Rezension: „Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens“ (J. Ryan Stradal)

Eigentlich ist der Sommer die für mich kulinarisch langweiligste Zeit des Jahres. Nicht, weil es nicht genügend Auswahl an Zutaten gäbe – im Gegenteil – sondern weil ich an heißen Tagen nicht koche. An diesen Tagen gibt es bei mir meistens nur Salat in unterschiedlicher Zusammensetzung.

Passend zu einem der wohl letzten wirklich heißen Wochenenden, habe ich mir – da mir das Kochen warmer Gerichte langsam fehlt – „Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens“ gegriffen und so zumindest innerlich den Kochlöffel geschwungen. Vielen Dank an den Diogenes Verlag, der mir das Leseexemplar des Buches zur Verfügung gestellt hat.

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(Foto: Privat)

Inhalt:

Evas Geschmackssinn ist außergewöhnlich und die von ihr zubereiteten Gerichte heiß begehrt: Rund um den Globus nehmen Gourmets jahrelange Wartelisten in Kauf und zahlen horrende Preise, nur um einmal im Leben von ihr bekocht zu werden. Doch wie wurde Eva zum kulinarischen Star?

Wie jedes Leben wird auch das Ihre von zufälligen Begegnungen und Wendungen des Schicksals bestimmt. Und so, wie ein Dinner von der Abfolge der Zutaten lebt, bestimmen diese Zufallsbegegnungen, wohin wir im Leben gelangen.

Mein Eindruck:

Die Kapitel, die immer den Namen eines Gerichts als Titel tragen, zeigen Eva immer aus einer unterschiedlichen Perspektive und ungefähr bis zur Hälfte des Buches hat mich genau dieser Umstand verwirrt. Der Klappentext auf dem Buchrücken lässt nämlich eine kontinuieriche Begleitung Evas bei ihrem Werdegang vermuten. Man erhält zwar kontinuierlich Einblick in ihr Leben, allerdings immer aus dem Blickwinkel einer Nebenfigur, welche den Lebensweg von Eva mehr oder minder kurzzeitig kreuzt. Nachdem mir das bewusst wurde, und ich die Erwartungen, die der Klappentext in mir geweckt hatten, beiseite geschoben hatte, konnte ich mich besser auf die Geschichte und die Schreibweise einlassen.

Die meisten Romane setzen den Fokus bekanntermaßen auf die Hauptfigur und oft werden die Nebenfiguren aus ihrer oder seiner Perspektive beschrieben. In „Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens“ verhält es sich umgekehrt und mich hat diese Erzählweise mehr und mehr fasziniert, je weiter ich las. Jede der Nebenfiguren hat ihre eigene Hintergrundgeschichte, jede hat ihre eigenen Träume, Sehnsüchte, Probleme und Macken. Manche waren mir sehr sympathisch und ich war am Ende des Kapitels traurig, sie zurücklassen zu müssen. Manche Charaktere waren mir aber auch einfach so zuwider, dass ich froh war, ein neues Kapitel aufschlagen zu können.

Da man sich immer wieder auf neue Personen und ihre Eigenschaften einlassen muss, um sich der eigentlichen Geschichte und der eigentlichen Protagonistin zu nähern, kam in mir das Gefühl auf, einen Kurzgeschichtenband zu lesen, dessen roter Faden mal sehr präsent ist und mal beinahe unsichtbar im Hintergrund verläuft. Eigentlich bin ich kein Freund von Kurzgeschichten, aber in diesem Fall hat der rote Faden dafür gesorgt, dass ich immer gespannt auf die nächste Nebenfigur (die ja eigentlich Hauptfiguren der jeweiligen Kapitel sind) und die nächste Geschichte war, die in irgendeiner Form Evas Leben beeinflussen würde.

Enttäuscht hat mich einzig und allein die Tatsache, dass Eva trotz der vielen Menschen, die mit ihrer ganz persönlichen Lebensgeschichte verflochten sind, eine irgendwie blasse Persönlichkeit bleibt. Auch ist sie mir in ihrer beinahe dogmatischen Denkweise und früh spürbaren Arroganz bzw. ihrem Egoismus recht unsympathisch. Viele der Nebenfiguren wirken im Vergleich zu ihr spannender, vielschichtiger und alles in allem greifbarer als sie.

Fazit:

Freunde guter Küche und Kochbegeisterte, die sich auf ein literarisches Experiment einlassen möchten, haben sicher ihre Freude an diesem Buch. Immer wieder erhält man interessante Einblicke in die Fachwelt des Kochens und bekommt Lust darauf, neue Rezepte auszuprobieren und an Marktständen auch mal ungewöhnliche Zutaten mitzunehmen. Zudem ist diese Geschichte auch literarisch wie ein experimentelles Gericht: Aus verschiedenen Perspektiven lernt man die eigentliche Hauptfigur kennen, ohne sie wirklich permanent auf ihrem Weg zu begleiten. Sicher muss man sich auf diese Erzählweise einlassen, insgesamt lohnt es sich aber!

4 von 5 Sternen.

Mehr zum Buch:

 

  • Preis: 24 €
  • Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
  • Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (24. August 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3257069758
  • ISBN-13: 978-3257069754
  • Originaltitel: Kitchens of the Great Midwest

 

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