Rezension: „Licht“ (Anthony McCarten)

Die Gründe, weshalb ich mich entscheide, ein bestimmtes Buch zu lesen, sind immer unterschiedlich. Als ich in der Frühjahrsvorschau des Diogenes Verlags im letzten Herbst sah, dass „Licht“ erscheinen würde, gab es gleich mehrere Dinge, die mich neugierig machten. Zum einen die Information, dass Benedict Cumberbatch als Edison in einer Verfilmung mitspielen würde – zum anderen aber war es hauptsächlich die Inhaltsangabe, die mich so fesselte.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Diogenes Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.

Buch "Licht" wird im Schräglicht von Sonnenschein beschienen

(Foto: Privat)

Inhalt:

Thomas Edison ist ein genialer Erfinder – und entspricht doch dem Klischee, dass geniale Erfinder nicht unbedingt das beste Händchen für ihre finanzielle Sicherheit haben. J. P. Morgan ist ähnlich genial auf seinem Spezialgebiet – dem Geld. Der Banker kommt genau in dem Moment auf Edison zu, an dem dieser finanziellen Rückhalt besonders benötigt. Das macht er nicht aus purer Nächstenliebe oder gar dem selbstlosen Wunsch, einfach nur die Wissenschaft zu fördern. Vielmehr erhofft er sich durch die Edinsonsche Erfindung der Glühbirne, Vorreiter dieser neuen Technologie auf der ganzen Welt zu werden – und seinen finanziellen Reichtum auszubauen.

Zudem gibt es da einen Haken: Die Wissenschaft lebt vom Erkenntnisstreben und man muss stets aufs Neue beweisen, dass man nach der Erkenntnis und nicht nach der einfachsten Lösung strebt.

Mein Eindruck:

Seit ich in der Schule „Die Physiker“ von Dürrenmatt gelesen habe, fasziniert mich die Frage, was Wissenschaft darf und was nicht und auch – denkt man diesen Gedanken weiter – inwiefern neue wissenschaftliche Erkenntnisse sofort umgesetzt werden sollten bzw. wer letztentlich dafür sorgen muss, dass diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht von skrupellosen oder geldgierigen Menschen verwendet werden. All diese Fragen schimmern in Anthony McCartens Schilderung von Edisons wohl bekanntester Erfindung durch. Er hat keine Biografie des Erfinders geschrieben, sondern die wahren Fakten mit einer Dramatik unterlegt, die den Leser atemlos durch die Seiten rauschen lässt. Über Rückblenden in Erinnerungen, die der alte Thomas Alva Edison Revue passieren lässt, zeigt er, wie schwierig Edisons Lage war – und wie er letztlich immer mehr zwischen die Zahnräder eines Getriebes geriet, das viel größer war als er selbst. McCarten lässt Edison dabei aber auch nie wie ein Unschuldslamm wirken, sondern schildert, wie sein eigener Ehrgeiz und insbesondere sein Stolz ihm im Weg standen.

Was bleibt am Ende eines Lebens übrig? Sind es die Fehler, die wir gemacht und für die wir verurteilt werden? Oder sind es die Errungenschaften – große wie kleine – die uns in hohem Alter angerechnet werden? Wohin lenkt man den Fokus, wenn man den wohl berühmtesten Erfinder der westlichen Welt als literarische Figur durch die Seiten eines Buches spazieren lässt – Seite an Seite mit seinem finanziellen Unterstützer?

In „Licht“ schlägt Anthony McCarten einen anderen Ton an als in „funny girl“, durch das ich ihn zuerst kennenlernte. Das Buch ist weniger mit flapsigen Sprüchen gepflastert und doch auch humorvoll geschrieben. McCarten schreibt eindringlich, beinahe fürsorglich, wenn es um Edison und seinen Verbündeten J. P. Morgan geht. Er hat es geschafft, mit einer wohlbedachten Balance aus Fakt und Fiktion die Persönlichkeit längst verstorbener und oft analysierter Menschen einzufangen. Auch die Leser, die noch nie viel von Edison oder Morgan wussten, haben nach der Lektüre dieses Buches ein klares Bild ihrer Persönlichkeit vor Augen. Es ist ein Bild, das weder einen Helden, noch eine gescheiterte Existenz zeichnet, sondern vielmehr die Vielschichtigkeit eines ganzen Lebens umfasst. Man möchte fast sagen, dass McCarten in „Licht“ das ganze Farbspektrum von Edisons Leben erfasst, auch wenn er sich auf bestimmte Sequenzen dieses Lebens beschränkt.

