Rezension: „Die Falle“ (Melanie Raabe)

Ein Buch wie dieses ist im wahrsten Sinne des Wortes selten. Selten weiß ich schon nach dem ersten Kapitel, dass ich ein Buch lieben werde. Selten denke ich beim Lesen so oft, dass ich weiß, wie das Buch endet – nur um mich nach spätestens zwei Seiten wieder völlig ratlos zu fühlen. Selten blicke ich so oft völlig verdattert von den Zeilen auf, weil mich die Wendung in der Handlung komplett überrascht. Und selten fällt mir eine Rezension derartig schwer, weil ich keine einzelne dieser Wendungen auch nur im Ansatz vorwegnehmen möchte.

Melanie Raabe Die Falle

(Foto: Privat)

Inhalt:

Linda Conrads ist 38 Jahre alt, Bestsellerautorin. Und sie verlässt nie ihr Haus. Vor fast 12 Jahren starb ihre Schwester – sie wurde ermordet. Linda hat den Täter sogar gesehen, doch er wurde nie gefasst. Jahre später lebt Linda nur noch durch ihre Bücher: Sie liest, sie schreibt. Doch ab und an schaltet sie auch den Fernseher an und da passiert es. Sie sieht den Mörder ihrer Schwester und sie beschließt, ihm eine Falle zu stellen und zwar mit dem einzigen Mittel, das ihr zur Verfügung steht: Ihren Büchern. Die einzige Frage scheint zu sein: Schnappt die Falle zu?

Mein Eindruck:

Das Erstlingswerk von Melanie Raabe hat wahrlich in sich: Der Thriller enthält nicht nur Kapitel aus einem Buch ihrer Figur Linda Conrads und allerlei Psychospielchen zwischen Linda und dem Mörder, nein die Geschichte selbst ist ein einziges Psychospielchen mit dem Leser.

Von Kapitel zu Kapitel wurde ich hin- und hergeworfen zwischen „Realität“ und „Fiktion“, zwischen wahren Lügen und gelogenen Wahrheiten. Die gesamte Geschichte zeichnet sich durch schnelle Wechsel aus. Von schnellen Szenen wird man in langsamere Überlegungen hineingeworfen, erlebt die Figuren nachdenklich und dann wieder beinahe überstürzt handelnd.

Begeistert hat mich beim Lesen auch das Spiel mit der Sprache. Melanie Raabe wählte die Worte und das Tempo ihrer Erzählung immer perfekt zur Handlung passend: Ob im Takt eines vor Angst rasenden Herzens oder einfach nur mit kalter, beinahe grausamer Finalität – ihre Worte erzählen nicht nur die Geschichte, sondern bestimmen auch auf jeder Seite die Art und Weise, wie sie gelesen werden. Auch zu den verwendeten Metaphern und den Traumbildern kann man nur eines sagen: Stilistisch ist dieses Buch ein Meisterwerk.

Ein brillianter Schachzug ist auch das Einbinden von Linda Conrads Roman „Blutsschwestern“. Durch eine andere Schriftart und andere Kapitelnummern abgetrenn, liest man sozusagen zwei Bücher auf einmal und doch in derselben Geschichte. Linda Conrads spiegelt ihre eigenen Erlebnisse – den Mord an ihrer Schwester – in diesem Roman. Informationen zum Mord, dem Opfer, dem Umfeld und auch dem Täter gibt es also nicht nur im üblichen Sinne, sondern auch über das Buch-im-Buch. Womit wir wieder beim Wechsel zwischen „Fiktion“ und „Realität“ wären, der mich so sehr beeindruckt hat.

Meist stört mich bei Krimis oder Thrillern, dass manche Charaktere recht einseitig bleiben oder einfach keine Entwicklung durchlaufen – genau das wird übrigens an „Blutsschwestern“ kritisiert. In „Die Falle“ gibt es beides nicht. Ich hatte sogar mehrmals das Gefühl, dass Melanie Raabe zu jeder einzelnen Figur noch viel mehr hätte erzählen können und wir nur jeweils die Spitze des Eisberges zu sehen bekommen. Und mit jeder Wendung dreht sich auch die Uhr für die Charaktere ein Stück weiter und ihre Sicht auf die Dinge verändert sich, ihr Verhalten ändert sich und damit ändern sich auch ihre Reaktionen auf die Wendungen der Geschichte.

Manchmal wirkt es so, als wäre „Blutsschwestern“ mit Absicht eindimensional geschrieben, damit „Die Falle“ umso plastischer und mitreißender wirkt. Vielleicht darf ich es so ausdrücken: „Die Falle“ ist eine um Klassen bessere Version von „Blutsschwestern“.

Fazit:

„Die Falle“ ist eines dieser Bücher, bei denen ich recht schnell genervt war, wenn man mich beim Lesen störte, denn ich war unter Garantie an einer äußerst spannenden Stelle. Vergesst die Schemata aus dem Deutschunterricht, mit denen man uns beibringen wollte, wie eine „gute“ Spannungskurve aufgebaut ist! Melanie Raabe ließ mich beim Lesen Achterbahn fahren – mit vielen Loopings und noch mehr dieser kurzen Momente der Schwerelosigkeit, bevor man in die Tiefe rast.

Wenn ich das Buch in wenigen Worten beschreiben müsste, sähe es wohl folgendermaßen aus: Unbeschreiblich gut. Atemberaubend.

5 von 5 Sternen.

Und an dieser Stelle dürft Ihr Euch alle auf morgen freuen: Melanie Raabe hat sich bereit erklärt, mir ein kleines Interview zu geben und ich kann es kaum abwarten, Euch ihre Antworten zu präsentieren. Seid gespannt 😉

 

Weiteres zum Buch:

  • Preis: 19,99€
  • Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
  • Verlag: btb Verlag (9. März 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3442754917
  • ISBN-13: 978-3442754915

In der Reading Challenge 2015 firmiert „Die Falle“ als A mystery or thriller.

 

4 Gedanken zu “Rezension: „Die Falle“ (Melanie Raabe)

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  3. Ich habe „Die Falle“ und dann auch „Die Wahrheit“ gelesen und muss sagen, in beiden Büchern hat mir extrem gut gefallen, wie Melanie Raabe Sprache einsetzt. Es macht so großen Spaß, ihre Bücher zu lesen.
    Allerdings fand ich bei der Falle die Handlung etwas besser, weil zwangsläufiger und logischer konstruiert. Deshalb ist dieses Buch mein Favorit, auch wenn ich die Wahrheit auch gerne gelesen habe.
    Liebe Litnetzwerk-Grüße von
    Gabi

    • Hallo Gabi,

      ja „Die Falle“ war minimal besser als „Die Wahrheit“, was vielleicht auch an der „Who did it“-Atmosphäre lag. Aber beide Bücher sind so weit über manch anderem „Thriller“, dass das meckern auf hohem Niveau ist. Freut mich, dass Dir die Bücher auch gut gefallen haben 😀

      Liebe Grüße
      Sarah

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