„Tausende Bücher immer dabei – das kann kein Buch aus Papier“ und „Lesebändchen und Goldschnitt – das kann kein eReader“ sind nur zwei von zahllosen ähnlichen Sprüchen, denen man als Büchermensch auf Facebook und anderen Plattformen begegnet. Und immer wieder frage ich mich, wie es sein kann, dass bei Menschen, die sonst eher als friedliebend gelten, sobald das Thema der eBooks und „klassisch“ gedrucken Bücher aufkommt, die Fetzen fliegen.
Warum muss das sein?
Als Vorzüge des gedruckten Buches werden häufig folgende Dinge genannt: Die Haptik des Papiers u.a. beim Umblättern der Seiten, der Duft des Papiers bzw. der Druckerschwärze, liebevolle Illustrationen, schöne Lesebändchen oder die Möglichkeit die eigene Lesezeichen-Sammlung zu nutzen und nicht zuletzt auch die dekorativen Eigenschaften eines gut gefüllten Regals.
Als Vorzüge der elektronischen Bücher dagegen wird meist aufgeführt: Sie sind rückenschonender, da man gefühlt endlos viele Bücher gleichzeitig mit sich herumtragen kann, im Urlaub muss man sich nicht auf eine kleine Auswahl beschränken, man kann bei Buchreihen gleich weiterlesen und – wenn die Displays entsprechend beleuchtet sind – stört dieses „Leselicht“ auch den schon schlafen wollenden Partner nicht.
Schön und gut, wenn man das so sehen will, dann könnte ich hier folgendes zusammenfassen:
Gedruckte Bücher sind viel zu schwer und klobig, schädigen damit unsere physische Gesundheit und stören unsere Mitmenschen, wenn wir, um sie zu lesen, Licht benötigen.
Und eBooks sind lieblos gestaltet, lassen unsere Regale hässlich – weil leer – aussehen und die Lesegeräte sind so schlimm, dass man sie am liebsten gar nicht anfassen möchte.
Seht Ihr was passiert?
Seht Ihr, was diese „umgedrehte“ Zusammenfassung bewirkt? Man möchte laut rufen: „Ja, aber…!“ Und dann möchte man argumentieren, weshalb das völlig falsch ist, die Dinge so zu sehen und nicht anders. Man möchte auflisten, was jeweils das eBook oder das gedruckte Buch ausmacht. Warum es uns so fasziniert und wieso man es nicht einfach so mit lieblosen Worten beschreiben sollte.
Und warum ist das so?
Das ist so, weil man – zumindest, wenn man ein bisschen nachdenkt – weiß, dass Bücher letztlich nur Mittel zum Zweck sind. Einige Ausnahmen mag es geben, aber was ist für die meisten Leseratten das wichtigste an ihrem Hobby? Es wird wohl das Lesen an sich sein – und nicht das Anstarren von Büchern im Regal oder das Horten von Dateien auf der Festplatte oder in der Cloud. Es wird wohl das Erleben der Geschichte sein – und nicht das Gefühl von Papier oder Elektronik in den Händen. Es wird wohl das Kennenlernen von vielen spannenden Charakteren sein – und nicht die Frage, ob man auf dem Weg zur Arbeit eReader oder gepressten toten Baum aus seiner Handtasche herauskramt.
Bücher sind viel mehr als nur das Medium, mit welchem sie verbreitet werden.
Ich gebe zu: Ich liebe mein Bücherregal mit all den schönen Schätzen, die ich in den vergangenen Jahren gesammelt habe. Ich mag meine signierten Bücher ebenso wie die leicht vergilbt aussehenden Bände, die ich seit meiner Kindheit besitze. Die Vorstellung, diesen Regalinhalt – die Bücher – irgendwie verlieren zu können, schmerzt. Aber die Vorstellung, die Inhalte des Regals – nämlich die Geschichten, die darin stehen – zu verlieren, die ist beinahe unerträglich. Nie wieder nach Hogwarts reisen? Nie wieder Lothlorien durchwandern? Nie wieder mit einem Handtuch unterwegs zu den Sternen sein? Nie wieder…
Man kann es sich nicht vorstellen, nicht wahr? Und genau das ist der Punkt: Die Geschichten sind das, was wir Leseratten am allermeisten lieben. Ja, natürlich mag der eine lieber das Geraschel von Papier und der andere freut sich, dank verstellbarer Schriftgröße ohne Brille lesen zu können. Aber das ist noch lange kein Grund, andauernd auf dem jeweils anderen Medium herumzuhacken wie das so gerne im Internet getan wird. Schlimm finde ich besonders, dass teilweise auch die Aktion „Vorsicht Buch!“ in diese Richtung geht – dabei sollte gerade dort nur Wert auf die Inhalte gelegt werden und nicht darauf, wie die Geschichte zum Leser kommt.
