Rezension:“Lieber Mr. Salinger“ (Joanna Rakoff)

Wie ich Euch hier erzählt habe, habe ich bei einem ersten Test des neuen Bloggerportals der Verlagsgruppe Randomhouse, „Lieber Mr. Salinger“ von Joanna Rakoff angefordert.

Beendet habe ich das Buch bereits am Donnerstag vor der Leipziger Buchmesse, aber wie das mit dem Messetrubel so ist – er wirft jeden Redaktionsplan durcheinander. Ich denke, bücherverrückt wie Ihr seid, seht Ihr mir das nach 😉

In der „Reading Challenge 2015“ zählt „Lieber Mr. Salinger“ als A memoir.

Salinger

(Foto: Privat)

Inhalt:

Joanna Rakoff erzählt, wie sie gerade erst ihren Masterabschluss gemacht hat – oder, „die Promotion geschmissen“, wie sie selbst schreibt – und in New York City einen Job als Assistentin in einer Literaturagentur bekommt.

Schnell muss sie feststellen, dass das etwas romantische Bild, das sie von der Tätigkeit in so einer Agentur hat, nicht wirklich zutreffend ist. Sie muss sich auch daran gewöhnen, dass zwar in allen anderen Büros der Stadt Computer Einzug gehalten haben, in der Agentur jedoch noch mit Schreibmaschinen gearbeitet wird.

Joannas Chefin betreut zudem einen Autoren, der für kistenweise Fanpost sorgt, auch wenn er kein neues Buch mehr herausbringen wird: J. D. Salinger. Von dem Joanna noch nie etwas gelesen hat.

Und wäre der Berufseinstieg mit viel zu hohen Rechnungen für zu geringes Gehalt nicht schon genug, muss sich Joanna auch noch in Liebesdingen mit einigen Schwierigkeiten herumschlagen. Kurzum: Joanna muss versuchen, ihren Weg zu finden und dabei ihre eigentlichen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.

Mein Eindruck:

Gleich vorab: Ich gebe zu, ich habe nie ein Buch von Mr. Salinger gelesen – weder „Der Fänger im Roggen“ noch eine seiner Erzählungen, nichts. Das mag an sich eine frappierende Bildungslücke sein, half jedoch, mich in Joanna hineinzuversetzen. Durch sie lernte ich nämlich nicht nur ihren Alltag in der Agentur kennen, sondern sah auch J. D. Salinger durch ihre Augen.

Es ist schwierig, ein Buch zu rezensieren, das letztlich auf dem Leben der Autorin beruht. Vor allem beim Beurteilen der Entwicklung der Handlung hätte ich das Gefühl, ihr Leben und ihre ganz persönlichen Entscheidungen zu kritisieren – was mir definitiv nicht zusteht.

Abwechselnd beschreibt Joanna ihre Erlebnisse in der Agentur und das, was währenddessen in ihrem Privatleben passiert. Eigentlich ist sie nämlich mit ihrem College-Freund zusammen, der aber lebt in einem anderen Bundesstaat. In New York lebt Joanna dagegen mit Don zusammen, einem angehenden Autor der mir von Anfang an in seiner launenhaften Art unsympathisch war. Zu erwähnen, dass das nicht lange gut gehen kann, dürfte kein Spoiler sein.

Joanna beschreibt das was sie erlebt hat auf eine Art und Weise, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und mich auch nicht am Wechsel zwischen Agenturerlebnissen und Privaterlebnissen gestört habe. Immer wieder leuchtet zwischen den Zeilen die Liebe zur Literatur, die Neugier auf neue Werke und auf den Entstehungsprozess guter Bücher.

Mehrmals haben mich Joannas Erlebnisse und ihre Gedanken dazu innehalten lassen. Wann ist man glücklich? Kann man „herumrennen und aller Welt seine verfluchten Gefühle zeigen“ (S. 241)? Wie schafft man es, all das zu tun, was nötig ist und dennoch Zeit zu haben für das, was man möchte, was man eigentlich braucht?

Immer wieder bringen die Fanbriefe an Salinger oder Salingers Verhalten selbst Joanna zum nachdenken über diese und ähnliche Dinge und dennoch wird das Buch im Tonfall nie zu melancholisch oder gar traurig. Das fand ich besonders angenehm. Immer scheint da die Literatur als Puffer zu fungieren, die einen auffängt und den nötigen Halt gibt.

Ich habe mich in der Leserunde auf LovelyBooks zum Buch ein wenig umgesehen und musste feststellen, dass Joanna von anderen Lesern als naiv und weltfremd empfunden wird. Das ging mir ehrlich gesagt überaupt nicht so. Joanna erzählt von ihrem Leben, als sie die ersten Schritte im Berufsleben wagt und natürlich wirkt einiges manchmal rätselhaft oder gar unsinnig. Aber man muss, finde ich, auch bedenken, dass es sich um eine reale Person handelt, die den Ausgang der Handlung am Ende des Buches noch nicht abschätzen konnte, als sie sich in ihrer eigenen Geschichte noch am Anfang befindet.

Fazit:

Auch wenn man keines von Salingers Werken gelesen hat, kann man sich getrost an dieses Buch heranwagen. Ich gehe sogar so weit und behaupte, dass man sich hinterher vielleicht auch viel leichter an seine Werke heranwagt.

Joanna Rakoff hat mich mit „Lieber Mr. Salinger“ in die Welt der Literaturagenturen aus einer längst vergangenen Zeit entführt und mir Lust darauf gemacht, Salinger nun durch seine Bücher kennenzulernen.

Von Anfang bis Ende hat mich dieses Buch durch seine Sprache, die Gedanken zu großer und kleiner Literatur und die Liebe zum geschriebenen Wort gefesselt.

5 von 5 Sternen.

Weiteres zum Buch:

  • Preis: 19,99€
  • Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
  • Verlag: Albrecht Knaus Verlag (23. Februar 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3813505154
  • ISBN-13: 978-3813505153
  • Originaltitel: My Salinger Year

Und hier geht es zur Leseprobe.

4 Gedanken zu “Rezension:“Lieber Mr. Salinger“ (Joanna Rakoff)

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