zeichnungen anbelangt, als auch den Inhalt der jeweiligen Erzählung. Zeichnerisch ähnelt der Stil übrigens dem der Spirou und Fantasio-Comics, mir waren die einzelnen Panels bei Gaston aber manchmal etwas überladen. Das liegt sicher daran, dass möglichst viel in möglichst kurzer Zeit erzählt werden sollte. Manchmal wurde es für mich bei den vielen Elementen und der Überspitzung der Handlung dann doch zu absurd. Gaston ist aber, bei allen Missgeschicken seinerseits, ein Chaot, den man ins Herz schließen kann, da er ja eigentlich immer nur gute Absichten hat und seinen Kollegen helfen möchte.

Da in den kurzen Geschichten stets nur wenige Figuren der Nebencharaktere vorkommen und alle Figuren in ihrer Handlungsweise stets gleich vorgehen – also Fräulein Trudel Gaston immer anhimmelt und Demel immer zwanghaft alles kontrolliert – ist die Figurenkonstellation auch für Gaston-Neulinge schnell durchschaut. Leider stellt sich, liest man mehrere Gaston-Comics hintereinander, dadurch schnell die besagte Monotonie ein und mir persönlich würden längere Geschichten mit ein wenig charakterlicher Weiterentwicklung besser gefallen. Sehr interessant fand ich die im zweiten Teil des Doppelbandes eingeschobenen ausführlichen Zusatzinformationen zum „Gastophon“, einer besonderen Erfindung Gastons, die immer wieder in den Comics Erwähnung findet.

Fazit:

Ist der Doppelband für Einsteiger geeignet? Absolut. Die Gaston-Comics sind dabei aber vermutlich mehr für Leser geeignet, die zwischendurch ein paar kurze Comics lesen möchten. Für mich, die ich mich gerne etwas länger mit einem Comic beschäftige, waren die kurzen Episoden eher nichts, auch wenn die Gags gut gemacht und amüsant zu lesen sind. Man sagt ja „in der Kürze liegt die Würze“ und vermutlich ist das auch das Erfolgsgeheimnis von Gaston, so dass er seit mittlerweile 60 Jahren sein Unwesen treiben kann. Und auch wenn die Geschichten nicht komplett meinen Geschmack treffen, sollte man ihn noch lange nicht in Rente schicken.

3 von 5 Sternen.

Mehr zum Buch:*

  • Preis: 9,99 €
  • Taschenbuch: 96 Seiten
  • Verlag: Carlsen; Auflage: 1. Aufl. 17 (28. März 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3551714134
  • ISBN-13: 978-3551714138

 

Ein Gedanke zu “Comic-Klassiker: Ein Selbstversuch – Teil 2: Gaston

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