Können wir nicht einfach diese gesamte Diskussion ad acta legen und uns darauf einigen, dass jeder Mensch andere Vorlieben hat und jeder einfach nur gute Geschichten finden sollte? Egal, welches Genre bevorzugt wird und auch egal, welches Medium man nutzen möchte? Nur digital, nur gedruckt oder irgendwo dazwischen – ich finde, gerade wir Büchermenschen sollten intelligent und tolerant genug sein, um zu wissen, dass das alles in Ordnung ist.
In diesem Sinne: Nicht „Vorsicht Buch!“, sondern: „Hauptsache, Buch!“
Eine wohltuende Ansicht in dieser doch allmählich unsäglichen Debatte. Wer sich den Herausforderungen der Digitalisierung nur mit sentimentalen Schutzwällen entgegen stellt, wird irgendwann einfach überrollt. Hatte mich vor einiger Zeit auch mit dieser Gretchenfrage befasst: http://thomasbrasch.wordpress.com/2014/04/09/meine-gretchenfrage-wie-haltst-du-es-mit-dem-ebook/
Ich finde vor allem dieses Aufbauen einer Drohkulisse so schlimm – das Medium eBook wir das Medium des Printbuches nie verdrängen. Im Gegenteil können sich beide sogar bereichern! Danke für den Kommentar und den Link – werde ich mir am Wochenende in Ruhe durchlesen. 🙂
Huhu Estel! 🙂
Danke für diesen schönen Beitrag! Du hast so recht. Beides hat seine Vor- und Nachteile und solange wir beides haben, sollten wir uns an den Möglichkeiten die uns beide Medien liefern erfreuen, statt darüber zu grübeln, an welcher Ecke der nächste Untergang warten könnte. Ich liebe echte Bücher, aber ich liebe auch meinen E-reader. Beides sind Tore zu anderen Welten, die ich gerne durchschreite und das eine wird vom anderen nicht verdrängt, sondern eher noch unterstützt.
Ich stimme mit dir ein: Hauptsache, Buch!
Liebe Grüße,
Melanie <3
Liebe Melanie,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich, dass ich mit meiner Meinung nicht allein auf weiter Flur stehe 😉
Liebe Grüße zurück und schöne Lesestunden jetzt am Wochenende!
Deine Argumentation ist so aufgebaut, das sie überzeugt – großes Lob 😛
Allerdings stellt sich die Frage, warum die Vorurteile ggü. E-Books da sind. Vor allem unbewusst. Ein Hauptgrund ist: Man sieht sie nicht. Klar, wann ich ein Cover auf AMazon sehe, dann ist es da und die einzige Schwierigekeit besteht darin, es mit der Kindle-App lesbar zu machen. Ein Buch ist da – immer. Ein E-Book ist weg, sobald ich den Reader ausschalte. Wenn man diese Distanz überwindet und z.B. Bildschirme mit E-Books in Buchläden aushängt, wären wir einen Schritt weiter.
Außerdem darf man nicht übersehen, dass Bücher als Medium stagnieren – Papier als auch E-Book. Bis auf einige Ausnahmen sind beides nur Buchstaben auf weißem Untergrund, ohne besondere Gestaltung. Papier bietet Möglichkeiten, ein E-Book erst recht. Aber was tut man, um dem Leser das Lesen zu erleichtern, ihm die Geschichten auch außerhalb der Buchstaben näher zu bringen?
Anstatt uns mit der Diskusion im Kreis zu drehen, sollten wir endlich mal vorwärts kommen! E-Books haben Möglichkeiten – und damit sollte man überzeugen, anstatt ständig zu fragen, ob sie notwendig sind.
Und wenigstens riechen E-Books nich, wenn man sie aus der Bibo ausleiht xD
Hihi, das mit den eBooks und ihrem Duft stimmt natürlich.
Was ich nicht weiß, ist, ob und inwiefern man überhaupt „optimieren“ sollte. Klar, bei Lehr- oder Fachbüchern bieten sich in der digitalen Form natürlich Videos etc. an, klar. Aber bei Belletristik würde ich ganz persönlich das nicht unbedingt haben wollen. Mich nerven – außer bei Terry Pratchett – schon Fußnoten, weil die den Lesefluss irgendwie stören.
Ich finde, man kann auch zu viel optimieren wollen und landet dann am Ende nur auf der Nase.
Warten wir ab, was die Zukunft bringt 🙂
Gute Frage: Kann man auch überoptimieren? Ich denke, der Leser sollte die Wahl haben – aber die Optionen sollten da sein. Z.B. könnte man Hörbuch und geschriebenen Text kombinieren, die Songs, die man im Buch erwähnt, hörbar machen oder Stimmungsbilder einfügen. Man will den Leser nicht bevormunden, sondern gemeinsam mit ihm das Buch interpretieren 🙂
Das stimmt. Leider frage ich mich halt, ob der Markt dafür da ist. Vor allem im Bereich Belletristik. Und dann: Was soll das kosten? Bei Songs muss man noch diese Künstler ins Boot holen etc… Schwierig. Machbar, aber schwierig. Und ob dann halt die Nachfrage da ist….