Rezension: „Mit brennender Geduld“ (Antonio Skármeta)

Dieses kleine Büchlein, das zudem noch ein wahrer Handschmeichler ist, hat mir die liebe Jule von Jules Leseecke zu Weihnachten geschenkt. Und nicht nur, dass sie es aus einer meiner liebsten Buchhandlungen geholt hat – dem Universitas auf dem Campus meiner Alma Mater in Chemnitz – nein, sie hat auch mein Faible für kleine Bücher (und die Farbe Grün) genau getroffen. So hübsch, wie dieses Buch von außen erscheint, ist es aber auch von innen.

IMG_5783 (Medium)

(Foto: Privat)

Inhalt:

Mario lebt in Isla Negra und möchte alles sein, aber kein Fischer. Also sucht er sich Arbeit als Briefträger und hat zwar nur einen Kunden – denn die meisten Bewohner des Ortes sind Analphabeten – dieser eine Kunde ist jedoch eine Berühmtheit: Pablo Neruda, der große chilenische Schriftsteller bekommt vom sehr schüchternen Mario ab sofort seine Post – und noch einige von Marios Problemen dazu. Denn der liebenswürdige Briefträger liebt zwei Dinge: Beátriz Gonzáles, seine Zukünftige, die er – ebenso wie die zukünftige Schwiegermutter – noch von sich überzeugen muss. Und er liebt Pablo Neruda und seine poetischen Metaphern. Der Dichter ist es, der Mario helfen soll, seine Schüchternheit gegenüber der Angebeteten abzulegen und die herrische Mutter von Beátriz zu überzeugen.

Als Pablo Neruda als Botschafter nach Paris geht, ist das sehr schwer für Mario, der – wenn auch nicht mit sonderlich viel Talent – versucht, ein wenig in Nerudas Fußstapfen zu treten und ebenfalls Dichter zu werden. Auch Neruda vermisst Isla Negra mit all seinen Geräuschen, die ihm in Paris so fehlen. Der Poet bittet Mario für ihn alles aufzunehmen, was Isla Negra so einzigartig macht: Das Geschrei der Möven, die Geräusche des Meeres und des Windes und all der kleinen Dinge, die Heimat bedeuten.

Mein Eindruck:

Antonio Skármeta hat mich gleich mit den ersten Worten verzaubert und die Magie der Sprache hat mich die ganze Geschichte über nicht losgelassen. Es geht in der Geschichte nicht nur um die Poesie Nerudas – die Erzählung selbst wird durch die poetischen Worte Skármetas lebendig. Er spielt mit Worten wie große Musiker auf ihren Instrumenten und er drückt darin sehr viel über die Liebe zur Heimat aus, die eigentlich nicht in Worte zu fassen ist. Zudem zeigt er, wie wichtig Worte sind, wenn die Zeiten politisch unsicher erscheinen und man die Zukunft nur schwer einschätzen kann. Zwar konnte ich nicht alle Details der damaligen politischen Situation verstehen, da ich bisher noch nie etwas darüber gehört habe, aber dennoch wusste ich vom Grundtenor her immer, worum es ging – und auch das ist der Schreibweise des Buches zu verdanken.

Viele der wunderschönen Sätze habe ich mir mit allerhand Klebezettelchen markiert und oft habe ich diese Sätze immer und immer wieder gelesen, einfach weil sie so schön klingen. Ganz besonders beeindruckt haben mich die Naturbeschreibungen. Oft habe ich bei Autoren zwar das Gefühl, dass sie etwas beschreiben, das ich kenne – aber der „Funke“ springt nicht über. Die Worte bleiben einfache Beschreibungen. Hier hatte ich jedoch das Gefühl, dass der Autor genau weiß, wie sich die Situationen, die er beschreibt, anfühlen. Vielmehr noch, hatte ich das Gefühl, dass er weiß, wie sie sich für mich anfühlen.

Die ganze Beredsamkeit des Meeres machte ihn stumm.

(S.30).

Dieser Satz hat mich für mehrere Mintuten vom Buch aufblicken lassen, sodass meine Eltern, die ebenfalls im Wohnzimmer saßen und lasen, fragten, ob alles in Ordnung sei. Ich weiß nicht, was ich geantwortet habe, denn im ersten Moment war nichts in Ordnung. Dieser – mir bis dato unbekannte – chilenische Autor hatte in acht Worten das zusammengefasst, was mich jedes Mal beim Anblick des Meeres wie ein Schock trifft. Alle Gefühle, die ich dann empfinde, sind in diesem einen Satz zusammengefasst. Das mag albern klingen, aber ich bin auch kein Poet und kann mein Erstaunen über die wunderbare Ausdrucksweise – ganz besonders an dieser Stelle, aber auch an vielen weiteren – nicht in weniger kitschige Worte fassen.

Vielleicht ist es auch einfach ein Buch, das man selbst gelesen haben muss, um den Zauber zu verstehen, der von ihm ausgeht.

Fazit:

Ich persönlich mag ja eigentlich eine sehr klare, pointierte Sprache – dieses Buch ist mit manchmal sehr blumigen Beschreibungen das genaue Gegenteil von dem, was ich sonst so lese. Trotzdem hat mich dieser Sprachstil einfach nur fasziniert und ich bin mir sicher, dass es nicht der letzte Ausflug in die Welt der chilenischen Literatur gewesen ist.

5 von 5 Sternen.

Und Dir, liebe Jule, noch einmal ein ganz großes Dankeschön für eine Geschichte, die mich noch sehr lange begleiten wird.

Mehr zum Buch:

  • Preis: 10 €
  • Taschenbuch: 160 Seiten
  • Verlag: Piper Taschenbuch (1. Februar 2012)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3492273696
  • ISBN-13: 978-3492273695
  • Originaltitel: Ardiente paciencia

 

4 Gedanken zu “Rezension: „Mit brennender Geduld“ (Antonio Skármeta)

  1. Hallo liebe Sarah 🙂
    Ich habe doch tatsächlich bei der Stelle, wo du über das Meer schreibst, ein Tränchen unterdrücken müssen. *schnief*
    Eine sehr schöne Rezension und ich bin so glücklich, dass mir da das richtige Buch in die Hand gedrückt wurde, weil so ähnlich unser Geschmack bei Büchern ist, so unterschiedlich kann er auch sein. 😀
    Liebe Grüße
    Jule

    • Liebe Jule,

      stimmt, wir können herlich gleich lesen und dann wieder komplett anderer Meinung sein 😀
      Und hör auf – ich werd bei dem ganzen Lob noch roter als Tomaten mit akutem Sonnenbrand 😉 Dankeschön <3

      Liebe Grüße
      Sarah

  2. Pingback: Rezension „Zugvögel“ von Charlotte McConaghy (übersetzt von Tanja Handels) | Studierenichtdeinleben

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