Rezension:“Der Atem der Welt“ (Carol Birch)

Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.

Das schrieb Franz Kafka einst in einem Brief. Auf zweierlei Weise passt dieses Zitat ganz wunderbar zu „Der Atem der Welt“ von Carol Birch: Zum einen geht es um das Meer – um eine Reise auf dem Meer, das Meer, welches unser Inneres zu ändern vermag und das Meer, das einen nie mehr loslässt, hat man es einmal erblickt. Zum anderen ist dieses Buch nicht nur eine Axt in mir gewesen – vielmehr war es, besonders am Ende, eine Kreissäge.

Inhalt:

Auf fast 400 Seiten begleitet man Jaffy, einem Londoner Jungen, der eine denkwürdige Begegnung mit einem Tiger hatte – und sie überlebte. Aus der Begegnung resultieren weitere, er findet eine Arbeit bei einem Herrn Jamrach, arbeitet mit wilden Tieren und lernt seinen besten Freund Tim kennen. Gemeinsam heuern sie auf einem Walfänger an, der ein neues wildes Tier für einen Kunden Jamrachs fangen soll. Was folgt ist eine Reise über die Meere – mit Höhen und Tiefen ähnlich denen der Wellen, auf denen Jaffy und Tim erwachsen werden.

Die Frage, die man sich zum Schluss stellen muss ist: Welches Los ist das bessere? Welche Dinge kann man anderen verzeihen? Und was muss man sich selbst verzeihen können?

Mein Eindruck:

Sprachlich ist dieses Buch ein wahrer Schatz. Die Beschreibungen lassen den Leser die Welt durch Jaffys Augen sehen und man hat über lange Strecken des Buches den Eindruck, man würde selbst neue Welten mit dem Schiff entdecken. Stellenweise sind die Worte, die er für seine Erlebnisse findet, jedoch auch sehr grausam und so manches Mal war ich froh, nicht beim Essen zu lesen.

Während mich die ersten zwei Drittel der Geschichte – trotz dieser Stellen – oft fasziniert haben und ich die vielen Beschreibungen nicht als langweilig oder belastend empfunden habe, war das letzte Drittel des Buches in dieser Hinsicht anders. Jaffy erlebt Dinge, deren Beschreibung ich persönlich nicht gut aushalten konnte und die zu einer sehr realen Übelkeit meinerseits geführt haben. Sein späterer Umgang mit dem Erlebten ließ mich – und das ist wohl ein weiteres Zeichen für die Kraft, die den Beschreibungen innewohnt – ebenfalls nicht los und ich musste das Buch auf den letzten 20 Seiten beiseite legen und erst einmal eine andere Geschichte beginnen, bevor ich mich wieder an „Der Atem der Welt“ wagen konnte.

Ich bin – auch wenn das bereits bei der letzten Rezension anders wirkte – definitiv niemand, der zart besaitet auf das gedruckte Wort reagiert, aber in diesem Fall war mir das doch ein wenig zu heftig und ich finde, man hätte manch eine Beschreibung vielleicht doch weglassen können. Das hätte die eigentliche Wirkung der Geschichte nicht gemindert, aber dem Leser vielleicht den ein oder anderen Alptraum erspart. Mir zumindest.

Fazit:

Wer denkt, „Der Atem der Welt“ wäre eine durchweg angenehm zu lesende Seemannsgeschichte, der irrt. So unberechenbar wie das Meer ist auch diese Erzählung und man muss sich an manch einer Stelle durchkämpfen. Für mich ist es dennoch ein gutes Buch, aber keines, welches ich wohl wieder lesen würde. Es geht mir hier ähnlich wie bei „Schiffbruch mit Tiger“, was auch häufig mit Carol Birchs Buch in Verbingung gebracht wird.

Für mich sind es daher nur 3 von 3 Sternen. Dennoch, eine klare Empfehlung für all die, die „Schiffbruch mit Tiger“ geliebt haben.

Weiteres zum Buch:

  • Taschenbuch: 393 Seiten
  • Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1 (11. November 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3458359699
  • ISBN-13: 978-3458359692

 

Ein kleiner Spoiler im folgenden einen „Warning-Tag“, denn ich finde, so etwas sollte man vorher wissen: Kannibalismus wird thematisiert.

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