Rezension: „Reformiert Euch!“ (Ayaan Hirsi Ali)

Ihr wisst ja, dass ich jemand bin, der erst einmal neugierig auf alles ist. Wenn ich etwas nicht verstehe, greife ich dementsprechend schnell zu dazugehörigen Büchern.

Vor einigen Wochen fragte ich beim Bloggerportal ein Buch an, das zu diesem Zeitpunkt gerade erst erschienen war. Darin geht es um den Islam, um islamistischen Terrorismus und vor allem die Punkte, in denen sich diese Glaubensrichtung reformieren muss, damit die Religion auch im 21. Jahrhundert bestehen kann.

Für mich ist dieses Buch sofort sehr interessant gewesen, da ich außer im eReligionsunterricht in der Schule nie mit dieser Glaubensrichtung in Berührung kam, und dementsprechend neugierig auf einen „Blick hinter die Kulissen“ war.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Knaus-Verlag für das Rezensionsexemplar, die liebe Betreuung und die Geduld, beim Warten auf diese Rezension.

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(Foto: Privat)

Inhalt:

Ayaan Hirsi Ali stammt aus Somalia und beschreibt zunächst, wie sie selbst streng gläubig erzogen wurde, zeitweise sogar mit der radikalen Auslegung ihres Glaubens sympathisierte, wie sie einer Zwangsehe mit ihrer Flucht in die Niederlande entkam und schließlich alles infrage stellte, was ihren Glauben ausmacht.

Ali studierte Politikwissenschaft, lehrt und forscht in Harvard und möchte mit ihrem Buch sowohl Muslime als auch westliche Denker anstoßen, über den Islam nachzudenken, ihn zu reformieren und islamistische Gewalttaten nicht getrennt von der Religion zu betrachten.

Nach der Erläuterung ihres eigenen Lebensweges, geht Ayaan Hirsi Ali auf das eigentliche Thema ein: Sie erläutert die Entstehung des Islam, erklärt, welche Bedeutung der Koran und andere religiöse Schriften haben und zeigt auf, wie schwer es für Muslime ist, sich einerseits an deren Gebote zu halten und andererseits mit den Errungenschaften der westlichen Welt konfrontiert zu werden. Immer wieder zeigt sie auf, wo die Wurzeln islamistischer Terroranschläge zu finden sind – im Koran – und ermahnt, diese Wurzeln nicht von den Gewalttaten zu trennen. Sie wirft dem Westen vor, mehr gegen Islamophobie vorzugehen als gegen radikale Denker und Terroristen.

Ali zeigt in ihrem Buch aber nicht nur, wo die Probleme der Glaubensrichtung liegen, warum eine Reformation so viel schwieriger ist als damalsim Christentum vor fast 500 Jahren – sie zeigt auch Möglichkeiten auf, wie es möglich wäre, dass so eine Reformation in Gang kommt, damit der Islam im 21. Jahrhundert ankommt. Und nicht – so wie radikale Denker dies wollen – im 7. Jahrhundert stehen bleibt, bzw. dahin zurückkehrt.

Mein Eindruck:

Ayaan Hirsi Ali schreibt über ein komplexes Thema, das sehr leicht eine sehr trockene und sperrige Lektüre bieten könnte. Das ist bei diesem Buch nicht der Fall! Ali schreibt mit kraftvoller Stimme, argumentiert klug und führt zahlreiche Quellen an, die ihre Worte untermauern.

Besonders beeindruckt hat mich bei ihren Ausführungen, dass sie zwar immer wieder eigene Erfahrungen als Beispiel anführte, ihre Argumentation dennoch hauptsächlich auf „harten Quellen“ (Koran, Hadithen, Forschungsergebnisse) aufbaut. Damit werden ihre Schlussfolgerungen nachvollziehbar und zudem findet man im Quellenverzeichnis weitere Lektüreanregungen für eigene Recherchen.

Ich hatte vor der Lektüre dieses Buches befürchtet, dass meine Kenntnisse was den Islam anbelangt, eventuell nicht ausreichend sein könnten und ich somit Verständnisschwierigkeiten haben könnte. Zwar waren viele Aspekte für mich sehr neu und ich habe viele Denkanstöße mitgenommen, das Buch ist jedoch so verständlich, anschaulich und interessant geschrieben, dass ich gar nicht so recht gemerkt habe, ein Sachbuch in den Händen zu halten.

Oft habe ich beim Lesen jedoch kurz pausieren müssen, da mir die beschriebenen Dinge sehr nahe gingen. Ali schreibt schonungslos darüber, wie der Islam in seiner politischen Ausprägung – die nicht von der Religion zu trennen ist, wie beim Christentum z.B. – konsequent Menschenrechte zu beschränken weiß. Frauenrechte. Rechte von Minderheiten. Rechte Andersgläubiger.