Besonders berührend sind die leisen Momente, die McCarten ebenso faszinierend beschreibt wie solche, in denen Edisons bahnbrechende Erfindungen im Vordergrund stehen. Es ist der private Edison, den man im Takt der Morsezeichen kennenlernt, der ganz menschliche Befürchtungen und Ängste hat und der – wie so viele andere auch – die Augen vor den Problemen in der Familie verschließt. Diese Momente, in denen Thomas zu Alva wird, sind es, die wohl den besonderen Zauber dieses Buches ausmachen.

Fazit:

Am Ende muss jeder Leser selbst entscheiden, ob er Thomas Alva Edison mag oder nicht, ob seine Entscheidungen richtig oder falsch waren und ob er Dinge in Gang gesetzt hat, die besser niemals erdacht worden wären. Man kommt jedoch – egal wie man sich nun positioniert – nicht umhin festzustellen, dass er eine beeindruckende Persönlichkeit war. McCarten fängt eben diese Persönlichkeit auf eine Art und Weise ein, die man nur als faszinierend beschreiben kann und die Lust darauf macht, mehr über den genialen Erfinder zu erfahren.

5 von 5 Sternen.

Mehr zum Buch:*

  • Preis: 24 €
  • Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
  • Verlag: Diogenes (Hier findet Ihr auch eine Leseprobe)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3257069944
  • ISBN-13: 978-3257069945
  • Originaltitel: Brilliance

 

7 Gedanken zu “Rezension: „Licht“ (Anthony McCarten)

  1. Das Buch habe ich (ganz uneigennützig;)) meinem Mann zum Geburtstag geschenkt.
    Es gibt noch einen anderen Roman zum Thema (Die letzten Tage der Nacht). Ich würde gerne beide Bücher kurz hintereinander lesen, ich weiß aber nicht, mit welchem ich anfangen soll.
    Funny Girl hatte mir aufgrund des Tons auch nicht so gut gefallen, ich finde seine Bücher sind recht unterschiedlich, was mir auch wieder sehr gut gefällt.
    Viele Grüße
    Silvia

    • Hallo Silvia,

      diese Art der Geschenke ist immer die beste 😉 Und ja, ich bin schon gespannt auf den nächsten McCarten. Zwei habe ich noch stehen, mehr werden sicher auch folgen. Ich hoffe, er schreibt noch ganz viele und hat noch mehr solche tollen Themen auf Lager.

      Ich empfehle Dir, einfach nach Bauchgefühl eines der beiden Bücher auszuwählen – mit „Licht“ machst Du nichts verkehrt. Von dem anderen weiß ich, habe es aber noch nicht gelesen und bin mir auch noch unschlüssig ob ich es anschaffen werde. Vorerst habe ich genug Auswahl 😉

      Liebe Grüße und vielen Dank für Deinen Kommentar,
      Sarah

  2. Hallo Sarah,

    eine wundervolle Rezension zu einem ganz besonderen Buch (das mir auch sehr gut gefallen hat). Mich hat das Buch auf jeden Fall sehr neugierig gemacht noch mehr in Erfahrung zu bringen und noch weitere Bücher zum Thema zu lesen. Daher steht nun „Die letzten Tage der Nacht“ ganz weit oben auf meinem Wunschzettel.

    Liebe Grüße
    Bella
    #litnetzwerk

    • Liebe Sonja, das freut mich! Mir geht es ähnlich – ich nehme es immer wieder gerne zur Hand und lese die ein oder andere markierte Seite. Einfach nur ein tolles Buch!
      Liebe Grüße und danke für den Kommentar,
      Sarah

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert