Lesesessel Geplauder: Warum ich meine Freude nicht für mich behalte

Ich war in den letzten Tagen sehr krank und meine Aufmerksamkeitsspanne dementsprechend stark eingeschränkt. Immer wenn es mir so geht, füllt sich mein Mailpostfach mit von mir selbst an mich selbst geschickten Links zu Blogposts, die ich noch kommentieren – oder überhaupt erst einmal lesen – möchte.

Einer dieser Blogposts stammt von der lieben Bücherkrähe. Vorab gesagt: Ich möchte hier keinen Streit vom Zaun brechen, sondern vielmehr meine Sichtweise auf ein von ihr angesprochenes Thema darstellen. Und da ein Kommentar unter ihrem Post längenmäßig ausarten würde, habe ich mich für ein eigenes Posting entschieden. Ich hoffe, mein Standpunkt wird deutlich, auch wenn ich beim Schreiben immer wieder pausiert habe. Die Seuche verzieht sich leider nur langsam…

(Foto: Privat)

(Foto: Privat)

Ausgangssituation

So, wie ich Bücherkrähe verstanden habe (und bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege!), geht es ihr ganz fürchterlich auf den Keks, wenn sich das Potterfandom über jede Klitzekleinigkeit die mit dem Potterversum zu tun hat freut. Insbesondere über neue, bisher unbekannte Aspekte, die J. K. Rowling über die Zaubererwelt verrät oder unsere „Forderungen“ nach neuem Material, die eine Geldmaschinerie in Gang gesetzt hätten, auf dass die Autorin das möglichst große Geld machen könne.

Und ja, ich habe mich angesprochen – und auch ein wenig angegriffen gefühlt, als ich diesen Blogpost las. Schließlich gehöre ich zu denjenigen, die Jos Tweets abonniert haben, damit neue Fakten mich nicht erst Wochen später erreichen, zu denjenigen, die vor Freude quieken und manchmal auch ein paar Tränchen vergießen, wenn es heißt, dass es neues Material geben wird und ich gehöre auch zu denjenigen, die noch Nachts um 3 Uhr über einzelne Nebensätze und deren Bedeutung für die Gesamthandlung philosophieren können. Also kurzum: Ich gehöre zu denjenigen, die voll und ganz ihr Fandasein genießen, es ausleben und die Freude, die das Fandom bringt, in die Welt hinausschreien.

Freude über Informations-Fetzen

Warum freue ich mich über jedes neue Detail, das über die Zaubererwelt bekannt wird? Bücherkrähe schreibt, dass es ihr die Vorstellungskraft einschränkt, alles zu wissen. Bei mir ist das Gegenteil der Fall, denn Jos Ausführungen lassen Harrys Welt in meinem Kopf noch plastischer und vor allem magischer werden.

Auf den ersten Blick mögen die Fakten und Details, die Jo über Twitter und andere Kanäle streut, nur irrelevante Informationen sein. Für mich – und für andere Fans gilt das wohl auch – sind es jedoch Mosaikstücke, die das Bild, das wir von Harrys Welt haben, noch etwas detailreicher machen. Darüber wird deutlich, mit wie viel Liebe zum Detail Jo diese Welt erdacht hat, die zumindest in unserer Fantasie parallel zu der unsrigen Welt existiert.

Es ist eine Welt, die mir persönlich sehr viel bedeutet, da ich mit Harry aufgewachsen bin. Ich habe es hier auf dem Blog oft genug erwähnt: Ohne Harry wäre ich heute nicht die Person, die ich bin oder hätte den Job, den ich liebe. Ich verdanke Harry sehr viel – und träume mich gerne in seine Welt, wenn der Alltag mal wieder zu wünschen übrig lässt. Harry, Ron und Hermine auf ihren Abenteuern zu begleiten ist pure Entspannung und doch immer wieder eine Reise bei der mir neue Dinge auffallen. Nicht zuletzt auch durch neue Informationen, die Jo über Charaktere, Tierwesen oder Handlungsteile preisgibt.

Die Bücher sind letztlich wie ein Urlaubsort, an den man jedes Jahr wieder fährt: Man kennt die Straßen, die Menschen in den Läden – und doch sieht es immer ein klein wenig anders aus. Auch, weil man selbst immer ein klein wenig anders ist. Harrys Welt ist in diesem alltäglichen Wantel eine Konstante.

Freude über neues Material

Konstanten sind schön und beständig. Umso schöner ist es jedoch – für mich jedenfalls – wenn ich bekannte Welten oder Charaktere in neuem Gewand wiedersehen darf. (Das ist Grund, weshalb ich Fanfictions liebe – dazu an anderer Stelle später mehr.)

Freue ich mich über das Theaterstück inkl. Skriptbuch? Absolut!

Bin ich happy über fünf neue Filme rund um Newt Scamander (inkl. Skriptbuch)? Definitiv!

Und finde ich, die Geschichte wird ausgeschlachtet? Nein, ganz sicher nicht.

Warum? Weil Jo es geschafft hat, eine Welt zu entwickeln, die lebendig und „echt“ wirkt. Natürlich entwickelt sich diese Welt weiter, natürlich gab und gibt es immer Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden. Ich möchte alles über Newt und seine Arbeit erfahren, über Grindelwald und seine Geschichte. Ich würde auch gerne mehr über Prof. McGonagall oder Prof. Flitwick erfahren. Oder über Hogwarts‘ Geister. Oder über Durmstrang, Beauxbatons und Ilvermorny. Ich würde unter Garantie fiktive Dokumentationen über fantastische Tierwesen gucken und bei fiktiven Quidditchspielen Victor Krum anfeuern. Ich würde den Tagespropheten abonnieren und giftige Leserkommentare zur journalistischen Qualität des Blattes schreiben.

Warum? Eben weil die Welt „echt“ wirkt. Und weil sie nicht leichter oder besser oder ungefährlicher ist als unsere eigene – aber dafür Ablenkung von den eigenen Problemen verspricht. Je mehr ich über die Zaubererwelt erfahre, desto mehr kann ich mit Freunden und anderen Gleichgesinnten über diese Aspekte philosophieren. Die neuen Details oder das neue Material nimmt uns nicht unsere Fantasie und Vorstellungskraft: Es beflügelt sie.

Der Geldaspekt

Vorab: Jule hat hier einen wunderbaren Blogpost zu diesem Thema geschrieben, dem ich voll und ganz zustimmen kann. Wenn Ihr also eine Langfassung meiner Ansichten lesen wollt, lest dort weiter.

Natürlich bieten neue Bücher, neue Filme und ein Theaterstück die Möglichkeit, ganz schnell ganz viel Kohle zu scheffeln. Und ja, ich bin ebenfalls ein kleines Merchandise-Opfer und habe hier einige Dekoartikel neben den eigentlichen Büchern stehen. Aber das ist meine Entscheidung und auf diese Entscheidung geht immer alles zurück: Will ich einen Dekoartikel kaufen, ja oder nein? Ist mir ein Zusatz-Buch das Geld wert, ja oder nein?

Ganz plump gesagt: Es ist mein Geld. Ich gehe für dieses Geld jeden Tag arbeiten und egal wie viel Spaß mir mein Job macht, ist es immer noch Arbeit. Wenn ich also der Meinung bin, ich habe mir einen Funko-pop Niffler verdient, dann habe ich ihn im wahrsten Wortsinn verdient.

Andere mögen meine Sammelei idiotisch finden. Diejenigen züchten vielleicht Kakteen und pflastern ihre Regale und Fensterbänke mit stacheligen kleinen Pflanzen. Okay. Macht das. Viel Spaß damit – meins ist es nicht. Aber ich würde es auch niemandem untersagen, nur weil ich selbst Kakteen zwar nett aber nicht besonders toll finde.

Stört es mich, dass andere an mir verdienen? Ganz ehrlich? Bei J. K. Rowling stört es mich weitaus weniger als an anderer Stelle. Sie hat nie vergessen, wie es ist, arbeitslos zu sein und am Limit zu leben. Ich werde das auch nicht vergessen, denn auch ich war in einer ähnlichen, wenn auch nicht ganz so prekären Situation. Jo spendet sehr viel für wohltätige Zwecke, ihre Lumos-Organisation setzt sich dafür ein, dass Kinder in Familien und nicht in Waisenhäusern aufwachsen. In meinen Augen ist mein Geld bei ihr gut aufgehoben. (Und natürlich hängen da noch andere Konzerne dran, aber das ist in jedem anderen Lebensbereich ähnlich. Ich sage nur: Kleidungsindustrie.)

Richtige und falsche Fans

Noch einmal: Wenn ich das aus Bücherkrähes Worten falsch herausgelesen habe, korrigiert mich bitte. Bücherkrähe scheint von einigen Fans das Gefühl vermittelt bekommen zu haben, dass man absolut enthusiastisch sein muss, um „richtiger“ Fan zu sein. Man muss dafür zudem alle Informationen zur Unzeit rezitieren können, jedes Buch x-Mal gelesen haben, jeden Filmfehler mit den entsprechenden Seitenzahlen der Buchvorlage ausführlich analysieren können und auch völlig durchdrehen, wenn es etwas neues (Informationen, Bücher oder auch nur Merchandise) gibt.

Falsch.

Wer so etwas fordert, ist selbst kein „richtiger“ Fan, denn „richtige“ Fans lassen jeden sein Fansein so ausleben, wie derjenige das möchte. Beispiel: Meine beste Freundin hat, als wir uns im Studium kennenlernten, kein einziges Potter-Buch gelesen gehabt. Sie hasste den Hype darum. Nun, wir wurden dennoch Freundinnen – denn sie akzeptierte meine Euphorie ebenso wie ich ihre Abneigung. Mittlerweile hat sie die Bücher gelesen und die Filme gesehen – übrigens nicht auf mein Drängen hin – und auch wenn sie ihr gefallen, wird sie wohl nie so extrem Fan sein wie ich. Ist das okay? Vollkommen! Sie lässt mich mein Ding machen und ich ihres. Hauptsache jeder ist damit zufrieden.

Es gibt keine „richtigen“ und keine „falschen“ Fans, außer Fans wollen jemandem ihr Fansein aufzwingen – dann sind sie selbst keine „richtigen“ Fans, wenn Ihr mich fragt. Allerdings sollte jeder jedem die Freude an dem lassen, was ihm oder ihr nunmal Freude bereitet.

Ihr liebt Harry Potter? Super!

Ihr liebt Marvel Comics? Super

Ihr liebt es, Kakteen zu züchten und ihnen beim Wachsen zuzusehen? Super!

Es ist mir – gelinde gesagt – schnurzpiepegal was ihr liebt. Aber die Welt ist zu dunkel und manchmal schlichtweg zu bitter, um Euch Eure Freude verderben zu lassen, oder um Eure Freude zu verbergen. Schreibt, malt, tweetet sie raus in die Welt und macht die Welt dadurch ein bisschen heller. Auch, wenn Ihr Bücherkrähe damit leider ein wenig auf den Wecker fallt. Sorry, Bücherkrähe.

11 Gedanken zu “Lesesessel Geplauder: Warum ich meine Freude nicht für mich behalte

  1. Aus deinen Zeilen lese ich: Jedem das seine. Manchmal findet man es gut, manchmal eben nicht. Ich denke genau wie du, dass man es jedem selbst überlassen sollte, was er gut findet und was nicht. Außerdem wäre es doch langweilig wenn J. K. Rowling nichts neues posten würde, denn dann wäre kein Gesprächsstoff mehr da und man würde keine Überraschungen mehr erleben. Mit mehr Informationen wird einem die Fantasie nicht geraubt wie ich finde. Es leitet sie vielleicht nur in eine andere Richtung 🙂

  2. Wunderbar auf den Punkt gebracht! Ich sehe das alles genau wie du – und ich bin KEIN Potterfan (kenne die Filme nur partiell und die Bücher stehen noch auf der To-Read-List).

    Ich frage mich auch, warum dieses Thema immer wieder im Zusammenhang mit Harry Potter diskutiert wird, wo es doch bei vielen anderen Universen ähnlich ist (Marvel und DC, Star Trek, Star Wars, Sherlock Holmes, Disney…).

    • Danke für Deine lieben Worte 🙂

      Ich denke mal, es liegt daran, dass das vergangene Jahr sehr potterlastig war. Sherlock kriegt alle 4 Jahre 3 neue Folgen… Marvel alle naslang Filme, die aber kaum einer mehr als Hype, sondern eher als Konstante wahrnimmt… ich weiß es ehrlich gesagt nicht, warum immer Potterheads genannt werden. In meinen Augen werden zig YA-Bücher mehr gehypt und als Sau durchs Dorf getrieben 😉 Aber auch da: Wem es gefällt, der soll es bitte gerne machen und mitkreischen 🙂

  3. Ahoi!
    „Auch, wenn Ihr Bücherkrähe damit leider ein wenig auf den Wecker fallt. Sorry, Bücherkrähe.“
    Das ist voll okay, ich mache mir dann ggf wieder Luft 😉

    Übrigens hatte ich bei deinem Artikel nirgends das Gefühl, dass du einen Streit vom Zaun brechen möchtest, wir haben nur einfach zwei verschiedene Ansichten. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass bei kaum einem anderen Fandom der Hype so ausrastet wie bei Harry und den Zauberern (Star Wars eskaliert seit Disney auch, aber vor allem der Merch…). Ich befürchte auch, wie werden da nie so ganz auf einen Nenner kommen. Bis auf den folgenden Punkt, den finde ich wunderschön geschrieben und kann ihn so unterschreiben: „Schreibt, malt, tweetet sie raus in die Welt und macht die Welt dadurch ein bisschen heller.“
    Vielleicht ein Zusatz noch: bitte respektiert, dass nicht jeder für jede Euphoriestufe gemacht ist und manche ihre Lieblingswelten etwas ruhiger feiern, und trotzdem „echte“ Fans sind.

    Ich bin noch nicht ausgesöhnt mit den speziellen Kalibern des HP-Fandoms, aber so wie du es beschreibst kann ich es sehr viel besser nachvollziehen 🙂

    Cheerio
    Mareike

    • Liebe Mareike,
      das ist ja das tolle an der Bloggerwelt – wir können auch mal nicht übereinstimmen und schlagen uns dennoch nicht gleich die Köpfe ein 🙂

      Und klar, man sollte niemanden zu Euphorie – oder im Gegenteil dann zu Zurückhaltung – verdonnern. Das macht keinen Spaß, niemanden. Vielleicht wirst Du irgendwann mit dem HP Fandom ausgesöhnt sein, vielleicht aber auch nicht. Beides ist okay (wobei man eigentlich überhaupt nicht beurteilen sollte, Du weißt hoffentlich wie ich es meine).

      Übrigens: Ich bin manchmal von denen genervt, die die nächste YA-Buchsensation durchs Dorf jagen. Ich kann Dich also manchmal durchaus verstehen 😉 Aber denke mir dann halt, dass es schön ist, wenn sich jemand so freuen kann. Und dann ist der 100.000te Tweet zu „er ist sooo toll, ich bin sooo verliebt in Figur XYZ“ auch okay 😉

      Hab einen schönen Abend und Danke für Deinen Kommentar!
      Liebe Grüße
      Sarah

      • Hallo Sarah,
        jaaa, das ist wirklich etwas tolles an der Buchbloggerwelt, man sich völlig uneins sein, und trotzdem liegt man sich bei der nächsten Buchmesse strahlend in den Armen und trinkt was zusammen.

        Wo wir beim Thema sind: bist du in Leipzig dabei? 😀

        Cheerio,
        Mareike

        PS: eine Freundin von mir strickt gerade einen Rvenclaw-Schal, und drei mal darfst du raten, wer schon darum bettelt ihn zu bekommen… 😉

        • Hihi, genau!

          Und ja, ich werde – soweit meine aktuelle Planung – alle vier Tage da sein. Zwei Termine sind auch schon fix, aber wir finden sicher einen Treffpunkt! Und ich werde mein Slytherin-Zeug rausholen 😉 Also erbettel Dir den Schal, ich drücke fest die Daumen!

          Liebe Grüße
          Sarah

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