Fazit:

Es wäre leicht, nach der Lektüre des Buches zu sagen, alle Muslime, die sich an die Regeln des Islam halten, sind potentiell gefährlich. Würde ich hier so etwas schreiben, wäre ich ein dummer Mensch, der nicht von jetzt bis gleich denken kann. Im Buch wird ausdrücklich differenziert zwischen Muslimen, die ihren Glauben friedlich leben wollen und solchen, welche die Worte des Koran überkorrekt und wörtlich auslegen und somit zur Gewalttätigkeit tendieren. (Würden Christen die Bibel wörtlich auslegen, würden wir übrigens auch schnell als gewalttätig gelten.)

Doch das Buch lässt nachdenklich werden – gerade, was das Verhalten des Westens anbelangt. Weder sollten wir in Islamophobie abrutschen (dann wären wir, siehe oben, einfach nur dumm), noch sollte man den offensichtlichen Bezug zwischen Religion und Gewalttaten ignorieren. Beide Extreme sind – wie so oft – gefährlich für unsere Gesellschaft. Was wirklich notwendig ist, das findet sich schon im Titel des Buches: Eine Reformation.

„Reformiert Euch!“ ist eine gelungene Mischung aus Sachbuch und Aufruf zur Diskussion und ich hoffe, sehr viele Menschen werden es lesen und während und nach der Lektüre gründlich nachdenken.

5 von 5 Sterne.

Weiteres zum Buch:

  • Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
  • Verlag: Albrecht Knaus Verlag (1. April 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3813506924
  • ISBN-13: 978-3813506921
  • Originaltitel: Heretic. Why Islam needs a Reformation now

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ich auf meinem Blog keinerlei rassistische oder anderweitig diskriminierende Kommentare dulde. Sämtliche Kommentare werden von mir freigeschaltet, „Hate“ hat also sowieso keinen Zweck.

In der Reading Challenge 2015 zählt dieses Buch als  A banned book (denn in vielen Ländern wird diese Autorin als Apostatin verfolgt und ihre Werke sind verboten).

7 Gedanken zu “Rezension: „Reformiert Euch!“ (Ayaan Hirsi Ali)

  1. Hallöchen 🙂
    Eine sehr schöne Rezension mit einem sehr schwierigen Thema. Und ich glaube, du hast es schon ganz richtig geschrieben. Du hattest vor dem Buch nur im Schulunterricht mit der Glaubensrichtung zu tun. Und so geht es auch vielen anderen und trotzdem „hetzen“ sie gegen den Islam. Ich finde, es sollte viel mehr Aufklärung in diesem Bereich geben, Dann gäbe es vielleicht viel weniger Probleme.

    Ich bin in dieser Beziehung sehr Hardcore. Ich habe die Bibel auf Deutsch und Hebräisch gelesen. Seit dem kann ich recht gut mit Christen und Juden diskutieren. Als nächstes steht der Koran auf meiner Liste. 😀
    Liebe Grüße
    Jule

    • Hallöchen 🙂

      Danke Dir! Ich war mir bei der Rezension beim Schreiben echt manchmal unsicher, wie ich was fomuliere. Das ist so ein heikles Thema und manchmal verwirrt einen die politische Korrektheit mehr, als dass sie irgendwie hilfreich wäre…

      Ich bin gespannt, was Du mir zum Thema zu berichten hast, wenn der Koran gelesen ist. Ich als Christin hab nichtmal die Bibel komplett geschafft. Ein Kumpel lacht da immer und sagt „Spoiler: Jesus stirbt“ 😉

      Liebe Grüße
      Sarah

      • Ich habe die Bibel fast komplett gelesen 😀 das AT ist super, das NT finde ich sehr Jesuslastig und etwas schnulzig XD
        Vielleicht sollte ich mal eine Rezension zur Bibel schreiben? XD
        Ja, der Koran ist jetzt bestellt und kommt demnächst. Ich bin echt so aufgeregt. 😀

        • Welche Ausgabe der Bibel hast Du denn gelesen? Ich hab meist mit der vom guten Luther zu tun gehabt und habe die Jugendbibel, die ich zur Konfirmation bekam 🙂 Die Volksbibel hab ich mal durchgeblättert – das ist mal ne wahrlich krasse Version ^^

          • Da ich für Hebräisch in den unterschiedlichsten Übersetzungen gelesen habe, würde ich sagen, dass ich aus jeder Übersetzung ein Stück gelesen habe. XD

          • Cool ^^ Ich find das klasse, wenn man sich so in diese ganze Sache reinfuchst! Ich würde eine Rezension zur Bibel übrigens gern lesen 😉 Wäre sehr gespannt drauf!

  2. Pingback: Sparstrumpfchallenge #4 – und diesmal bin ich auch dabei | Studierenichtdeinleben

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